Die Ankündigen für das WGT gehen munter weiter und wer gedacht hat, dass nach Skinny Puppy nicht mehr viel kommt, der wird „enttäuscht“.
Der nächste große Kracher aus meiner Sicht, ist die Ankündigung, dass CABARET VOLTAIRE ihr exklusives Konzert in Deutschland in diesem Jahr beim WGT geben. Gut, die britischen Elektropioniere sind nicht mehr die gleichen wie in ihren Anfangstagen, eigentlich ist nur noch Richard H. Kirk am Start. 2014, beim Berliner Atonal-Festival spielte Kirk dann auch nur neues Material. Der Sound ist noch immer recht typisch; die gleichen spröden Beats, die gleichen beängstigenden bis eindringlichen Atmosphären. Heute wird das zwar nicht mehr mit Band und Schere gemacht, sondern am Rechner aber es lohnt sich noch immer, ein Ohr für CV zu riskieren.
Ebenfalls ein exklusives Konzert in Leipzig geben REVOLTING COCKS. Das Industrial-Rock-Monster wurde 1985, Luc Van Acker (u.a. My Life With The Thrill Kill Cult) und Front 242-Shouter Richard 23 mit Ministry’s Al Jourgensen als Produzent zum Leben erweckt. Im vergangenen Jahr feierten RevCo das 30ste Jubiläum des Erscheinens von “Big Sexy Land” auf WaxTrax! Bei der Gelegenheit waren neben den beiden Gründern Chris Connelly (Acid Horse, Ministry, Pigface…) und Paul Barker (1000 Homo DJs, Acid Horse, Ministry, Pailhead…) dabei. Es verspricht also, ein energetischer Abend zu werden.
Sehr schön ist auch, dass sich die SEX GANG CHILDREN in Leipzig mal wieder die Ehre geben. Die britische Band um ANDI SEX GANG, gehören zur ersten Welle der Gothic Rock Bands, die in den frühen 1980er Jahren vor allem in und um London entstanden. Der Sound der Sex Gang Children ist sehr vielseitig mit einer gehörigen Portion Schrägheit und entzieht sich so den typischen Szene-Klischees. Andis theatralischer Gesang muss man allerdings mögen – und das gelingt sicher nicht jedem. Live sind die Briten auf jeden Fall eine Macht und ich werde, wenn es zeitlich möglich ist, sicher hingehen. Solo tritt Frontmann Andi übrigens auch auf.
Eine Legende der ganz anderen Art sind HERBST IN PEKING. In Ostdeutschland kannte die Band eigentlich jeder, der sich Ende der 1980er mit Musik abseits des Mainstreams beschäftigte. HIP, wie die Eingeweihten sagten, gehörte zu den Indie-Bands, die nicht mehr stromlinienförmigen Pop zu Gehör brachten, sondern ihr eigenes Ding machten. Im Falle von HIP war das Indie-Rock mit lyrischen und kritischen Texten aus der Feder von Sänger Rex Joswig. Bei der „Partei.- und Staatsführung“ eckte man kurz vor Toresschluss an und die Antwort der Band auf ein Auftrittsverbot, der Song „Bakschichrepublik“ wurde veritablen Hit und zum Abgesang der DDR. Nach der „Wende“ ging es Herbst in Peking wie vielen anderen Bands, das Interesse an den West-Importen ließ kaum noch Raum für die einheimische Musikszene. Trotzdem haben HIP weitergemacht und sie sind auch heute noch da. Auch wenn es zwischen den beiden letzten Alben von 1999 und 2016 eine ziemlich große Lücke gab…
Im industriellen Umfeld gut angesehen sind die belgischen AH CAMA-SOTZ. Das Projekt von Herman Klapholz ist seit über 20 Jahren aktiv und bewegt sich klanglich zwischen Ambient, Industrial und IDM. Inhaltlich geht es oft sehr mystisch zu oder auch mal blutig, wie bei der „Murder Themes“-Serie. Deren dritter Teil „Exorcise – Murder Themes III“ erschien im vergangenen Jahr auf HANDS, dem Label für gepflegten Rhythmus Industrial.
Ebenfalls aus Belgien kommt der sympathische Nicolas Van Meirhaeghe, der mit seinem Projekt EMPUSAE schon seit einiger Zeit zum festen Inventar von Festivals wie Maschinenfest oder Elektroanschlag gehört und bevorzugt bei Ant-Zen veröffentlicht. Die Mischung aus Ambient und Industrial mit einem leichten „Ethno-Einschlag“ wird live stets energetische vorgetragen und Van Meirhaeghe beweist dabei gern, dass er nicht nur am Rechner arbeiten kann, sondern auch ein guter Drummer ist.
Etwas technoider geht es bei 13TH MONKEY zu, der Kollaboration von Andreas „Thedi“ Thedens von KiEw und Harm Bremer von Klangaquarium. Bei dem absolut tanzbaren Sound hält es wohl niemand auf den Sitzen, es sei denn er braucht unbedingt Gitarren zum glücklich sein. Auch wenn in letzter Zeit kein Album erschienen ist, so lassen die Monkeys regelmäßig die Puppen tanzen, wie man anhand der angekündigten Konzerte sehen kann. http://www.13thmonkey.de/news/shows/
Schon recht oft durfte ich ORDO ROSARIUS EQUILIBRIO erleben. Etwas boshaft bezeichne ich die Musik der Schweden gern als Mädchenmusik aber man verzeihe mir dies. Die romantisch-melancholischen Klänge sind aber auch zu schön. Wunderbar zum Verlieben und Verliebtsein. Witzig ist das besonders dann, wenn man bedenkt, dass der Sänger mit der sanften Stimme, Tomas Pettersson, von Archon Satani kommt. Wer ORE bisher noch nicht kennt, sollte sich unbedingt seine Liebste oder Liebsten schnappen und sich die wahrscheinlich um die Präsentation des aktuellen Albums „[Vision:Libertine] – The Hangman’s Triad“ (2016) aufgebaute Performance anschauen.
Ebenfalls aus nordeuropäischen Gefilden stammen AMORPHIS. Ich mochte das zweite Werk der Finnen, „Tales From A 1000 Lakes“ von 1994, das noch immer in meinem Plattenschrank steht. Aus dem Metal ist heute mehr eine Art Prog Rock geworden. Kann man sich aber immer noch anhören, wenn man kreischende Gitarren mag.
Gefreut habe ich mich, zu sehen, dass in diesem Jahr auch MACHINE DE BEAUVOIR auf dem Programm stehen. Das Quartett aus Dresden besteht aus gestandenen Musikern, die neue Wege gehen. Die Band bezeichnet ihren Sound als „Elektromodulierte Vertonungen von Dichtern und Textern“ und zu letzteren gehören u.a. auch Blixa Bargeld und Inga Humpe. So finden sich auf dem 2016 erschienen Erstlingswerk „Nimmersatt“ Ideals „Erschiessen“, die „Lachleute und Nettmenschen“ von Syph aber leider kein Song der Neubauten. Wollte Blixa bestimmt nicht…
Schon seit einigen Jahren im Geschäft sind Bands wie die Deutschen BLOODY, DEAD & SEXY und DER FLUCH, die finnischen THE 69 EYES sowie FRANKENSTEIN und SCARY BITCHES aus den Staaten bzw. aus Großbritannien (GB). Alle lassen sich mehr oder weniger dem Gothic Rock zuordnen, während die einen mehr im Death Rock, die anderem im Punk und die dritten im Psychabilly wildern. Auch wenn ich mir diese Musik ganz gern mal anhöre, nutze ich das WGT persönlich eher dafür, mir entweder ganz unbekannte Bands oder halt die Vertreter experimenteller Klänge anzuhören. Eine Ausnahm mache ich vielleicht bei den schrägen SCARY BITCHES.Deren Album „Lesbian Vampyres From Outer Space“ (2002) hatte mir mal ein Freund in die Hand gedrückt und das fand ich ziemlich lustig (Ups, darf man das sagen?).
Für Horror Movies und B-Movie-Atmosphäre interessieren sich die Amis von WEDNESDAY 13 und THE CREEPSHOW. Während erstere optisch eher an eine Marylin Manson Kopie gemahnen, entstammen Letztere klar dem Psychobilly Umfeld. Und sie haben eine hübsche Frontfrau. Das auch Deutsche, wenn auch mit einem Schlag „Neue Deutsche Härte“ voll den Horror schieben können, beweisen JOHNNY DEATHSHADOW.
Kommen wir zu weiteren Bands, deren Namen mir bisher nicht viel sagten, die man sich aus meiner Sicht aber durchaus anschauen kann.
So sind mir FOLK NOIR aufgefallen, die einen sehr angenehmen melancholischen Pop machen. Initiator des Ganzen ist ein in der Szene nicht ganz Unbekannter: Oliver S. Tyr von Faun. Mit Sängerin Livy Pear , die Mitbegründerin Kaat Geevers von L.E.A.F. ersetzte hat die Band eine gefühlvolle Sängerin an Bord, die dem an 70er Folk erinnernden Sound eine passende Stimme gibt. Oliver singt übrigens auch und das kann sich ebenfalls hören lassen. Insgesamt ist das Ganze vielleicht etwas zu glatt aber live sicher anhörbar.
Als Folk kann man auch die Musik von EMMA RUTH RUNDLE bezeichnen, wobei der Ausdruck Singer / Songwriter wohl besser passt. Starke Stimme plus gekonnt gespielte, leicht effektierte akustische Gitarre – der ideale Sound für introvertierte Stunden. Wenn die Dame im Schauspielhaus spielt, bin ich sicher dabei.
Ganz gut gefallen mir da RITUAL HOWLS. Die Amis spielen einen düsteren Independent Pop, mit einer an The Cure erinnernden Stimmung, schwelgerischen Gitarren, treibendem Schlagzeug und einem schleppenden Bass. Klingt wirklich gut.
Bei KLEZ.E bin ich mir nicht ganz so sicher, ob mir das gefällt oder nicht. The Cure (Pornography-Phase) trifft auf Tocotronic Lyric. Muss ich erst noch warm werden mit. Schaut man sich aber in der Szene um, dann hat die Band auf jeden Fall mehr Erfolg verdient als manch andere.
Eher an Bands wie The Chameleons erinnern mich die Amis von DRAB MAJESTY. Sicher, auch das sind alles keine völlig neuen Ansätze, aber durchaus hörenswerter Gitarren / Wave Pop, der ganz gut nach Leipzig passt.
Freunde von Electro Wave sollten sich IAMTHESHADOW anschauen, die wohl Freunde bei den WGT-Organisatoren haben müssen. Die Portugiesen haben bisher nur ein Album – Everything In This Nothingness (2016) – veröffentlicht und sind auch bei keinem bekannten Label im Stall. Ihre Musik, beatlastig, melancholisch und mit viel Synthie-Atmosphäre kann sich aber hören lassen. Insbesondere die Stimme von Sänger und Mastermind Pedro Code wird die Damen zum Schmelzen bringen.
In diesem Jahr sind auch eine ganze Menge Extrem-Metal-Bands dabei, einige, wie VARG oder FINSTERFROST finde ich ziemlich fürchterlich, anfangen kann ich hingegen etwas mit
UNLIGHT. Pagan Metal geht bei mir gar nicht, genauso wenig wie Mittelalter Metal (VOGELFREY & Co.), Black Metal hingegen schon.
Was ich von SCHNEEWITTCHEN halten soll, da bin ich mir auch nicht so sicher. Bei allen Klischees hat das Ganze was Witziges. Dass mich die Musik an die völlig überbewerteten Rosenstolz erinnert, die hier quasi durch den Kakao gezogen werden, spricht eher für das Projekt.