Drei Begriffe, die bei vielen Menschen heutzutage die Alarmglocken läuten lassen. Da will uns jemand sagen, wie wir zu leben haben, was wir tun und lassen sollen. Das wollen wir nicht! Die Wut steigt und sobald sich die Möglichkeit ergibt, wird vom Leder gezogen über die „Linken“, die „Grünen“ oder wer sonst gerade ins Feinbild passt, geschimpft.
Dabei vergessen viele jedoch, worum es wirklich geht, nämlich um einen Kulturkampf, der von rechten und konservativen Kreisen geführt wird, um alles zu diskreditieren, was den Status quo aufbrechen soll.
„Woke“ steht für ein „erwachtes“ Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus. Und mit „Awareness“ ist gemeint, auf Veranstaltungen Unterstützung gegen Diskriminierung, übergriffiges Verhalten und sexualisierte Gewalt zu bieten. Beides also Begriffe, die erst einmal keinen negativen Beiklang haben, denn was soll falsch daran sein, soziale Ungerechtigkeit und Rassismus wahrzunehmen und sich dagegen einzusetzen? Und was ist verwerflich daran, Menschen vor Diskriminierung zu schützen?
Auch die damit „verwandte“ Achtsamkeit, das Wahrnehmen der Bedürfnisse anderer Menschen ist nichts Schlechtes. Die Bedürfnisse des Gegenübers in eigene Entscheidungen und Handlungsweisen einzubeziehen und nicht nur das eigene Ego in den Mittelpunkt zu stellen, ist meines Erachtens eine gute Strategie für ein besseres Zusammenleben.
Alle diese „Kampfbegriffe“ stehen eigentlich für positive Entwicklungen, sind dem neoliberalen Zeitgeist aber diametral entgegengesetzt. Der stellt das „Individuum“ und die Befriedigung seiner Bedürfnisse nicht nur in den Mittelpunkt, sondern über alles. Allerdings hat diese Ideologie zwei Fehler: Wir sind soziale Wesen, die auf ein harmonisches Zusammenleben angewiesen sind, und wenn jeder nur an sich denkt, dann kommen nur die Schnellen, Schlauen, Starken oder Gewissenlosen zum Zuge und der Rest schaut in die Röhre. Wolfszeit, Axtzeit. Ich finde das keine gute Idee.
Aber Solidarität unter den Schwachen, das Verständnis füreinander, gefährdet die Macht der Mächtigen. Deshalb wird alles getan, uns weiter zu spalten. Auch indem unsere eigene Bequemlichkeit und unser Beharrungswille befördert werden, denn es ist so viel leichter, von Privilegien zu profitieren, als diese aufzugeben und ein Stück von dem abzugeben, was man als Seins betrachtet. Sich selbst erhöhende, neidische, missgünstige, vereinzelte Menschen sind leichter zu regieren als Menschen, die sich unterstützen und verstehen, sich zusammenschließen, um gemeinsam ihr Leben zu verbessern.
Noch ein Wort zur Cancel Culture – das ist nun wahrlich keine „linke“ Erfindung. Schon immer hat sich der konservative Mob empört, wenn in Theaterstücken, Filmen oder Büchern Dinge gesagt oder gezeigt wurden, die „unanständig“, „undeutsch“, „aufrührerisch“, „gegen die göttliche Ordnung“ etc. waren. Da hat man alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Autoren mundtot zu machen, Aufführungen zu verhindern etc. Das rechtfertigt nicht alles, was heute im Sinne der „sauberen Kultur“ passiert und dabei sind oft schon faschistische Züge der Zensur auszumachen. Dennoch muss es erlaubt sein, dass Menschen dagegen demonstrieren, wenn Bands auftreten, die menschenverachtende Ansichten propagieren oder Autoren ihre rechtsnationalen Thesen unters Volk bringen wollen. Die Wahl der Mittel ist dabei aber unbedingt zu beachten. Wer „für die gute Sache“ alles für gerechtfertigt hält, der findet sich bald auch auf der „dunklen Seite der Macht“.
Wie überhaupt festzustellen ist, dass viele Aktivisten der guten Sache teilweise sehr weit übers Ziel hinausschießen. Das mag zum Teil an einem jugendlichen Überschwang liegen, viel schlimmer ist aber der moralische Rigorismus, der Fehler immer nur bei anderen sieht und auch nie fragt, warum Menschen so handeln, wie sie handeln. Vielleicht würde hier ein wenig mehr an Achtsamkeit auch den politischen Gegnern gegenüber hilfreich sein. Und direkt miteinander zu reden, anstatt Kampagnen in den asozialen Medien zu fahren.
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Das Problem ist, wie jede gut gemeinte Sache, es entwickelt sich auch in eine gewisse Absurdität. Ich finde den Gedanken des Woke wichtig. Doch mir missfällt die rechthaberische Art, welche Leute sich herausnehmen. Auch ist es nicht gut, die Leute mit einem Holzhammer erziehen zu wollen, denn da macht man sich zurecht unbeliebt. Wir werden nicht böse oder gut geboren. Das ist bekanntlich eine Frage der Entwicklung im Leben eines Menschen, außer es ist neurologisch bedingt. Und manchmal kann man im Leben seine Sicht auf die Dinge ändern. Auch finde ich einige Leute, die sich als solches bezeichnen, nicht authentisch, vieles dient heute auch dem Mainstream in ihren Wokeclouds. Ich rette die Welt nicht, wenn ich mir literweise Club Mate trinke. Ich würde mich freuen, wenn dieselben Leute für soziale Gerechtigkeit kämpfen, nicht nur der eigenen. Jeder hat das Recht auf gesunde Lebensmittel und auf ein sauberes Umfeld. Auch nützt es dem heutigen Arbeitnehmer nicht, der in den Mühlrädern der Arbeitsausbeutung hängt, ihn mit Achtsamkeit Floskeln zu überschütten. Ausbeutung ist eine Form der Mathematik. Sie zeigt an in konstanten Minus und Plus, und darauf ist die ganze Menschheit aufgebaut. Wer Kohle hat oder ein sicheres finanzielles Umfeld, kann es sich herausnehmen so zu leben und von anderen fordern.
Alles korrekt. Im Artikel ging es auch darum, den Begriff als solchen nicht negativ zu belegen, weil er ja für etwas Gutes steht. Aber aus jeder guten Idee lässt sich auch jede Menge Mist produzieren, das stimmt.