Parma Day / Mädchen June / The Neverland Stars – die Projektnamen sind verwirrend, dahinter steht stets der gleiche Musiker, der sich scheinbar insgesamt der Verwirrung der Zuhörerschaft verschrieben hat. Auch das neueste Werk, diesmal unter dem Namen Parma Day, entzieht sich komplett jeder Form popmusikalischer Stilistik. Die 13 Stücke klingen so, dass der Engländer sie als „weird“ bezeichnen würde, bizarr, seltsam, sonderbar. Komplett elektronisch erzeugt Klangminiaturen, ohne Rhythmus oder Melodie, mehr eingefrorene Traumzustände nahe des Wahnsinns, die nicht selten an ein Orchester erinnern, das seine Instrumente stimmt. Eine kurze, sporadische Beatattacke, unverständliche Stimmen, Alltagsgeräusche, ein körperliches Pfeifen sind die sparsam gesetzten Kontaktpunkte zur Realwelt. Der Parma Day-Kosmos besteht aus einem verschrobenen, hallgeschwängertem Ambient, der den Hörer einerseits gefangen nimmt, sich ihm andererseits nicht so recht öffnen will. Instinktiv fürchtet er sich, die tieferliegenden Räume des „merkwürdigen Hauses“ zu betreten, denn hinter jeder Ecke könnte das Grauen lauern. Und wenn auch vielleicht nicht Tod und Verderben, so doch der erschreckende und verstörende Einblick in das Leben der „seltsamen Bewohner“. Eine Erfahrung der die meisten Menschen wohl lieber aus dem Weg gehen wollen.
Die Titel der Stücke tun ihr übriges dazu, dass der Konsument nicht so recht weiß was ihn hier erwartet:“ Blutige Toiletten auf halber Etage“ oder “Der Himmel ist rot, der Kaiser hat keinen Tannenbaum“ lassen alle möglichen und unmöglichen Assoziationen zu.
Mindestens genauso seltsam wie die Musik von Parma Day sind die Filme von Mädchen June. Auf der beiliegenden DVD befinden sich fünf Filme, die Titel der CD aufnehmen, auch wenn zum Beispiel aus dem Herrn Nagel der Herr Hinz wird. Die Bildwelt von Mädchen June ist eine abstrakte. Immer wieder sieht man Architekturdetails und leere Landschaften, Menschen und überhaupt Lebewesen tauchen so gut wie nie auf. Neben eigenen Aufnahmen verwendet Mädchen June auch immer wieder Filmausschnitte vom Beginn des 20. Jahrhunderts und anderes historisches Material. Auch finden sich nicht selten Kriegs-, medizinische und pornografische Motive. Die vorrangig statischen Bilder werden vorrangig verfremdet durch Farbfilter und für den Zuschauer oftmals in nur schwer nachvollziehbarer Folge montiert. Immer wieder tauchen zudem vieldeutige, Furcht einflößende Botschaften als Einblendungen auf.
„Geküsst werden sie später“ fällt ein wenig aus der Reihe, denn hier tauchen „Protagonisten“ auf und es ist Bewegung im Spiel. Ansonsten bleibt auch dieses Video wieder alptraumhaft wirr und unverständlich. Die Bildwelt von Mädchen June ist ebenso undurchdringlich wie seine Klangwelt. Eine besondere Bedeutung haben dabei Alltagsaufnahmen (Dresdner werden manches Motiv wiedererkennen), die in der von Mädchen June präsentierten Form auch stets etwas Unheimliches haben. Eine weitere Ursache für die schwere Zugänglichkeit sind die „Rollenspiele“ von Mädchen June, verwandelt er sich doch immer wieder in einen anderen seiner Akteure. Auf seinen Alben schafft er sich sein eigenes fiktives Universum, das sich mit wahren historischen Begebenheiten vermengt und so die Grenzen zwischen geschichtlicher und phantastischer Erzählung verschwimmen lässt. Die handelnden Charaktere entstammen oft dem Deutschland der Wilhelminischen Ära oder der Zeit der Weimarer Republik. Im Zentrum steht diesmal, wie es der Titel des Albums verkündet, ein „merkwürdiges Haus“ in dem allerhand schaurige Dinge geschehen.
Neben den Filmen zum Album gibt es auch einige weitere hier auf DVD, die konsequenterweise ohne Musik auskommen. Man könnte diese als eine Art Miniaturen betrachten.