V.A. – Epicurean Escapism (MC, Silken Tofu)

Epicurean Escapism

Der vorliegende auf 100 Stück limitierte und handnumerierte Sampler, eine in silberner oder rote Folie eingepackte Musikkassette, erschien anlässlich des ersten „Epicurian Escapism“ Festivals im Juli 2012. Obwohl ich nicht vor Ort anwesend war, bestellt ich mir das gute Stück nachträglich, um so noch ein wenig teilhaben zu können an einem sicherlich interessanten Abend.

Den Opener des Tonträgers geben KRANK (auch bekannt als Kraang), eines der Hauptprojekte von John Murphy, zu dem seit 2007 Till Brüggemann und Annie Stubbs gehören. Musikalisch erinnert mich das Ergebnis ein wenig an Knifeladder, rohe atavistische Sounds, die gut auch zu finsteren Ritualen passen würden.
ANEMONE TUBEs „Dream Landscapes“ beziehen sich auch nicht gerade auf allzu lichte Traumwelten. Der Noise Ambient – Dank Mastering von Pierre Jolivet ist der Klang etwas voller als sonst üblich – weckt eher Assoziationen von Verlorenheit in einer feindlichen Umgebung.
Richtig schmerzhaft wird der Beitrag von IRM – „4“ vom „Order⁴“-Album als Live-Aufnahme. Die Schweden sind für einen harschen, noisigen Sound nah an den Power Electronics bekannt und vor allem für den leidenden Vokalpart Martin Bladhs, der stets sein Innerstes nach Außen kehrt.
Bei IRM zum großen Teil für den Sound verantwortlich ist Eric Jarl. Das nach ihm benannte Projekt JARL trägt mit dem exklusiven „Succubus“ einen Track bei, der irgendwo zwischen Ambient und Electronica changiert, dabei für IRM wohl etwas zu sanft ist. Mehrere Schichten repetitiver Klänge, vom Warnsignal über verzerrte Gitarreneinwürfe bis hin zur verhallten Bass, ergeben ein dynamisches und dennoch meditatives Stück. Das anschließende „Obsession Intermezzo“ von HUMAN LARVAE führt diese Stimmung mit einem dunklen, metallisch angereicherten, sehr reduzierten Ambient fort. Danach zeigt sich das Projekt mit „Path Of The Unwanted“ jedoch von der härteren Seite – über bedrohlichen, mit schrägen Noises versetzten Drones – schreit der Musiker in bester Power Electronics Manier seine Schmerzen heraus. Wobei auf eine Affinität zu extremen Metal-Spielarten zu erkennen ist, wo man diese Gesangstechnik „Crawling“ nennt.
Extrem auf andere Art zeigen sich DISSECTING TABLE, die dem Hörer mit „Human Sacrifice“ ein recht kakophonisches Werk im besten Free Jazz-Stil ans Ohr nageln. Hauptquelle der recht anstrengenden Klänge scheint ein „Blasinstrument“ zu sein, wobei schmerzhaft verzerrte, metallische Sounds wie bei einer Achterbahnfahrt entstehen, zwar elektronisch verstärkt und verfremdet aber sehr körperlich. Für allzu harmonische Klänge waren die Japaner ja noch nie bekannt.
Den Abschluss des Samplers bildet ein weiteres Stück von ANEMONE TUBE, diesmal etwas „romantischer“ Dank eines synthetischen Streichereinsatzes, der allerdings mit einem kreischenden Drone und atmosphärischen Sprachsamples kontrastiert wird. Ein versöhnlicher, wenn auch etwas unglücklicher Abschluss des Samplers, denn der eher meditative Track hätte sich besser zum „Luft holen“ zwischendurch geeignet.
Kritik soll das aber keine sein, zeigt „Epicurian Escapism“ doch recht schön die Spannweite der experimentellen Musik oder auch Klangkunst, die als Industrial bezeichnet wird. Dankenswerterweise bleiben dem Hörer wenig erbauliche Ausflüge in technoide Gefilde erspart, die mit Industrial nun wirklich nichts zu tun haben.

Da heutzutage eigentlich nur noch Sammler über Abspielgeräte für Magnetbandkassetten verfügen, liegt dem Tonträger ein Download Code bei, so dass auch Zuspätgeborene in den Genuss der hier präsentierten Musik kommen können.

Die dem Sampler beiliegende DVD ist mir dann doch etwas zu speziell. So sehr ich Martin Bladh als Sänger von IRM verehre, so wenig habe ich Lust seinen masochistischen Exzessen am Bildschirm beizuwohnen, auch wenn die Ästhetik des selbstzerstörerischen Filmchens wunderbar klaustrophobisch ist.

Hier noch ein Nachtrag für die Sammler:
Released on the occasion of the Epicurean Escapism Festival 7th of July 2012

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