Rapoon ist das Hauptprojekt des englischen Musikers Robin Storey. Bekannt wurde der 1955 geborene Engländer als Gründungsmitglied der einflussreichen Klangkünstler Zoviet France, die er jedoch 1992 verließ, also etwa zehn Jahre nach deren erster Veröffentlichung namens „Garista“. 1992 war auch das Jahr, in dem die erste Rapoon-Veröffentlichung das Licht der Welt erblickte, „Dream Circle“. Bereits mit diesem Werk entwickelte Storey den Sound, der für Rapoon typisch ist – die Kombination atmosphärischer Elektronik mit Ethno- oder Tribal-Rhythmen. Seit den Anfangstagen ist eine kaum zu überschauende Anzahl von Alben erschienen, darunter auch Kollaborationen mit anderen Künstlern wie Pierre Jolivet aka Pacific 231 oder den Herrren von Kinder Atom.
Die im Folgenden vorgestellten, immer recht schick gestalteten Alben sind alle beim Danziger Label Zoharum erschienen. Neben den Re-Releases von älteren Werken finden sich auch neue Rapoon Veröffentlichungen.
Rapoon – The Fires Of The Borderlands (2CD, Zoharum / Hard Art)
Bereits aus dem Jahre 1998 stammt das Album „The Fires Of The Borderlands“, dessen Re-Release mit einem Konzertmitschnitt aus der gleichen Zeit angereichert wurde. Betrachten wir aber erst das Album selbst. Auf „The Fires Of The Borderlands“ dominiert ein mystischer Ambient, der jedoch, anders als z.B. der Sound von Maeror Tri nur selten Melodisches hat. Die Stücke bestehen im Wesentlichen aus elektronisch erzeugten bzw. verfremdeten Drones, die in Schwebung gehalten werden; eine Quelle der Klänge ist im Einzelnen kaum auszumachen. Typisch ist die oftmals sehr langsame, kaum merkliche Veränderung des Klangbildes, so dass einzelne Abschnitte der Titel ot sehr unterschiedlich sind und trotzdem ein harmonisches Ganzes bilden.
Ein Teil der Stücke ist „hintergründig“ rhythmisch, soll heißen, die Rhythmen entstehen vor allen durch geloopte Klänge; die typischen Ethno-Drums fehlen außer bei „Talking To A Stick“. Gelegentlich kommen auch Instrumente wie eine Flöte zum Einsatz, die dem Sound um eine „Ethno“ Komponente erweitern. Gesang bzw. stimmliche Mittel werden sehr sparsam und auch eher „hintergründig“ eingesetzt.
„Cires Divam“ fällt mit seinen klaren rhythmischen Strukturen, bei denen eine Uhr der Hauptklanggeber sein könnte, und mit dem leicht opernhaften Gesang ein wenig aus dem Gesamtbild heraus. Insgesamt ein recht solides Werk zwischen „Light“ und „Dark“ Ambient, jedoch ohne allzu große Überraschungen.
CD 2 enthält die akustische Dokumentation eines Liveauftrittes von Rapoon aus dem Jahre 1996. Robin Storey war hier beim Radio KFJC 89.7 FM zu Gast, dementsprechend wenig „live“ klingt das Werk, soll heißen, es sind keine Zuhörer-/Zuschauer-Reaktionen zu vernehmen. Dafür ist der Sound hervorragend, fast schon wie von einem Studioalbum. Anders als auf „The Fires…“ spielen hier die typischen Drumes eine wichtige Rolle, der Sound wirkt insgesamt ein ganzes Stück dynamischer, wenn auch immer noch recht ätherisch. Insgesamt bieten Rapoon hier einen knapp 40-minütigen, angenehmen Trip.
Rapoon – To The West And Blue (CD, Zoharum / Hard Art)
Erst im Jahr 2013 direkt bei Zoharum erschienen, erinnert „To The West And Blue“ weniger an den typischen Rapoon Sound, sondern lässt in seiner kalten, spröden Art eher an Zoviet France denken. Drums sucht der geneigte Hörer vergebena, stattdessen entwickelt Storey vor dem Hörer abstrakte, postindustrielle Klangwelten, die allerdings nicht im typischen Dark Ambient Kosmos zu verorten sind. Mal bilden rückwärts laufende Loops die Basis des Stückes, dann bekommt das Ganze eine fast jazzige Note Dank saxophonischer Drones. Stellenweise passt auch die Vorstellung von einem Soundtrack zu einem imaginären Film gut. Selbiger spielt wahrscheinlich im All und dokumentiert die Begegnung mit seltsamen Lebensformen. Andere Stücke erinnern mit ihren sich ständig ändernden Drones auch ein wenig an Troum oder Maeror Tri. Insgesamt ein wohl eher etwas untypischeres Rapoon Album.
Rapoon – Seeds In The Tide, Volume 1 (2CD, Zoharum)
„This is the first in the series of albums collecting extremely rare, unreleased, or compilation tracks by Rapoon“, heißt es im Beileger zu diesem Doppelalbum und die Freunde der englischen Experimentalmusiker werden sich sicher die Hände reiben.
CD1 versammelt insgesamt zwölf Stücke, die von verschiedenen Compilationen sowie von zwei 7“ stammen. Zeitlich werden die gesamten 1990er Jahre abgedeckt. Längentechnisch bewegt man sich hier zum überwiegenden Teil zwischen fünf und sieben Minuten, popmusikalisch betrachtet also quasi „noch im grünen Bereich“. Die meisten Stück sind zudem rhythmuslastig, wenn auch nicht unbedingt tanzbar. Im hinteren Teil des Tonträgers sind die schwerpunktmäßig ambienten Tracks versammelt, die allerdings auch nie ganz ohne dezente Beats auskommen. An Stimmungen wird ein breites Spektrum zwischen ambient-meditativ und düster-verstörend abgedeckt, wobei „ethnische“, sprich nichteuropäische Einflüsse immer wieder in Form von Rhythmuspattern, Instrumenten oder Samples auftauchen. Alles in allem ist diese Sammlung ein guter Beleg für die klangliche Vielseitigkeit von Rapoon.
CD 2 „Messianic Ghosts Originals“ ist die Wiederveröffentlichung der gleichnamigen, auf 50 Stück limitierten CDR aus dem Jahre 1997. Die CD enthält vier Stücke, zwei davon überlang. Der Titeltrack ist ein lichtes, „choralartiges“ Ambientstück, das gut und gerne auch in einer Kirche zum Einsatz kommen könnte. „Eye Of Cloud“ kommt ein wenig ätherischer und auch düsterer daher. „Babel’s Tongues“ mischt zu repetitiven, rückwärts gespielten Tonfolgen undeutliche Stimmsamples dazu, die man ganz offensichtlich (s. Titel) nicht verstehen soll. Nach gut fünf Minuten ändert sich das Klangbild dann radikal hin zu mehr chorartigen Drones und später folgen einige weitere Schwenks, von Flugzeuggeräuschen über klassisches Klänge bis hin zu elektronischen Orgelflächen, so dass man von mehreren Teilstücken sprechen könnte, die fließend ineinander übergehen. Die ganze Zeit über bleibt der Track dabei jedoch eher zurückhaltend und ruhig. Der „Horned Moon“ zeigt sich etwas ritueller mit einem spartanischen und monotonen Rhythmus, der nach elektronisch imitierten Tablas klingt. Dazu gesellen sich weitläufige Keyboardflächen und Chöre, die dem Ganzen wieder einen eher meditativen Charakter geben, allerdings ist das Stück etwas kurz.
Rapoon – Seeds In The Tide, Volume 2 (2CD, Zoharum)
Wie schon Teil 1 der „Seeds In The Tide“ handelt es sich auch bei Volume 02 um einen Compilation von „extremely rare, unrelased or compilation tracks“, womit der Inhalt der CD1 umrissen ist. Woher die einzelnen Stücke stammen, ist zur Information der Die-Hard-Fans am Ende aufgelistet.
CD 2 ist der Mitschnitt eines Konzertes „Live At Klanggalerie, Vienna, Austria 28th May 2000“, eine Aufnahme, die bereits als MC und als „Forget In This World“ CD (Llimitiert auf 100 Stück) erschienen ist, letztere als Teil des „This World“ Box Sets. Soviel also zur Einordnung des Ganzen.
CD 1 enthält insgesamt neun Stücke, mit Längen zwischen anderthalb und knapp 20 Minuten. Obwohl die hier präsentierten Aufnahmen nicht von einem Album stammen, weisen sie doch gewissermaßen einen roten Faden auf. Der besteht in der Kombination atmosphärischer, oftmals sehr verhallter Elektronik mit mehr oder weniger verfremdeten Kopfnicker-Beats, die mal rein elektronisch, mal „ehtnisch“ daherkommen, mal eher dominant, dann wieder zurückgenommen sind. Das Grundschema ist jedoch immer recht ähnlich. Angereichert wird das Klangbild zudem mit einigen Samples, schrägen instrumentellen Einwürfen oder zurückhaltenden gesanglich Einlagen. Allen Stücken gemeinsam ist die sehr langwierige Entwicklung des stets etwas rauen Sounds und, dass die erzeugte Stimmung eher relaxt, mystisch oder auch mal düster ist, nie aber ausgelassen. Das schnellere „Pay Up“ ist so kurz, dass der Hörer es kaum schafft, aus dem Sessel zu springen. Zu „Zoom Extract 2“ kann er wieder hineingleiten und ambient entschweben.
Eher etwas untypisch für Rapoon sind die melodischen Keyboardklänge wie in „Your Cheating Lies“. „Ep Et Vee“ fällt mit seinem leicht chaotischen, an tibetanische Rituale erinnerndem Klangbild insgesamt ein wenig aus der Reihe, „Fallen Gods“ setzt dem noch einmal eins drauf. Alles in allem ein recht abwechslungsreiches Werk, das aber auch nicht allzu sehr hängen bleibt, wie Vvieles von Rapoon.
„Your Cheating Lies“ taken from Your Cheating Lies / The Caucus Burial Tape Part 2 7″ split with Black Fiction
„Border Land“ taken from Elegy – Numéro 13 compilation
„Trace Area“ and „Pulse Codec“ taken from Pell Mell EP
„Ep Et Vee“ taken from Ep Et Vee CDR
„Pay Up“ taken from Domo Arigato CDR compilation
„Zoom Extract 2“ taken from Ponder This… compilation
„Sound“ and „Fallen Gods“ taken from Danza De La Muerte – R.I.P. Syntactic compilation
CD2 enthält wie bereits erwähnt einen knapp 75-minütigen Mitschnitt eines Liveauftritts bei der Klanggalerie. Leider hat die Aufnahme keinen richtigen Anfang, die Einblendung erfolgt etwas abrupt. Doch belassen wir es bei dieser winzigen Kritik, denn Rapoon bieten einen sehr energetischen, abwechslungsreichen, über weite Strecken auch tanzbaren Mix aus einem Guss. Wie gehabt vereinen Rapoon elektronische und Ethnobeats mit elektronischen Atmosphären und bestücken dern Sound mit echten Instrumenten, gesampelten Geräuschen und Gesängen. Lustig ist dabei insbesondere ein kurzes Sample, das verdächtig nach Atari Teenage Riot klingt.
Eine kurzweilige und unterhaltsame Aufnahme.
Rapoon – The Fall Of Drums (CD, Zoharum)
Dieses im September 2014 erschiene Album enthält vier Stücke, nur eines davon unter zehn Minuten. Der Opener „A Gallery Of Crows“ verbindet afrikanisch klingende, sehr langsam gespielte Drums und tribalen Gesang mit sphärischen Electronics, die eine mystisch, dunkle Stimmung erzeugen. „Beneath And Beyond“ kommt ohne Rhythmen aus, setzt dafür auf eine Flötenimprovisation und Frauengesang über düsteren Drones. „Upstarts And Sheeps“ wird von einem rhythmischen Loop getragen, der einen Maschinensound erzeugt. Dazu kommen verhallte Drones, denen Akkordeon bzw. eine Posaune als Grundlage gedient haben könnten. „The Heat Beguiles“ klingt am Anfang, als hätte Storey eine afrikanische Stammeszeremonie aufgenommen und durch ein Effektgerät gejagt. Im nächsten Abschnitt wird es etwas „indischer“, zudem setzen hier, wenn auch etwas verhalten die typischen Drums ein inklusive schräger Streicher. Im weiteren Verlauf wirkt das Stück dann wieder ein bisschen afrikanischer, wenn die entsprechenden Drums einsetzen, hinzu kommen Engelschöre und ein entrückter Summgesang.
Alles in allem ein recht abwechslungsreiches Werk, dass die verschiedenen Richtungen – mehr mystisch-ambient bzw. eher tribalistisch – versucht, unter einen Hut zu bringen.
Alle hier besprochenen Werke finden sich unter : zoharum.bandcamp.com