WGT 2010

Wiederbelebter Artikel von 2010

FREITAG

Los ging es am Freitag per Bahn – wir waren zu viert mit einem Sachsenticket unterwegs – ein lustiger Trupp, der kaum in Leipzig angekommen, auseinander ging. Zu unterschiedlich waren die musikalischen Interessen. That’s Szene 2010…

Ich hatte in diesem Jahr das große Glück, vorübergehende Heimat bei einer Freundin zu finden, die Luftlinie 300 Meter vom Volkspalast weg wohnte, dem Ort, an dem ich den Großteil des Festivals verbringen wollte und auch verbrachte. Es kam, wie es kommen musste – die meiste Zeit haben wir uns komplett abgeschossen und die wenigen Meter zum naheliegendsten Veranstaltungsort irgendwie gemeistert und das war’s! Ausnahmen gab es nur wenige. Doch bevor es losging, streuselten wir erst einmal durch die Stadt und schauten uns z.B. an und in der Moritzburg um. Alles wie immer – Schwarze überall.

Das erste und an diesem Abend einzige Konzert, das ich mir anschaute, war das von JARBOE. Die ehemalige Swans-Sängerin, die einzig von einer Keyboarderin begleitet wurde, bestach durch ihre großartige Ausstrahlung. Musikalisch erinnerte das Ganze an die Kollegin Diamanda Galas, wenn auch Jarboe nicht ganz so krass daher kommt. Ganz große Kunst aus meiner Sicht mit einem Hauch „Esoterik“, zudem geadelt durch einen Gastauftritt von William Faith am Bass. Wen ich mich mein Gedächtnis nicht trügt, gab es sogar eine Version von „Mother Father“ von den Swans zu hören. Einfach genial!

Nach solch einem Erlebnis brauche ich im Normalfall keine Party mehr und ich muss auch ehrlich sagen, dass ich mich nicht mit Sicherheit erinnern kann, was ich dann eigentlich noch gemacht habe. Ohne digitalen Gedächtnisspeicher sind mir einige Ereignisse der Pfingsttage abhanden gekommen oder anders ausgedrückt: Ich erinnere mich eigentlich nur noch an das, was ich fotografiert habe… Ich weiß, dass ich noch auf irgendeiner Party war aber daran ist in Leipzig zum WGT ja kein Mangel und die Tage sind zu solch einem Brei verschwommen, dass ich keine Ahnung habe, an welchem der Tage das war. Ich tippe auf Samstag.

SAMSTAG

Interessante Acts gab es am Samstag ja genug zu bestaunen, aber wieder einmal über das ganze Festivalgelände verteilt. Ergo blieben wir beim Volkspalast und wechselten dort zwischen Kuppelhalle und Kantine hin und her. ANDREW LILIES habe ich gesehen, da blieb bei mir vor allem die lustige Wasserminen-Kopfbedeckung hängen, die entspannte elektronische Musik mit instrumentaler Unterstützung war auf jeden Fall recht angenehm.
Nach einer längeren Abwesenheit schlug ich dann wieder zu PHALLUS DEI auf, einem der besten Konzerte des ganzen WGT. Großartiger Space-Rock, psychedelisch bis in die Haarspitzen – obwohl Sänger Oliver ja Glatze trug. Auf jeden Fall ganz großes Kino mit einer beeindruckenden Licht- und Nebelshow! Das Publikum schaute meist gebannt auf das Bühnengeschehen … and so did I. Was für ein paar coole Säue! Und welch gigantische Musik für Erwachsene!

HEKATE waren dagegen nur eine nette Pfadfindertruppe, nicht schlecht aber aus meiner Sicht auch kein Höhepunkt, weshalb wir das Areal verließen und erst wieder zu SIGILLUM S auftauchten. Leider etwas spät, so dass ich nur noch das Ende der Show sah und nur noch einige wenige Minuten die rituell-sphärischen Sounds genießen konnte. Schade, schließlich waren die Italiener eines meiner Highlights beim Wroclaw Industrial Festival 2007 gewesen.

Es folgte der Auftritt von SIXTH COMM mit FREYA ASWYNN, der für mich definitiv einen Höhepunkt darstellte. Zwar kann man die Beschwörungen der mittlerweile doch recht alt gewordenen Magierin für Schwachsinn halten, mich berühren die elektronisch unterlegten Anrufungen jedoch sehr stark. Gelegentlich werfe ich mir auch daheim die „Fruits Of Yggdrasil“ ein. Das ist zwar keine Popmusik aber hat etwas sehr Atavistisches. Patrick Leagas hinter seiner Technik sah insgesamt irgendwie nicht so recht gesund aus, muss ich noch anmerken. Trommeln kann er aber immer noch hervorragend.

Dann folgte ein schönes SOL INVICTUS-Konzert, sicher eines der besseren der letzten Jahre. Viel zu sagen gibt es dazu eigentlich nicht – Neofolk wie er sein sollte. Tony Wakeford, zeigte sich sowohl vor dem Konzert als auch währenddessen gut aufgelegt, machte sogar den einen oder anderen Scherz. Schön auch, dass ANDREW KING mit auf der Bühne stand, der ebenfalls seine eindringliche Stimme erheben durfte.

SONNTAG

Der Sonntag begann mit dem Besuch einer Gartensparte, wo Bekannte von uns ein Steak-Frühstück hielten. Mir war noch nicht so nach fester Nahrung also hielt ich mich lieber an meinem Bier fest. Es folgte einer der obligatorischen Besuche im heidnischen Dorf, wo wir selbstverständlich auch wieder Bekannte trafen und eine Weile VROUDENSPÎL zusahen. Mittelalterrock halt, mit E-Gitarre und Quetsche. Zur Musik tanzten vor allem junge Männer, höchstwahrscheinlich schon ein Stück weiter auf dem Pfad der Alkoholisierung vorangeschritten, als ich selbst.

Dann gingen wir ins Agra-Gelände, „Leute gucken“, und da gab es wie immer allerhand Absonderliches zu sehen. So zum Beispiel den Stand von VAWS in der Markthalle, die hier ihre dämliche Propaganda vertreiben durften. Nicht schön. Mein Preis für den ersten Platz in der Kategorie coolstes T-Shirt erhielt ein Herr, dessen Leibchen die Aufschrift „Ich hasse Festivals“ trug. Exactamente! Festivals sind doof! Vor der Konzerthalle fielen mir dann zwei kreative Damen auf, die Kleidung und Gesichter mit Schlamm beschmiert hatten. Das gab’s noch nicht – 1 Extrapunkt!
Im Saale spielten dann THE CRYSTELLES aus den USA mit der von mir heiß geliebten Gitane Demone als Sängerin. Das ging schon wieder in Richtung alter Sounds, auf jeden Fall sehr amerikanisch mit einer gehörigen Portion Blues Rock und Gitanes unvergleichlichem Organ – ein lohnenswerter Abstecher für mich. Die nachfolgenden italienischen THE LOVEGRAVE ließen mich jedoch völlig kalt. Mainstream-(Goth)-Rock mit Kleinmädchenstimme. Nicht mein Ding und nix wie raus. Draußen sitzend, Bier trinkend und mit Bekannten schwatzend, verbrachten wir die Zeit, bis FAITH AND THE MUSE die Bühne betraten und ein unglaublich geiles Konzert ablieferten. Allein die optischen Akzente, die die beiden Tänzerinnen und die als Göttin der Jagd verkleidete Monica Richards setzten, waren die Wartezeit wert, der abwechslungsreiche und energetische Gothrock mit zahllosen Einsprengseln von Folk bis Klassik überzeugte 100 Prozent. Einen großen Anteil daran hatten Steven & Marzia von Christ vs. Warhol, die professionell den Sound ergänzten, u.a. mit Cello. Richtig gute Musiker auf der Bühne, abwechslungsreicher Klang, eindrucksvolle Show – volle Punktzahl! Von den „echten Gothic Bands“ des Festivals mit Abstand die Beste!
Nach all diesen Abenteuern ging es erst einmal zurück in die Heimat, wo wir einen Regen trockenen Hemdes überstanden. In den Volkspalast zog es uns an diesem Abend nicht – das OBSESSION BIZARR Fetischtreffen ist nicht so meine Sache. Wir wollten dann später wieder an der Agra-Halle sein, um Alien Sex Fiend zu sehen, mussten aber dem Alkoholabusus der vorangegangenen Tage Tribut zollen und blieben einfach liegen. Mist, ich werde alt…

MONTAG

Montag machten wir einigermaßen gut ausgeschlafen erst einmal einen Stadtrundgang, schauten im Volkspalast kurz bei den wunderbaren BLIND CAVE SLAMANDER und den ätherischen FJERNLYS vorbei, um dann an der Parkbühne aufzukreuzen. Dort durfte ich noch ein wenig von den „legendären“ Kommunity FK erleben, wirklich eindrucksvoll war aber nur die hünenhafte Gitarristin mit feuerrotem Haar. Ihr männlicher Begleiter wirkte neben ihr eher albern, die Musik, die zum großen Teil vom Bande kam, war OK.

Es folgte die dynamische GITANE DEMONE, die über die Bühne wirbelte und sich während ihres Auftritts ihres Kleides entledigte, um selbiges später wieder anzuziehen. Dabei lachte sie immer fröhlich, wie ein kleines Kind. Fast schon schien ihr das Ganze etwas peinlich zu sein aber sie konnte halt nicht anders. Dummerweise habe ich mir nicht aufgeschrieben, was sie spielte. Begleitet wurde Gitane von einer druckvollen Band, bei der ihre Tochter Schlagzeug spielte.

Wir waren dann pünktlich zu NURSE WITH WOUND zurück im Volkspalast – Steven Stapleton spielte mit Colin Porter und Andrew Lilies sowie einem weiteren Musiker, dessen Name mir jetzt entfallen ist, in großer Besetzung seine psychedelischen Weisen. Sehr schön und sicher musikalisch einer der anspruchsvollsten Beiträge des Festivals. Zwischenzeitlich betrat auch eine Dame die Bühne, um zu ein, zwei Stücken zu singen.

Das war dann auch schon das Festival, am Montagabend schmiss man uns recht zeitig aus dem Hause und so trollten wir uns heimwärts, um privat noch ein wenig nachzufeiern. Alles in allem ein schönes Festival, wenn auch Manches durch die Lappen ging, was ich gern gesehen hätte. Aber ist das nicht immer so?

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