(digital promo)
Shift, das ist in erster Linie das Projekt von Martin Wilford. Ohne allzu großes Nachdenken lässt sich das musikalische Schaffen des Schweden als Power Electronics einsortieren und eigentlich gäbe es nicht viel mehr zu sagen: Kranker Sound, bösartige Samples, kreischende Stimmen – so wie es sich in diesem Genre halt gehört. Nachdem ich mir die Platte nun mehrfach angehört habe, konnte ich mich immerhin soweit daran gewöhnen, dass sie mich nicht mehr abstößt. Musikalisch bietet „Altamont Rising“ nicht viel mehr als Durchschnitt – der Sound ist komplett undifferenziert und klingt wie aus der Dose. Viel Abwechslung gibt es nicht, Hauptanliegen des Künstlers scheint es zu sein, einen Rekord in klanglichem Extremismus aufzustellen.
Das passt gut zum sonstigen Bild, das Herr Shift uns liefert, sowohl im eigenen Werk als auch in seiner Tätigkeit als Labelchef von Unrest Productions. Ich will ihm ja nicht einmal unterstellen, dass er ein Nazi ist. Was aber auch seine Verteidiger nicht abstreiten können, die die Meinungsfreiheit ach so hoch einschätzen, ist, dass er voller Hass auf die ganze Welt ist. Das schließt natürlich mit ein, gegen jeden zu hetzen, der anders als man selbst ist, wahrscheinlich, weil der Herr sich selbst nicht leiden kann und seine Probleme auf die Außenwelt projiziert. Aber ich will hier keine Küchenpsychologie betreiben, vielleicht ist das Ganze ja auch nur ein gutes Geschäftsmodell und das absolut Negative, Menschenverachtende, das der Musik von Shift innewohnt, verkauft sich einfach zu gut. Gelegentlich kann ich mich auch in diese Stimmung fallen lassen, wenn die „ganze Welt wieder mal mein Feind ist“ und ich diese „menschenverachtende Untergrundmusik“ brauche. In Dauerberieselung empfinde ich das aber einfach nur als schädlich.
Zurück aber zum aktuellen Werk und seinem Thema: „The album deals with the consequences of man defying nature with Altamont as an example of what happens when pushed far enough.“ Das Album handelt davon, was passiert, wenn der Mensch seiner Natur zuwider handelt, mit Altamont als Beispiel dafür, was passiert, wenn er zu weit getrieben wird. Erinnern wir uns: Altamont steht für das Altamont Free Concert am 6. Dezember 1969, ein Konzert, bei dem u.a. die Rolling Stones auftraten. Während die Briten auf der Bühne standen, kam es zu Schlägereien zwischen den als Security (!) eingesetzten Rockern der Hells Angels und dem Publikum; ein junger Schwarzer, Meredith Hunter, wurde dabei erstochen. Altamont wurde damit zum Symbol für das Ende der Unschuld der Hippiebewegung.
Nun sind die Texte, wie so oft im Power Electronics Bereich nicht zu verstehen und die Titel, die „Circling Raptor“, „They Don’t Suffer Enough“ oder „The Raptors Talons Tore Their Flesh“ heißen, lassen wenig Klares schließen, welcher Seite Mr. Shift zugesteht, dass sie zu weit getrieben wurde; dem unter Drogen stehenden Hunter, der eine Waffe zog oder den gewaltbereiten Rockern, die bereits vor dem Mord mit Eisenketten auf die Besucher einschlugen. Vielleicht sind ja auch beide Seiten gemeint und Shift will uns sagen, dass wir uns einfach aus dem Weg gehen sollten. Warum er allerdings bei seiner Misanthropie aus dem eher dünn besiedelten Schweden nach England überwechseln musste, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Ebenso, warum es so viele Fans seiner Musik gibt. Dabei gibt es nicht wenige musikalisch interessantere Projekte, die politisch auch wesentlich integerer sind, als Shift. Extremismus um des Extremismus willen ist nicht mein Ding, vor allem dann nicht, wenn das Endergebnis künstlerisch eher so armselig ist, wie dieses Werk.
Diskussion um Unrest Productions (unbedingt Kommentare mitlesen!)