D.K.E./Persons Unknown – Split (Tape, 60 min)

Benevolent Pain, 2025

Intro: Tape MC Kassette USW

Diese kleine Tonkunstwerk hat sich als Trägermedium eine Kassette erwählt. Doch bevor ich weiter auf das zu Hörende und Sehende eingehe, möchte ich ein paar Worte zur gewählten Begrifflichkeit sagen. Ich bin in de Vor-CD-Zeit aufgewachsen, in einem Land, in dem die mich interessierenden Tonträger rar gesät und in der Regel nicht frei erhältlich waren. Das Tape, die Musikkassette, die MC oder, wie wir es in Ermangelung von Alternativen nannten „Kassette“ war das Medium meiner Generation in ostdeutschen Landen. Auch teure Importplatten wurden zur Schonung der Originale auf Kassette gebannt, der überwiegende Teil der verfügbaren Musik wurde jedoch aus dem Äther gefischt. Ein Glück, wer da nicht im Tal der Ahnungslosen lebte.

 

Lange Rede, kurzer Sinn: Das Tape / die Kassette ist mir vertraut und auch ein wenig mit nostalgischen Gefühlen verbunden, denn das „Aufnehmen“ auf die damals horrend teuren Speichermedien war Teil des Alltags ebenso wie das Überspielen zwischen Freunden. Immer vorausgesetzt die Hardware war vorhanden und funktionierte, kam man auf diesen beiden Wegen zum Großteil seiner musikalischen Schätze. Kein Wunder also, dass ich die Kassette für ein „wertiges“ Medium halte, konnte ich mir doch teilweise 30 und mehr Jahre später meine Aufnahmen in einigermaßen erträglicher Qualität anhören.

Um es kurz zu machen: Kassetten fetzen. Wer kein Abspielgerät mehr hat, muss leider mit den digitalen Aufnahmen vorlieb nehmen. Was Manche/r/m sicher Recht ist 🙂

 

Hinter Dornen und Schneiden

Das schick verpackte und mit rätselhaften Artefakten angereicherte Split-Tape (gern auch „die geteilte Kassette“) enthält auf der einen Seite, die wir hier mal A-Seite nennen wollen, einen knapp 30 minütigen Track von D.K.E., was wohl ausgeschrieben The Dunning-Kruger Effect bedeutet. Eine sehr zu begrüßende Namenswahl, schließlich tut Mensch somit auch noch etwas für die Bildung seiner Zuhörer, wenn auch anzunehmen ist, dass die meisten Freunde experimenteller Klänge zumindest schon einmal über den Begriff gestolpert sind. Aber was labere ich, wofür gibt es Wikipedia…

Wenn die Begeisterung schon vor Beginn der ersten Töne so hoch ist, kann das Klangerlebnis auch enttäuschen. Und am Anfang lullt D.K.E. auch mit erschreckend romantischen Klängen ein. Aber keine Angst: In die mulchig-muffige Atmosphäre fährt bald die Kreissäge rein und dann hebt das Werk ab zu einem teilweise heftig psychedelischen Trip. Nichts für Leute, die eh schon Stimmen hören… Vielleicht bin ich ja pervers, aber ich finde die Reise nach erwähnten Startschwierigkeiten ziemlich aufregend. Die einzelnen Parts des halbstündigen Epos unterscheiden sich in Stimmung und Geschwindigkeit aber alles geht fließend ineinander über, so dass d/ie/er Hörer/in unterwegs nicht den Anschluss verliert. Feine Sache.

Die B-Seite des Split-Tapes belegen PERSONS UNKNOWN, die wir schon von der 4 Way Split-CDR „Fragore Per Quattuor“ vom gleichen Label kennen. Die fünf hier enthaltenen Stücke – eins im Verbund mit „Der verlorene Faden“ entstanden (Grüße an Micha nach Leipzig!) füllen die verbleibenden 30 Minuten gehaltvoll. Der Sound ist durchweg massiv, wobei beim Opener „Es Spricht“ die Handbremse noch ein wenig gezogen ist. Dann geht es auf dröhnenden Loops in den mittleren Frequenzen des auditiven Spektrums weiter – besonders breitbandig bei „Hand“ zu hören. Der „Beat“ wird anders als beim Techno, wo man verschwenderisch damit umgeht, bei Persons Unknown sparsam eingesetzt, wenn dann aber auch mal mit gewaltigen Donnerschlägen wie bei „Zerstören“. Für die „Kinder der KI“ wird der Gehirnbohrer angeschmissen, der Lüfter-Noise wird mit heftig verzerrten Stimmen akzentuiert, die d/ie/en Hörer/in auf einem Level des stillen Verzagens einlullen, bis ein elektronischer Beat die zweite, intensivere Behandlungsstufe einläutet. Hier wie bei allen Stücken sind die vokalen Anteile zwar identifizierbar aber kaum verständlich. Wer also Botschaften sucht, wird kaum fündig werden. Nur die wenigen Samples geben einen wagen Hinweis, worum es den Künstlern geht. Aber im Ernst: Wer braucht bei diesen Klängen eine Erklärung? – der Tonfall und die insgesamt aggressive Atmosphäre sprechen für sich selbst. Ideale Begleitmusik für den Gang durch das eigene Tal der Tränen.

Die Koproduktion von Persons Unknown und Der Verlorene Faden unter dem vieldeutigen Titel “Für Was Betest Du ?“ setzt zum Schluss noch einmal einen drauf. Un-Wohlfühlmucke für alle, die – zu Recht, wie ich finde – am Zustand der Welt leiden. Der Kontrast der harschen Klänge zur weiblichen Schrei-Stimme macht das Ganze noch heftiger. Musik zum Verlieben, äh Verlieren.

Fazit:

Ein sehr schön gestalteter Tonträger, der die z. B. von Throbbing Gristle mit „20 Jazz Funk Greats“ angewandte Strategie wiederbelebt: Ein nettes, irreführendes Cover hinter dem sich ziemlich brutale Klänge verbergen. „Genial brutal“ möchte ich sagen, auch wenn Mensch mit solch Adjektiven sparsam – da wären wir wieder beim Thema – umgehen sollte. Sicher ist das keine Klangwelt, in die man ständig und zum Genuss eintaucht. Um diese Musik freudig zu ertragen, muss man schon ein bisschen debil sein. Passt also.

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