WGT Ankündigungen 07. Mai

Zu LONDON AFTER MIDNIGHT (USA) , BLUTENGEL (D) , GOETHES ERBEN (D) muss man an dieser Stelle wohl nichts sagen. Wer die Bands und ihren Werdegang nicht kennt, der ist entweder zu jung oder nicht allzu tief in die Szene eingedrungen. Die androgynen, nach einem Horrorfilm benannten Gothrocker aus den Staaten, die deutsche, atraktiv gestaltete Mainstream Gothik Tanz Erotik-whatever Kombo und „die Erben“ um Oswald Henke, für die mal das eher unpassende Klischee „Neue Deutsche Todeskunst“ erfunden wurde, gehören zum Inventar einer Szene, die sich schwarz nennt.

Gehen wir ins Detail, doch nicht ohne eine „Vorwarnung“: Ich weiß, dass ich in meinen Beschreibungen zu einzelnen Bands, manchmal etwas harsch bin. Man verzeihe mir diese Ausrutscher aber ich erlaube mir eine gewisse Arroganz in Sachen Musikgeschmack. Nicht nur, dass ich selbst ziemlich viel verschiedene Musik kenne, in meinem Freundeskreis bin ich in dieser Hinsicht noch einer der Schwächsten. Der club|debil, so der Name des Kreises, ist ein Geflecht an Menschen, die sich persönlich mögen, gern etwas zusammen organisieren und musikalisch offen, intressiert und meist entspannt sind.

In diesem Sinne möchte ich auch meine erste und bisher einzige Begegnung mit Jordan Reyne verstanden wissen, eine sehr angenehme dazu, durfte ich die neuseeländische Musikerin doch im „Vorprogramm“ von Sieben im Leipziger Lokal „Horns Erben“, übrigens eine wunderschöne Kneipe mit kleinem Saal, erleben. Das gleiche Prinzip wie Matt Howden verwendend – durch das live einspielen verschiedener Soundschichten, die geloopt werden, kombiniert mit Gesang – zeigte Jordan Reyne an diesem Abend die eindeutig energetischere Performance als The Holy Matt. Der strukturelle Hauptunterschied zwischen den beiden Projekten besteht in der wichtigsten Quelle der Klangerzeugung, Geige bei Matt, Gitarre bei Jordan, und der Tatsache, dass Männlein und Weiblein 🙂 auf der Bühne stehen. Sieben ist etwas melancholischer, Jordan Reyne kann ihre Folk und Pagan Wurzeln kaum verbergen. Um es kurz zu machen: Ihr Konzert ist unbedingt zu empfehlen.

Angekündigt ist Zeena Schreck, einstmals Hohepriesterin und Sprecherin der Church of Satan, dann auf eigenen spirituellen Wegen unterwegs, die sie zusammen mit ihrem Mann, Nikolas Schreck, Kopf der legendären Radio Werewolf (ein ausführliches Interview mit ihm gibt’s hier), hin zum tantrischen Buddhismus führte. Da Zeene LaVey, so ihr Mädchenname, nur mit ihrem bürgerlichen Namen angekündigt ist, erwarte ich eine Performance wie die im Video auf Ihrer Seite und hier präsentierte. Ich bin auf die Location gespannt. Ihr werdet mich sicher dort finden…

Wie immer und überall mag nicht jeder jeden und ich streite mich auch manchmal mit Freunden heftig darüber, was der „Scheiß“ jetzt auch noch in der Szene soll. Wie nicht anders zu erwarten, liegen in unserem club|debil die Geschmacksgrenzen bei Jedem und Jeder anders. In der ganzen Szene, wenn man diese überhaupt klar abtrennen kann, ist dies selbstverständlich ebenso nur auf einem ganz anderen Level. Zum Glück kennt man sich und respektiert man sich in den meisten Fällen. Schlägereien gibt es in der Szene so gut wie nie und im schlimmsten Fall tratscht man übereinander oder ignoriert sich gegenseitig erfolgreich. Die schwarze Szene oder Schwarze Szene, wie sie sich selbst gern nennt, ist eine friedliche Szene, höchstwahrscheinlich ein spätes Erbe der Hippie-Bewegung.

Hippie Milita

Das gilt ebenso für eine, neben der EBM, „brutalsten“ Spielart oder ein Subgenre der Szene. Außenstehende vermuten in dem fanatischen Geschrei und den zum Teil hirnzermarternden Frequenzkaskaden, denen oftmals als optische Komponente Versatzstücke aus den information wars dieser Welt, Abscheulichkeiten aus dem weiten Fundus menschlicher Grausamkeit, propagandistisch aufgeladene Bilder oder solche von okkulten Praktiken oder Ufo-Sichtungen in Form einer Videoprojektion beigegeben sind, einen Ausbruch an Gewalt. Seltsamerweise hat sich nach solch einem Konzert noch nie eine politisch radikale Partei gegründet und es lag auch niemand mit dem Messer im Rücken auf dem Saal. Tatsächlich trifft man hier zu einem überwiegenden Teil auf extrem entspannte und lebensfrohe Mitmenschen, die ihr eigens Ding durchziehen und sich nicht darum scheren, was andere von ihnen denken. Das gilt auch für das Ausleben schwärzester Gefühle zu den alles andere als sanften Klängen der Musik. Doch wie es die Berliner SEKTION B, Anlass für diesen kleinen Exkurs, formulieren: „Power Is Nothing Without Control“. Zwar erstarrt diese kontrolliert ausgelebte Gewalt in der Szene manchmal in der Pose aber wenigstens ist die Power Electronics Gemeinde ein echt wilder Haufen, der der zunehmend erschlaffenden Szene Feuer unterm Hinter macht. Seltsamerweise sammeln sich hier eher ältere Semester, bei deren Energieausbrüchen manch Szenejüngling schreckhaft zusammenzuckt. Aber nachdem die Gesellschaft und damit die Szene zunehmend ins Gesättigte, Gelangweilte und Muschebubuhafte abgleitet, sind die Power Electronic Bands und ihre Fans eine der letzen Bastionen des echten Punk, der noch etwas fordert. Auch hier gilt strikt: Zusammen feiern, zusammenhalten. Böse Zungen sprechen auch von einer PE Sekte oder der Industrial Mafia 😉

Es gibt kaum einen größeren Unterschied zwischen den männlichen dominierten Power Electronics und dem tanzbaren, leicht melancholischen Synthiepop von Client – fast könnte man sie als entgegengesetzte Enden eines Spektrums bezeichnen, gäbe es da nicht noch Noise und Disco und noch viel-viel-mehr. Wer Musik, und sei es nur den Teilbereich der elektronischen Musik, als linear versteht, der wird Musik sowieso niemals begreifen. Ich begreife Client als netten Synthiepop mit Frauenstimmen. Ich glaube mich zu erinnern, dass die Musik einstmals spannender war. Aber es bleibt auch mit dem aktuellen Album „Authority“ (2014) so: Kann man anhören.

Die Schweizer VEIL OF LIGHT sind zwar etwas düsterer aber ehrlich gesagt, kann ich diesen 80er-Rivival-Sound, diese Mischung aus Goth Rock Rhythmen und „kalter Electronic“ auf alten Synthies – heute meist applikativ moduliert – nicht mehr hören. Es langweilt mich zu Tode. In diesem Sinne sind Veil Of Tears very gothic.

https://www.youtube.com/watch?v=VoROsTVLm20

Das das auch wesentlich härter, spannender und aggressiver geht, beweisen die amerikanischen Youth Code. Was manche EBM-Bänd gern hätte, hat das Duo aus Los Angeles: wirklich aggressive Energie, die dem Publikum „right in the face“ geschleudert wird. Atari Teenage Riot lassen grüßen aber auch Frontl Line Assambly oder Skinny Puppy schauen vorbei. Guter Elektro Stoff…

Ein Schlusswort:

Als „Kritiker“ kann Mensch sich nur bis zu einem gewissen Grade mit den Dingen beschäftigen, die da heißen, wer ist die Band, was will sie, was hat sie bisher gemacht. Heutzutage ist mein erster Anlaufpunkt immer Discogs, die Musik-Informationsplattform. Wer dort nicht erscheint, wird per Youtube, „der größten Musiksuchmaschine im Netz“, ausgerufen und da klingelt es bei TÜSN. Professionelles Video und naja…
Die Website von TÜSN hat mich regelrecht erschreckt. Produkte, wohin das Auge schaut, nichts zur Band. Suchen, suchen, langweilig. Die Musik, die ich nebenbei hörte, zündete einfach nicht. Dazu Texte wie „Reden ist Silber, Tanzen ist Gold“. „Vielleicht gefällt das Fans von Silbenmord?“, denke ich und schaue, wie ich mich der Aufgabe entledigen kann, zu diesem „Projekt“ eine Meinung abzugeben. Ich weiß, ich bin gemein aber diese Musik ist typische Industrie-Radio-Musik oder klingt zumindest so. Brauche ich nicht, will ich nicht, die bemüht aussagekräftigen Texte wirken vor dem musikalischen Hintergrund einfach nur albern.

 

Love, & Peace & Understanding 4Uall

Ich weiß, das klingt hart, dabei bin ich eigentlich ein netter, sehr toleranter Mensch. Nur bei Musik kommt der Geschmacksfaschismus halt manchmal durch. Es ist oftmals eine Frage der Toleranz oder gern auch der Gleichgültigkeit, was man erträgt. Die Szene hat viel von beidem zu bieten, Toleranz und Gleichgültigkeit, ist dabei aber oftmals informierter und engagierter als der Rest der Gesellschaft. Wo der satanische Metaller, der Met braut und trinkt, neben dem geschminkten und gepflegt gekleideten Goten mit seinem Glas edlen Weins in der Hand und der neben der praktizierenden Hexe ums Feuer steht; Manga Ladys und Ladyboys zu vorgerückter Stunde gemeinsam mit Noise-Freaks und EBM Sheriffs feiern, detailverliebte Bastler und näherisch geschickte Damen stolz ihre Kreationen präsentieren, Outfits das ganze Jahr vorbereitet werden und Mancher das WGT als Bühne betrachtet, wo ostdeutsche Provinzler auf New Yorker Kunststudenten treffen können, Menschen aus ganz Europa, Japan, den Vereinigten Staaten, Australien, Mexico und… miteinder reden, so gut es eben geht, da ist Toleranz, unerlässlich. In diesem Sinne: Möge das Schwarz mit Euch sein!

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