Freitag, Anreisetag

Die Fahrt erfolgte per Auto, in dem ich einen Platz über die Mitfahrzentrale fand. Die angenehmen Begleiter machten die Reise zu einem ersten Highlight, schließlich konnte man sich auch mit Nichtszenegängern über musikalische Vorlieben austauschen und so einigermaßen kurzweilig ans Ziel gelangen. Sehr empfehlenswert und allemal billiger als die Deutsche Bahn!
In Leipzig angekommen, kümmerte ich mich erst einmal um meine Unterkunft, hatte ich doch diesmal das ganz große Glück, bei Freunden übernachten zu können. Mancher mag zwar finden, das solcherart rundum versorgt ein wichtiger Teil des WGT-Flairs verloren geht, aber ich hebe hiermit auf mein fortgeschrittenes Alter ab und die Tatsache, das ein sauberer Leib und ein weiches Bett auch nicht zu verachten sind. Wie auch immer, nach Inempfangnahme des Schleißinstruments und Einweisung in den Wohnraum machte ich mich auf, um mich ins Festival-Gewühle zu stürzen. Als erstes hieß es, den Pressepass abholen, was problemlos und ohne großen Zeitaufwand gelang. Da ich ausnahmsweise mal richtig über den Ablauf dieses Akkreditierungsvorganges informiert war, hielt ich schon kurze Zeit später Ausweis nebst Fotoerlaubnis in den Händen. Solcherart gewappnet eilte ich sofort zur Parkbühne, um das erste Highlight meines persönlichen Programms nicht zu verpassen: My Dying Bride in der Parkbühne. Zuförderst wurde ich aber noch mit dem Rest des Auftrittes von HAGGARD konfrontiert oder sollte ich lieber malträtiert sagen, denn ein Genuss war das wirklich nicht. Auf der Bühne standen viel zu viele Menschen (die laut Aussagen einiger Zeugen wieder einmal Stunden für den Soundcheck gebracht hatten), die für den dürftigen Sound nicht wirklich notwendig gewesen wären. Statt eines kleinen Orchesters hätte auch ein Quartett dem musikalischen Anspruch genüge getan und die Wahrscheinlichkeit, dass ein klarer, angenehmer Sound herausgekommen wäre, wäre sicher größer gewesen. Aber "hätte", "wäre", "wenn", es war halt nicht und der "Gesang", sowohl weiblich klar als auch männlich gegrunzt werteten das Ganze nicht wirklich auf. Also raus aus der Hütte und auf die Wiese gepflanzt. Das Wetter war recht angenehm, der Durst noch frisch - was braucht es mehr. Pünktlich zu MY DYING BRIDE enterte ich gut Löwen-Security-gechecked erneut den Ort des Geschehens und durfte dann einen sehr angenehmen Autritt der Briten erleben. Während der Rest der Band szenetypisch in schwarz gewandet die üblichen metal-typischen Bühnenaktivitäten zur Vorführung brachte, stand Sänger Aaron Stainthorpe ganz in weiß und meist bewegungslos auf der Bühne und sang mit klagender Stimme seine düstren Texte ins Mikro. Da ich nur die beiden Alben "The Angel and the Dark River" sowie "Like Gods Of The Sun" der britischen Doommetaller mein eigen nenne, kann ich nur schlecht einzelne Titel ihres Sets aufzählen. Wer die Musik von MDB jedoch kennt, der wird sich denken können, dass sie live noch gewaltiger wirken als von Platte. Fette Baselines, erbarmungslos sägende Gitarren, ein dröhnendes Schlagzeug und psychedelischen Keyboardeinlagen lassen einen Sound entstehen, der ständig zwischen Aggression und Depression pendelt und stets ein wenig wie Pink Floyd auf Speed klingt. Sehr schön düster! Die beeindruckende Licht- und Nebelshow tat ihr übriges, den Auftritt zu einem echten Erlebnis zu machen.

Solcherart zufrieden gestellt streuselte ich in Richtung der agra-Halle zurück, um endlich einmal die viel gepriesenen SUICIDE COMMANDO in Augenschein nehmen zu können. Zuvor musste ich allerdings wieder einen dieser peinlich-lästigen Ansagertypen ertragen, die man entweder durch kompetente Artgenossen ersetzen oder ganz abschaffen sollte. Das Auftritt der Belgier gestaltete sich dann in etwa so, wie ich es mir vorgestellt und im Jahr zuvor bei VNV Nation bereits erleben durfte: Ein wild über die Bühne tigernder Sänger (Johan Van Roy), zwei Keyboard- bzw. Laptopbediener im Hintergrund, eine gute Lichtshow. (Die Videoscreens waren dagegen sinnlos, da kaum etwas drauf passierte.) Die Masse stampfte euphorisiert zum eingängigen Beat und sang einen Großteil der Texte anstandslos mit. Ohne Kritik an der Band üben zu wollen - mir wird es angesichts solcher Zustände eher unbehaglich. Aber wahrscheinlich bin ich als DDR-Geschädigter nur etwas unentspannt bei Massenaufläufen. Zu SUICIDE COMMANDO selbst gibt es nicht viel zu sagen: alles sehr eingängig und immer auf die zwölf. Ideale Abgeh-Mucke für die Techno-Generation. Mir persönlich ist das Ganze etwas zu simpel. Meine Zeit nutzte ich dann als Amor, um zwei netten Menschen zueinander zu verhelfen. Vielleicht hatten sie ja noch einen schönen Abend. Hoffe ich zumindest.

Nach dem Konzert - Camouflage hatte ich schon einen Monat zuvor auf dem Dresdner Schlossplatz gesehen, entschied ich mich zu einem Rundgang über den Zeltplatz (be)suchte eine Horde betrunkener Spießgesellen, landete auf der Einkaufsmeile und kehrte letztendlich der agra den Rücken, um den Abend in der Mortitzbastei ausklingen zu lassen. Von Catastrophe Ballet bekam ich leider nichts mehr mit, außer vielleicht, dass durch ihren Auftritt die Umbaupause bis zur Disko etwas lange währte. Schade eigentlich. Das anschließende Gehüpfe erfüllte meine Erwartungen nur bedingt, also entschloss ich mich, mich weiter dem Gerstensaft und der Begutachtung meiner Mitmenschen zu widmen. Zum Glück traf ich noch einen netten Bekannten und wir konnten uns gemeinsam diesen Tätigkeiten widmen und auch so noch ein bisschen schwätzen. Als es dann irgendwann zuviel wurde, trat ich den Heimweg an, der sich zwar aufgrund meiner Ortsunkenntnis mehr als verdoppelte (aus etwas großzügig geschätzten 20 Minuten wurde eine knappe Stunde) aber auf diesem Weg kam ich noch zu einer Vielzahl interessanter Impressionen vom nächtlichen Leipzig und war am Ende meiner Reise sogar wieder einigermaßen nüchtern.

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