Samstag

Tag zwei in Leipzig beginnt relativ zeitig, die Hitze macht den Aufenthalt im Zelt recht schnell unangenehm. Gemeinsam mit zwei Kumpels gehe ich auf die Suche nach etwas Essbarem und einer Möglichkeit zur Reinigung. Das Essen ist schnell gefunden - der Bäcker an der nächsten Straßenbahnhaltestelle ist preiswert und bietet Leckeres zu essen, inklusive echten, schmackhaften Kaffees. Die Suche nach einer preiswerten Waschgelegenheit gestaltet sich etwas schwieriger. Letztendlich landen wir bei Bekannten der zwei und ich kann mich kostenlos und ausgiebig duschen, was ich sehr zu schätzen weiß (Danke!). Solcherart und anderweitig erfrischt geht es zurück in die AGRA-Halle, wo ich mir ein Konzert von CHAMBER im Orkus-Cafe anschaue. Sehr angenehm das Ganze, erinnert mich teilweise an russische Weisen, was der Herr Sänger mit seiner tiefen Stimme da rüberbringt. Die Damen im Hintergrund an den Violinen können sich manchmal eines Grinsens nicht erwehren, wahrscheinlich wurden sie direkt aus der klassischen E-Musik ins Gotenreich importiert. Das Konzert geht kaum länger als eine halbe Stunde, am Rande tausche ich mich noch mit einem netten jungen Mann über sein Saviour Machine-T-Sirt und die zugehörige Combo aus. Würde mich freuen, wenn es die Amis auch mal zu Pfingsten nach Leipzig schaffen. Vorausgesetzt olle Clemens verdammt uns nicht zur Zwangsarbeit.

Fix geht es nach diesem kulturellen Highlight in die Parkbühne - am Anfang jedes WGT habe ich immer Schwierigkeiten, selbige zu finden, dabei ist es ja wirklich sehr einfach. Auf diese Weise komme ich jedoch in den Genuss von umstrittener Kunst, die in der Pleiße schwimmt. Die Enten gehörten jedoch nicht zur Installation, wie ich feststellen muss. Vor der Parkbühne treffe ich mich dann mit Freunden, die sich das Geld für das WGT gespart haben und stattdessen in der Tangofabrik feiern. Sie berichten mir von haarsträubenden Abenteuern zu nachtschlafender Zeit und ich bin froh, dass mir Obsorge zuteil wird. Kurz vor Konzertbeginn betrete ich das weite Rund des Veranstaltungsortes um den Deathrock-Klängen der Band BLOODY, DEAD & SEXY zu lauschen. Mal ganz ehrlich, die Jungs sind zwar ein wenig (kunst)blutig, zum Glück nicht tot aber sexy bestimmt nicht. Am lustigsten fand ich noch den Gitarristen, der aussah wie die Verkörperung des Sinnspruchs "Jesus rockt". Ist aber letztendlich auch total Wurst, die Musik konnte sich hören lassen. Sehr erfreulich, dass es neben Murder At The Registry offensichtlich auch noch andere Bands hierzulande gibt, die mit viel Begeisterung und dementsprechenden Enthusiasmus die amerikanische Spielart der Schwarzen Musik pflegen. Sehr kurzweilig und anhörenswert. Die folgenden Bands interessierten mich nicht sonderlich und so hatte ich Zeit, in der Gegend rumzustreuseln, die ich unter anderem für einen Besuch in der Moritzbastei nutzte. Da gibt es ja neben Mittelaltermarkt und so auch noch kostenlose und saubere Toiletten - ein nicht zu unterschätzender Vorzug! Zwar hätte ich die Zeit auch gern für einen Besuch bei den Krachmusikanten im Haus Auensee genutzt, da selbiges aber am Ende der Welt ist und ich nicht motorisiert, ließ ich es lieber bleiben.

Pünktlich zu Gitarrengott WAYNE HUSSEY's Auftritt traf ich wieder in der Parkbühne ein, wo mein Bekannter WILLIAM FAITH im Publikum erkannte und sich auf mein Drängen mit selbigen ablichten ließ. Wann hat man schon mal die Gelegenheit seinen Idolen aus nächster Nähe ins sonnenbebrillte Auge zu schauen? Abgesehen mal von OSWALD HENKE, der immer in Leipzig rumwurstelt und sich im Gegensatz zu echten "Stars" auch am Würstchenstand anstellt, wenn ihn der Hunger packt.

Sehr sympathisch der Herr, weshalb ich ihm am Sonntag (?) bei genau solch einer Gelegenheit auch ein debil schenkte (wie großzügig von mir!). Zurück aber in die Parkbühne und zu WAYNE HUSSEY. War letztes Jahr der The Mission-Auftritt ein Höhepunkt, so stand Frontmann HUSSEY's Soloperformance dem in nichts nach. Im Gegenteil: Wie der Mann da einfach mit Stimme und Gitarre Atmosphäre erzeugte, war schlicht unglaublich. Mit den Akustikversionen aktueller Songs und alter Hits wusste der Brite die Anwesenden hundertprozentig zu überzeugen. Sein "Like A Hurricane"/"Wasteland"-Mix sowie das Cure-Cover "A Night Like This", das er mit den Worten ankündigte: "Leider ist dieser Song nicht von mir", zeigten in besonderem Maße WAYNE HUSSEY's Klasse, die so schnell kein anderer erreichen wird (schwärm).

Die Zeit bis zum PLACEBO EFFECT-Konzert war dann etwas knapp und so betrat ich die Halle erst, als die Combo bereits spielte. Schön mal die Gelegenheit zu haben, eine der alten Electro-Legenden unseres Landes live zu sehen. Ihre "Galleries Of Pain"-Scheibe von 1992 gehörte schon zu meinen Lieblingen, als ich mit dieser Musik noch gar nichts anfangen konnte. Vergleiche kann ich zwar keine ziehen zu früheren Bühnenshows, aber gegenüber anderen Bands des Genres wussten die "alten Herren" schon, was das Publikum sehen wollte. Ein aufgeschnittener Torso, Blut, Eingeweide, schlecker-lecker. Mag zwar etwas klischeehaft sein, ist aber immer wieder wirkungsvoll. Musikalisch wurde das geboten, was bekannt war, Hits wie "Galeries Of Pain" und "Agony Of Mind". Sehr schön und was für Nostalgiker.
In der Folge geriet die Halle ins Wanken, denn die Headliner des Abends, Publikums- und Medienlieblinge VNV NATION. Ronan Harris ist zwar rein optisch nicht das, was man sich unter einem Superstar vorstellt, dafür hopst der kleine kugelige Mann wie ein Flummi über die Bühne und heizt mit großen Gesten die Zuschauer an. Das freut die Anwesenden und sie danken es mit euphorischem Kreischen und glitzernden Augen. Dazu wummern die Bässe und das Licht flackert gar wild. Fast schon unheimlich das Ganze. Musikalisch sehr mainstreamig und nicht mein Fall.
Nach einer ziemlich langen Umbaupause betraten LAIBACH dann die Bretter, die die Welt bedeuten. Mittlerweile habe ich die Herren nun schon zum dritten Mal gesehen und ich muss sagen - es ändert sich nicht wirklich viel. Eine neue Platte gibt es nicht, also bediente man sich der allseits bekannten Hits von "Opus Dei", "Jesus Christ Superstar" und einiger älterer Stücke. Naja, DER HIT war das nicht. Alles schon mal gesehen und nichts Neues. Natürlich macht es immer wieder Spaß die Slowenen mit ihrem harten Akzent "Leben heißt Leben" oder "Geburt einer Nation" intonieren zu hören (wobei ich nicht mehr genau weiß, ob sie die Titel denn tatsächlich spielten), auf Konzertdauer gestreckt, macht das Szenario aber schon traurig, wenn man bedenkt, welche Innovationskraft die Herren dereinst besaßen…

Einigermaßen enttäuscht machte ich mich mit Freunden auf zum Werk II, um der FETISH-NACHT beizuwohnen aber leider sahen wir nicht albern genug aus, um die Nasen am Einlass passieren zu dürfen. War aber eigentlich Wurscht, denn vor der Tür wurde ja auch was geboten. Die kleine Grenzerin hinterließ dabei bei mir den bleibendsten Eindruck. Angeblich sollte dann noch irgendeine berühmte Combo irgendwo spielen in Halle 5, aber das Gerücht stellte sich als solches heraus und wir saßen deprimiert vorm Eingang rum, nicht willens drei Euronen Eintritt zu löhnen (Out-Of-WGT-Party). Zu fünft (darunter drei Leute um die 1,90) fuhren wir zurück im Auto zum Agra-Gelände, wo dann fast jeder seiner Wege ging.
Ausklingen sollte der Abend in der Halle 4.3 des Werkes bei der Disse. Nach diverser Anheiterung bereitete das Tanzen dann einige Freude, wenn auch häufig genug die Musik für meinen Geschmack etwas zu lasch war (KRRRRACH!!!). Unter den anwesenden Damen waren einige, die mir schon recht gut gefielen, nur bin ich verheiratet und muss mich sehr im Zaum halten. In Situationen wie diesen kann das fast körperlich schmerzhaft werden ;-) Nachdem ich mich einige Zeit effektiv gequält hatte, verließ ich gegen sechs Uhr morgens die Tanzhallen, um mich denn schlussendlich dem Schlafe zu ergeben.


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