Freitag

Soviel also zur Vorrede, kommen wir zum eigentlich wichtigen - dem Festival. Die Hinreise erfolgte dank Herrn Mäh-Dorns Chaostruppe und verlief weitestgehend ruhig. Auch mal wieder schön, Bahn zu fahren, vor allem, wenn es nicht so weit ist und nette Gesellschaft dabei. Mit der Straba ging es dann zum Agra-Gelände, um dort "einzuchecken". Für Presseleute ist das Verfahren etwas anders als für "Normalsterbliche" und so stellte ich mich am entsprechenden Schalter an. Der Verantwortliche war gerade bei der Nahrungsaufnahme - wer will es ihm verdenken - und so musste ich eine halbe Stunde warten. Egal. Glücklich mit Pass und selbstbezahlter Obsorgekarte ausgestattet, trat ich dann den Weg auf den Zeltplatz an. Mittlerweile war es Freitagabend halb sieben, immer noch kochend heiß, der Zeltplatz zugebaut und ich mit schweren Gepäck unterwegs. Nach einer weiteren halben Stunde und nass wie frisch gebadet, fand ich dann endlich ein Plätzchen für mich, um mein Heim auf Zeit aufzubauen. Gerüstet durch die Erfahrungen des letzten Jahres gehörte ein Hammer zu meiner Ausrüstung und ich konnte einigermaßen professionell die Heringe im Boden verankern, auch wenn meine verbissenen Bemühungen, die kleinen Stahlfischlein in den steinharten Boden zu treiben, für einige Heiterkeit bei den Nachbarn sorgten.

Als ich es dann endlich geschafft hatte, boten sie mir ihre Hilfe an, die ich dankend ablehnen konnte. Erste Brücken waren also geschlagen und beim gemeinsamen Genuss alkoholischer Getränke konnten wir uns dann freundlich näher kennen lernen. Ein lieber Gruß geht an dieser Stelle an Die Vier Apokalyptischen Reiter (Pest, Krieg, Tod & Falk), die mir mit ihrem Banner auch in schweren Stunden den Weg auf dem Zeltplatz wiesen. Nach kurzer Erholungsphase eilte ich in die Agra-Halle, um endlich mal etwas vom Vorprogramm zu erleben.

Das Ritual war schon vorbei, aber die Kleine Gruftschlampen-Show durfte ich noch miterleben. Fazit: Ganz nett. Halbnackte Frauen, die aneinander rumspielen und sich gegenseitig fesseln, sind schon ein ganz angenehmer Anblick. Die dicken Männer am Rand hätte man weglassen können, aber wenn es denn sein muss… Ärgerlich nur, dass solche Aufführungen immer dann enden, wenn es spannend wird. Dafür gibt es die Fetisch-Nacht, bei der ich aber nicht reinkomme, da ich weder Lack noch Leder trage, was glaube ich, auch ziemlich albern aussehen würde. Bleiben mir also nur die einschlägigen Quellen im Internet (Schluchz).

Gleich im Anschluss an die FSK 12- SM-Show folgte ein Highlight: CINEMA STRANGE. Hier konnte ich meiner Fotografierwut erstmals freien Lauf lassen und knipsen, was das Zeug hergibt. Die drei Herren boten auch reichlich Anlass dafür, bekommt man doch eher selten junge Männer im Omi-Outfit oder als geschminkte Pseudomatrosen zu sehen. Die Show war wie zu erwarten erfrischend schräg und besonders live kommt der eigenständige Deathrock des Trios immer gut rüber. Für mich gehören die drei Californier definitiv zu den großen Hoffnungen des Genres, da es ihnen gelingt, herkömmliche Muster mit einer Mischung an Cabaret, Tragik und Wahnsinn zu einem selbstständigen Stil zu verbinden.
Die nachfolgenden DULCE LIQUIDO wollte ich mir in meiner Ignoranz erst verkneifen, zum Glück überzeugte mich ein Bekannter doch zu bleiben. Wo Hocico in feinster belgischer Art immer auf die 12 hauen, schleichen sich beim Seitenprojekt der Mexikaner eine ganze Menge verquere Rhythmen ein, die mir als Noise & Industrialfan das Herz aufgehen ließen. Mit dem entsprechenden Publikum versorgt, könnten die beiden durchaus eine große Halle rocken. In Leipzig blieb das Publikum unverständlicherweise zum großen Teil fest am Boden kleben und beobachtete die neckische Show mit Mönchskostüm und viel Rauch. Die Goten halt…

Bis zum Auftritt von DAF trieb ich mich dann auf de Zeltplatz rum, besuchte die Verkaufshalle und konsumierte diverse Getränke. So recht interessierten mich Umbra und The Gathering nicht, wobei letztere nach den Aussagen der Augenzeugen recht gut gewesen sein sollen. Egal - für mich stand fest, dass ich DAF sehen wollte, also trudelte ich rechtzeitig wieder in der Agra-Halle ein. Wer von den in die Jahre gekommenen Herren eine besinnliche Einlage erwartete, der wurde gnadenlos hinweggefegt. Gabi Delgado wuselte wie ein aufgedrehter Teenager über die

Bühne und wurde nicht müde, die stampfenden Sequenzerrhythmen seines Kompagnons Robert Görl (wirklich ein sehr schöner Mann, auch wenn ich nicht schwul bin) mit Texten zu versorgen. Alles war wie gehabt, pure Energie ohne viel Abwechslung. Neuere und ältere Stücke unterschieden sich nicht wirklich, aber das war auch nicht entscheidend. Comebacks dieser Art gehen vollkommen in Ordnung, schließlich wird es nicht mal peinlich, wenn Gabi das Hemd öffnet. Seinen Waschbrettbauch hätte sich manch Anwesender im Publikum zum Beispiel nehmen können. Wenn ich in zehn Jahren auch noch so aussehe, bin ich's ganz zufrieden.

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