Samstag

Der Vormittag verging mit Schlafen, schon gegen 11:30h versammelten wir uns zum Frühstück. Danach wurde eingekauft - vor allem Getränke alkoholischer und nicht- alkoholischer B(r)auart. Ein Teil der Beute war für die jungen Damen vom Zeltplatz gedacht, die bei unserem Eintreffen noch im Zelt lagen und ziemlich verpeilt nach Wasser statt nach Bier gierten. Da war mir wohl einiges erspart geblieben in der vorangegangenen Nacht!
Da auf dem Gelände noch nicht allzu viel los war, sausten wir erst einmal kreuz und quer durch die Gegend, schauten uns Jüterbog mit seiner sehr sehenswerten Nicolai-Kirche und Kloster Altzinna (Zinnaer Kloserbruder!) an, aßen beim DRK Erbsensuppe, bestiegen Türme und warteten wieder an roten Ampeln. Solcherart kulturell-touristisch gesättigt, enterten wir des Abends die Burg, um uns dem Konzert-Programm zu widmen.

Die erste Combo, die wir erleben durften, waren Dark Suns eine Art Tiamat-Gedächtniskapelle. Sorry, das war jetzt nicht sehr fair, denn die Jungs aus Leipzig klangen nicht, als wenn sie die alten Schweden nur kopierten. Gewisse Anleihen an die Zeit vor dem großen Pink Floyd-Trip von Herrn Edlund waren jedoch nicht zu überhören. Als besonders lustig empfand ich, dass der Sänger ob seiner kurzen Haare nicht Headbangen konnte, eine Rolle, die der Keyboarder dafür jedoch aufs Prächtigste ausfüllte. Die nachfolgenden SCREAM SILENCE verpasste ich dann bewusst - die ersten Minuten hatten mir schon nicht besonders gefallen - im Zelt der beiden Damen, bei der Guten-Morgen-Speisung. Einigermaßen angeheitert konnte ich mich dann nach einiger Zeit von den Grazien losreißen und kam gerade rechtzeitig, mein persönliches Festival-Highlight nicht zu verpassen: Kamikaze 52! Irgendjemand hatte mir empfohlen, diese Band unbedingt anzuschauen und ich muss mich hiermit noch mal bei Unbekannt bedanken! Das Konzert war ein echtes Erlebnis: Kamikaze boten eine geschickte Mischung aus Versatzstücken von Rock, Pop, Disko und jeder Menge Metal. Frontfrau Sui wirbelte dazu wie ein Berserker über die Bühne, mal kindlich naiv, mal furienhaft intonierend. Allein ihr Gesichtsausdruck, der durch eine geschmackvolle Kriegsbemalung noch verstärkt wurde, war das Eintrittsgeld wert! Das Publikum war seltsamerweise relativ verhalten, bis auf einige wenige - inklusive meiner Person ;-) - die ordentlich die Sau raus ließen. Wie man bei einer solcherart druckvollen, energetischen Musik still stehen kann, wird mir wohl ewig ein Rätsel bleiben. Als ich nach dem Auftritt Sui euphorisch auf Englisch anquatschte, stellte ich sehr schnell fest, dass Kamikaze 52 ganz gut deutsch verstehen und aus unserer schönen Hauptstadt stammen. Darüber hinaus erfuhr ich noch etwas über die Zahl 52 und so habe ich mir fest vorgenommen, die vier Helden der Stunde mal im debil zu verewigen, was sicher in naher Zukunft geschehen wir. Jetzt freue ich mich erst einmal auf ihren nächsten Auftritt am 28. November im Dresdener Titty Twister.

Die restlichen Bands des Abends waren dann natürlich nicht mehr in der Lage die durch die Berliner hervorgerufene Hochstimmung zu überbieten. Das Ich boten einen soliden Auftritt, ein Potpourri ihrer schönsten Melodien. Auch wenn mancher drüber lächeln mag - als die ersten Takte von "Die Propheten" über den Burgvorhof klangen, in der kalten Nacht im märkischen Land - das war schon beeindruckend. Sicher, an Das Ich scheiden sich die Geister. Besonders Keyboarder Bruno Kramm geht manchen Szeneaktiven mit seiner Penetranz ziemlich auf den Senkel, was jedoch nicht die Leistung des Projektes schmälert. Sowohl was die Sounds als auch die Texte betrifft, müssen sich Kramm und sein Front-Ackermann vor dem Rest der klangerzeugenden Dunkelhüte nicht verstecken. Im Gegenteil: Sie haben noch immer den meisten das Quäntchen Eigenständigkeit und Intelligenz voraus, das aus einer guten Gruppe eine überdurchschnittliche macht. Schlagt mich dafür oder lasst es bleiben - mir gefällt Das Ich noch immer, auch wenn ich bis auf eine, keine Platten der Combo im Schrank stehen hab. Besonders live mit dem genialen Bühnenaufbau können die Szeneveteranen beeindrucken. Auch Ackermann selbst ist immer einen Blick wert, wie er als wirbelnder Derwisch, als böses Kind oder Kobold über die Bühne fegt und 120 Prozent in seiner Musik aufgeht. Das sollen andere erst einmal nachmachen!

Die auf der kleinen Bühne auftretenden The Last Dance, die optisch wie eine schlechte Kopie von Cinema Strange wirkten, konnten diesem Anspruch nicht nahe kommen. Da mir ihr unspektakulärer Gothic Rock auch sonst nicht allzu viel Freude bereitete, verkrümelte ich mich und ging anderen Aktivitäten nach.
Pünktlich zu Diary Of Dreams fand ich mich wieder vor der großen Bühne ein, um Adrian Hates und seine Mannen zu bestaunen. Das Projekt gehört seit Jahren trotz seiner Erfolge im Grufti-Mainstream zu meinen absoluten Szenelieblingen, eine Empfindung, die noch verstärkt wurde, als ich sie vor einiger Zeit bei den Herbstnächten live erleben konnte. Gemessen an diesem Auftritt war die neue Show der Traumtagebüchler eher statisch - ein Umstand der den Weggang von Torben Wendt noch einmal schmerzlich in Erinnerung rief. So musste Hates allein singen, was er auch ohne größere Probleme schaffte. Seine Begleiter dagegen, besonders der oberkörperfreie Bassist, wirkten, wenn auch nicht musikalisch, so doch optisch fehl am Platze. Besagter Seitenzupfer hätte mit seinem Outfit ohne Schwierigkeiten einen Arbeitsplatz in einer Death Rock- oder Batcave-Truppe einnehmen können, bei Diary Of Dreams bildete er einen Fremdkörper, den ich nicht mit den träumerisch-melancholischen, pathosgeschwängerten Klanglandschaften in Einklang bringen konnte. Hier wäre etwas mehr Konzept in Punkto Bühnenpräsenz förderlich gewesen. Wie auch immer, der Auftritt war nicht schlecht, konnte jedoch der Musik von Diary Of Dreams keine weitere Facette hinzufügen. Auch wirkte Adrian Hates selbst irgendwie angepisst, fast schon arrogant. Wer weiß, welche Laus ihm über die Leber gelaufen war.

Weiter ging es mit NFD auf der kleinen Bühne. Spaßvögel witzelten NPD aber die waren auf dem Festival zum Glück nicht vertreten. Bei NFD handelte es sich vielmehr um einen Fields Of The Nephilim-Ableger, den rothaarig gefärbten Sänger kannte ich bereits von Sensorium. Geboten wurde dann das, was man bei diesem Background erwarten konnte: Schmissiger Gothic Rock mit einer gehörigen Portion metallischer Härte und mystischer Düsternis. Besonders die Fraktion der Langhaarigen wusste den Künstlern das zu danken und einige im Auditorium wuchsen regelrecht über sich hinaus, indem sie menschliche Pyramiden bauten. Hochachtung für diese sportliche Leistung! Ich begnügte mich damit, im Reigen mit anderen alten Säcken, vor allem bei den obligatorischen Fields-Schmankerln abzurocken und rumzuhüpfen. Einige blaue Flecke und viele Abdrücke auf meinen Stiefeln waren der gerechte Lohn. Hat ja niemand behauptet, dass man beim Gothic nur zwei Schritt vor, zwei Schritt zurück tanzen darf…

Highlight bzw. Headliner des Abends waren The Gathering, die ich bisher aufs sträflichste vernachlässigt und noch niemals live erlebt hatte. Hiermit ergab sich also die Gelegenheit und ich muss sagen, dass die Holländer es wirklich drauf haben. Zwar muss ich gestehen, dass der melodische, stark von Stimme und Präsenz von Sängerin Anneke geprägte Metal nicht wirklich mein Ding ist, aber ansprechend war's schon. So 100%ig passte der Auftritt zwar nicht in den Rahmen der Herbstnächte, aber egal, den Anwesenden gefiel es offensichtlich. Ich für meinen Teil hätte mir die Band eher vor einem wesentlich größeren independent-Publikum vorstellen können, denn die Qualität ein Stadion zu füllen, haben The Gathering definitiv. Als dann The Gathering geendet hatten, zogen uns durchfrostete Frauen ins Auto und schleiften uns in Richtung Pension. Dort gaben wir uns dann wieder dem stundenlangen Geschwafel und Alkoholkonsum hin, so dass wir wieder sehr zeitig ns Bett kamen.

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