Die Anreise erfolgte als Mitstreiter des Geraer Torpor Kollektivs (Soulcripple, Human Destructure, Dresden 45, Seraphim), die mit ihrer "Allstar"-Gruppe als NEUER RAUM auftreten wollte. Nach diversen Zurückweisungen durch die Beamten und einem schlussendlich halblegalem Grenzübertritt kamen wir einigermaßen spät in Prag an. Aus dem ruhigen "in den tag gleiten" wurde eine einigermaßen hektische Aufbauphase, zumal der zweite Teil des Teams sich der Verzweiflung nahe durch die Baustellengespickte Großstadt arbeitete. Die Zeit war dann auch schon etwas vorgerückt, als NEUER RAUM endlich für den Soundcheck auf der Bühne standen. Die ersten Besucher betraten schon den Raum und die Stimmung der Band wurde zunehmend aggressiver. Wunderbarerweise entstand dabei ein ganz eigenwillig aufgeladener Sound, der die Stimmung im Raum unterschwellig aufheizte und somit die Anwesenden auf das Bevorstehende vorbereitete. So gesehen waren NEUER RAUM das einzige Projekt, das zweimal spielen durfte.

Unter dem Namen Domestic Front eröffneten drei junge Männer aus den Staaten den Abend. Ihr Handwerk bestand vor allem in der kunstvollen Manipulation von Sounds. Dazu hatten sie nicht weniger als sechs Plattenspieler aus verschiedenen Zeiten, vom Kofferkasten bis hin zum DJ-Werkzeug sowie einen Laptop aufgebaut und vermischten die verschiedenen Quellen miteinander. Die drei Musiker standen konzentriert hinter ihren Reglern und Tonarmen und formten interessante Hörkollagen zur Einstimmung der Gäste.
Danach folgten die früheren Tonton Macoutes unter dem Namen 4+S/M und mit verfeinertem Sound. Der psychedelisch-noisigen Barsound wurde mit Geigenklängen und Schlagwerk verstärkt und hinterließ auch ohne Ausrasteinlage einen guten Eindruck.
Quasi im Mittelfeld durften die Geraer auf die Bühne, wo sie die Titel der ersten NEUER RAUM-CD in leicht verändertem Kleide präsentierten. Mittlerweile haben die Jungs auch im Zusammenspiel einiges an Routine gewonnen und so verlief der Auftritt mehr als zufrieden stellend. Besonderes Highlight war das Kinski-Zitate verwendende Stück "so arm, so jung, so alt und so rein".
Der Auftritt von THE THREE ging dann irgendwie an mir vorüber. In Erinnerung ist mir nur ein bemaskter, mit freiem Oberkörper Bass spielender, junger Mann geblieben. Eine Begleiterin war jedoch gerade von dieser Performance begeistert. Um nicht ungerecht zu sein, kein Kommentar dazu. Ich habe einfach nicht hingehört.
Highlight des Abends waren, wie bereits erwähnt BAD SECTOR, die eine für diese Protagonistengruppe typische Performance hinlegten. Im Hintergrund lief ein sehr gut gemachtes Video, das sich meiner Erinnerung nach mit Zellteilung und ähnlichen biochemisch gelagerten Themen beschäftigte (Ich kann aber auch völlig falsch liegen. Der Einfluss von tschechischem Bier und anderen Rauschmitteln vereinfacht die Wahr-nehmung nicht wirklich.) Massimo Magrini selbst beschäftigte sich hauptsächlich mit seinem Laptop und manipulierte die von selbigem ausgesendeten Sounds zusätzlich mit einer Art Theremin. Musik und Video konnten überzeugen, showtechnisch ist hauptsächlich die Gelegenheit von Wert, bekannte Namen einmal bei der Arbeit zu betrachten.
Zum Ausklang des Abends legte Wiktor, Vorsänger von JUDE diversen Electro auf, wie ich ihn in unserer heimischen Großraum-Grufti-Stampfe hätte nicht besser hören können. Sorry Wiktor, aber das war öde! Bei allerhand Gesprächen verging die Nacht wie im Flug oder sollte man besser sagen im Suff. Als wir aus dem Laden rausgeschmissen wurden, fand sich immer noch ein einladender 24-Stunden-Shop, der uns mit dem Nötigsten versorgte. Ich liebe es, in einer echten Großstadt unterwegs zu sein.

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