WGT 2011 - ein Interview mit dem Pressesprecher Cornelius Brach

Erst einmal ein paar Zahlen: Wie viele Bands und Künstler werden (ungefähr) in diesem Jahr beim WGT auftreten?

Im Moment sind ja schon rund 200 Künstler bestätigt und es dürften noch ca. 20-30 dazu kommen.

Bevor wir ins Detail gehen, soll auch daran erinnert werden, dass solch ein Festival eine Menge Arbeit ist. Wie viel Helfer und Dienstleister hat das WGT?

Der feste Organisationsstab des WGT, der im Prinzip das ganze Jahr über das WGT vorbereitet, besteht aus rund 10 Leuten. Während das WGT läuft, werden wir natürlich unterstützt von mehreren Hundert Helfern und Partnern, es sei allein an die Unmengen von Sicherheitskräften und Technikern erinnert, die an den rund 40 Veranstaltungsorten im Einsatz sind. Diese vielen Helfer stehen zwar meist etwas im Hintergrund, aber ohne sie wäre das WGT letzten Endes nicht möglich, diese Jungs und Mädels leisten wirklich wichtige und gute Arbeit.

So, los geht's. WGT 2011: Was ist die allererste und was die allerletzte Veranstaltung des diesjährigen Festivals.

Die erste Veranstaltung wird das Konzert von Das Ich zum Eröffnungsabend mit den Bands des 1. WGT am Donnerstag in der großen agra-Halle sein, die letzte Veranstaltung dürfte die große Abschlußfeier in der Moritzbastei sein, die meist bis gegen 6:00 am Dienstagmorgen geht.

Dem WGT gelingt es seit Jahren immer wieder, "alte Helden" aus den verschiedensten Subszenen zu reaktivieren. Ich denke da an DAF, Fields Of The Nephilim oder in diesem Jahr vielleicht Chris & Cosey. Was denkst Du, warum Euch das immer noch gelingt?

Zum einen weil wir uns sehr bemühen, immer ein paar alte Helden im Programm zu haben. Das WGT ist ja durchaus eine konservative Veranstaltung. Das heißt nicht, daß wir uns neuen Tendenzen in der Szene verschließen, aber wir fühlen uns eben der Wurzeln sehr verpflichtet. Zum anderen hat das WGT ja unter den Bands auch einen guten Ruf. Es ist nun mal kein normales Musikfestival auf der grünen Wiese. Daher lassen sich dann doch auch einige Bands noch einmal zum Auftritt überreden, obwohl sie eigentlich schon nicht mehr spielen wollten, so etwa Love Like Blood in diesem Jahr.

Auf welche Bands / Künstler seid Ihr in diesem Jahr als Organisatoren besonders stolz?

Daß wir die Goth-Rock-Urgesteine Love Like Blood nach 12-jähriger Bühnenabstinenz nochmal zu einem Auftritt bewegen konnten ist schon toll. Noch besser kommt es ja bei den britischen Electro-Pionieren Clock DVA, die waren das letzte Mal 1994 live zu erleben. Zudem treten ja noch einige Bands auf, die man in Deutschland nicht alle Tage auf der Bühne sind, etwa Lustmord, Chris & Cosey, Black Tape For A Blue Girl oder Camerata Sforzesca (Mediolanense). Auch die Weltpremiere von Empyrium wird sicher spannend.

Welche Highlights wirst Du Dir selbst nicht entgehen lassen?

Ich bin ja während das WGT läuft gut eingespannt, muß mich um die Sorgen von rund 500 akkreditierten Journalisten kümmern. Daher kann ich immer nur spontan entscheiden, was ich mir ansehe, wenn ich Zeit finde. Auf jeden Fall werde ich beim Eröffnungsabend am Donnerstag vorbeischauen, wo um das 20.Jubiläum gebührend zu feiern, fast alle Bands spielen, die auch beim 1.WGT 1992 dabei waren. Auch wenn ich beim 1.WGT noch nicht dabei war, und ich mir heute eigentlich keine Neue Deutsche Todeskunst mehr anhöre, freue ich mich doch auf die zu erwartenden alten Lieder von Das Ich und Goethes Erben. Diese morbiden Klänge erinnern mich so schön an meine frühen Szenejahre. Generell werde ich mir sicher eher altgediente Szenebands ansehen, hoffe aber auch wieder auf ein paar interessante Neuentdeckungen, für die das WGT ja immer viel Raum bietet. Ja, auch ich kenne noch nicht alle Bands, die bei uns auftreten.

Was sind aus Deiner Sicht die Höhepunkte im Rahmenprogramm? Ich denke da an die zahllosen Lesungen, Filmvorführungen oder das Heidnische Dorf als eigener kleiner Kosmos innerhalb des WGT…

Die Vorträge des international bekannten Kriminalbiologen Mark Benecke sind sehr unterhaltsam, kann ich empfehlen. Auch das Programm an klassischer Musik ist sehr verlockend: es gibt Opern, ein Wagnerkonzert, das bombastische Deutsche Requiem von Brahms und feine Kammermusik. Auf jeden Fall sollte man nicht nur von Konzert zu Konzert hetzen, das ist nicht das Anliegen des WGT. Stattdessen sollte man sich auch mal etwas Zeit nehmen, sich treiben zu lassen, Leute kennenlernen: hier mal eine Lesung anhören, dort mal ein klassisches Konzert, vielleicht mal ins Theater und natürlich mal zu einer der unzähligen Parties, die in allen möglichen Klubs der Stadt laufen. Oder man schaut mal beim Schwarzen Stricken vorbei. Das ist kein Scherz: Es wird einen Kurs für traditionelle textile Handarbeitstechniken geben. Danach kann man vielleicht wie es früher ja Brauch war seine Szeneklamotten wieder selbst herstellen, braucht nicht mehr bei Xtra-X von der Stange zu kaufen. Das Heidnische Dorf im romantischen Torhaus Dölitz ist natürlich auch immer einen Besuch wert: Dort gibt es ja selbst für Familien mit Kindern eine Menge zu erleben und es gibt herrlich Livemusik, etwa von Faun oder Tony Wakeford. Das Heidnische Dorf und der Mittelaltermarkt an der Moritzbastei sind ja die einzigen offiziellen WGT-Veranstaltungen, die man auch ohne Gesamtkarte besuchen kann, es gibt günstige Tageskarten und Kinder bis 12 Jahr haben sogar freien Eintritt…ideal also wenn man nur mal reinschnuppern will in die besondere Treffenatmosphäre.

Wenn Du Dir das alte Interview von Michael Brunner durchliest - wie würdest Du die Weiterentwicklung des WGT seit dieser Zeit skizzieren?

Ich denke wir haben das Treffen in seinem Sinne weitergeführt. Denn am Konzept der Veranstaltung hat sich auch nach der Pleite im Jahre 2000 im Grunde nichts geändert, außer daß nun alles etwas professioneller organisiert wird. Das WGT ist noch immer eine vergleichsweise wenig kommerzielle Veranstaltung. Um den subkulturellen Charakter zu erhalten, verzichten wir auf Sponsoren, bei uns gibt es keine nervigen Werbestände, die auf normalen Szenemusikfestivals längst normal sind. Der Treffengedanke ist für uns noch immer der zentrale Punkt, es soll nicht darum gehen ein paar bekannte Bands zu sehen und das war's dann. Daher gibt es bei uns ein vielfältiges Kulturprogramm, das alle Facetten der Schwarzen Szene einschließt und das viele Gelegenheiten bietet, Leute kennenzulernen, auch aus anderen Ländern, denn die Gästeschar des WGT ist ja sehr international. Auch gibt es bei uns keine ganz dicken "Headliner" und keine Tageskarten um den maximalen Gewinn rauszuholen. Stattdessen laden wir bewußt viele wenig bekannte oder neue Bands ein, die wir interessant finden.

Wo wird das WGT 2020 stehen - gibt es da eine Vision?

Oberstes Ziel ist es, die besondere Atmosphäre des Treffens zu erhalten. Es geht uns nicht darum, mehr Besucher anzuziehen. Wir finden, daß die rund 20000 Leute, die seit Jahren zum WGT kommen, eine gute Größe sind. Damit ist das Treffen in der ganzen Stadt präsent, aber es ist keine anonyme Großveranstaltung, es gibt genügend kleinere Veranstaltungen und Konzerte mit einer durchaus familiären Atmosphäre. Das soll möglichst alles auch 2020 noch so sein. Allerdings hängt die konkrete Entwicklung des Treffens natürlich auch von der Entwicklung der Szene selbst ab, die man ja schwer abschätzen kann. Fest steht: Solange es eine Schwarze Szene gibt, wird es auch das Wave-Gotik-Treffen geben.

Eine Frage, die ich als Szeneangehöriger mir nicht verkneifen kann: Gibt es denn von Seiten der WGT-Organisation ein klares Statement zu den Vorfällen um Jahr 2000? Persönlich weiß ich nicht, was ich nun glauben soll.

Da halten sich ja bis heute die wildesten Geschichten, über das was sich damals zugetragen hat. Im Prinzip war es so: Es waren einfach zu viele Leute geworden im Organisationsteam, darunter einige, die eher eigene Interessen verfolgten als daß sie dem Wohl der Veranstaltung dienten. Schließlich hatte man die Übersicht verloren, einer wußte nicht mehr was der andere tat. Dies führte schließlich dazu, daß am Ende deutlich mehr Geld ausgegeben wurde als eigentlich da war, sodaß an jenem denkwürdigen Pfingstsonnabend einfach die Kassen leer waren. Es hat sich also niemand mit irgendwelchem Geld aus dem Staub gemacht, denn es war einfach keins mehr da. Seit 2001 läuft ja nun dank neuem Organisationsstab aber alles ohne nennenswerte Probleme.

OK, hoffen wir, das damit einige Fragen bei der Leserschaft geklärt sind. Mir bleibt nur noch, uns allen die Daumen zu drücken, dass wir zu Pfingsten schönes Wetter haben, dass alle Besucher, Bands, Helfer gesund und munter nach Leipzig und später auch wieder nach Hause kommen und dass Ihr als Veranstalter vom Detailteufel und allen größeren und kleineren Pannen verschont bleibt. Toi! Toi! Toi!

 

Zum Abschluss sei Dir noch eine ganz private Message an die Besucher erlaubt:

Strömet erneut in Scharen gen Leipzig und feiert mit uns das 20.Jubiläum Eures Treffens! Euch sei versichert: Dies wird ein besonders schönes Wave-Gotik-Treffen. Wir haben alles dafür getan.

 

Vorbericht Teil 1 - Industrial. Teil 2 - Gothic Bands +++ nach oben

 

Diese Vorschau wurde erstellt mit der unschätzbaren Hilfe von Discogs!

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Steckbrief Cornelius Brach:

 

Seit wann hast Du selbst das WGT miterlebt?

Als Besucher seit 1998, als Mitarbeiter seit 2006.


Wie bist Du in die Szene gekommen?

Im Wesentlichen durch eine zarte Krankenschwester, die mich mit 16 in der Dresdner Medak betreut hat, und die mich auch in die Geheimnisse der Szene eingeweiht hat. Wen die ganze Geschichte interessiert, der lese sie hier.

Welche Bands hörst Du aktuell am liebsten?

So eine richtige Lieblingsband habe ich nicht. Immer wieder höre ich gern die alten Helden und auch vom Apocalyptic Folk komme ich nicht los.


Was macht für Dich die Szene aus?

Ihre Vielfalt, ihre weitgehende Resistenz gegen den schlechten Zeitgeschmack und Kommerz, ihr Sinn für Ästhetik.

"My Colour Is Black"?

Natürlich. Mittlerweile dürfen es aber auch mal gedeckte Farben sein.