Der neue Tag fing wieder im Werk II an, wo ich Imminent, Morgenstern, Asche und ein wenig Synapscape erleben durfte. Mir war es recht, konnte ich mich doch ein wenig austoben und den Alkohol vom Vortag ausschwitzen. Rhythmische Bewegungen zu ebensolcher Musik sind immer noch die beste Therapie gegen körperliche Beschwerden. Nachdem ich das Werk verlassen hatte, trieb ich mich noch eine Weile in der Gegend rum, besuchte das heidnische Dorf, wo ich mich zu ekligem Metbier überreden ließ und noch einige Freunde traf. Nach diversen Umtrünken verabschiedete ich mich, um rechtzeitig zu Frontline Assembly zu kommen. Als stolzer Besitzer eines Presseausweises durfte ich sogar in den Fotograben, um die Band abzublitzen. An der Diskussion darum, ob nun wirklich der leebe Bill da oben stand, möchte ich mich nicht beteiligen. Wer will, kann sich am Ende dieses Artikels selbst ein Bild davon machen. Den Auftritt der Kanadier fand ich auf jeden Fall nicht besonders toll, ganz anders als zwei Jahre zuvor den ihrer Landsleute Skinny Puppy. Nach FLA betraten dann Soft Cell die Bühne - für mich eindeutig die Helden des Abends. Zwar kann auch hier niemand genau sagen, was vom Band kam und was wirklich live gespielt wurde, aber Präsenz und Ausstrahlung von Marc Almond wischten alle Zweifel weg. Man muss nicht schwul sein, um ihn zu lieben. Soft Cell lieferten einen Querschnitt durch ihre lange (unterbrochene) Bandgeschichte und besonders bei Hits wie "Tainted Love" aber auch "Martin" tobte die Halle. 80ies-Feeling pur und ohne schlechtes Gewissen. Einfach schön. Nach diesem Erlebnis konnte die Disko in der Moritzbastei mich nicht wirklich mehr begeistern, zumal ich alles viel zu laut fand, aber wahrscheinlich werde ich einfach alt.

Tag vier in Leipzig begann relaxt in der Parkbühne, wo die Cold Meat Industries Station gemacht hatten. Los ging es mit IRM, die im Vergleich zum typischen CMI-Sound recht heftig daher kamen. Sehr angenehm das. Danach kämpfte Desiderii Marginis mit der Technik und später Sophia mit der bevorstehenden Schwangerschaft. Insgesamt war die Stimmung sehr entspannt - die Parkbühne gehört ohne Zweifel zu den schönsten Veranstaltungsorten des WGT - und die Musik trug dazu bei, dass man sich wunderbar treiben lassen konnte. Nach Sophia entschied ich mich dann erst einmal den Fußweg zum Haus Leipzig zu erkunden, weil dort später Cassandra Complex spielen sollten. Nach etlichen Irrungen und Wirrungen landete ich endlich am Ort und wurde dort Zeuge einer Cyborg Attack(e). "Arme Menschheit", dachte ich mir und verdrückte mich sogleich wieder in Richtung Parkbühne. Auf dem Weg dahin begegnete ich ein paar Freunden, die mich unbedingt überzeugen wollten, mir in der Krypta des Völkerschlachtdenkmals Alex Fergusson und Rose McDowall anzuschauen. Leider, leider, leider ließ ich mich breitschlagen und wurde so Zeuge eines der absoluten Tiefpunkte des Festivals. Damit meine ich nicht die anderthalb Stunden, die ich sinnlos vor der Tür der Krypta verbrachte und in denen nur die Witzchen der Umstehenden und diverse Böcke mir die Kraft zum Durchhalten gaben. Auch der kalte und feuchte Raum war nicht wirklich schlimm oder die Tatsache, dass wir die Akteure nur von hinten rechts sehen konnten. Das wirklich Schlimme war die künstlerische Fehlleistung, die jetzt folgte. Da saßen also zwei mehr oder weniger bekannte Musiker und kriegten absolut nichts auf die Reihe. Weder der Gesang wusste zu überzeugen, noch die Abstimmung und erst recht nicht die Virtuosität. Dilettantismus pur. So demontiert man sich selbst. Nach fünf Liedern war ich so geladen, dass ich den Raum verließ. Schade nur für Forseti, die wirklich gut gewesen sein sollen. Hätten sie doch zuerst gespielt! Die ANTIFA ist mir auf dem Weg zum Agra-Gelände nicht begegnet - war wohl besser für beide Seiten.

 

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