Wehrkraftzersetzung 1
Samstag 1. September 2007, Tanzbar Palette, Halle

Nachdem wir uns schon den halben Tag in der Saalestadt herumgetrieben, seltsames Bier getrunken und Bisamratten gefüttert hatten, betraten wir pünktlich die wirklich sehr hübsche Lokalität. Trotz des Titels "Wehrkraftzersetzung" erwartete uns kein Militanten-Treffen, sondern das übliche Klientel. Nicht wenige, die am Vortag in L.E. dabei gewesen waren, schlugen auch in Halle auf. Irgendwelche Protestler, die das Treffen rechtsradikaler Kräfte vermutet hätten, gab es zum Glück auch nicht - also alles paletti und stressfrei.

   

Den Abend eröffneten MEZIRE, ein mir bisher unbekanntes Zweimannprojekt aus Berlin. Laut Website haben die Jungs als Dark Electro-Formation angefangen und ein wenig hörte man es ihren Power Electronics noch an. Sehr routiniert das Ganze und genreunüblich auch mal mit harten Electro Beats garniert. Sicher haben Mezire das Rad nicht neu erfunden, eine angenehme Bereicherung im Feld der harten elektronischen Musik sind sie aber auf jeden Fall.

      


Als nächstes folgten die von mir am meisten erwarteten schwedischen GREEN ARMY FRACTION, die sich dann jedoch als größte Enttäuschung herausstellten. Laut Website war es der erste Auftritt seit zwei Jahren und man hätte dem jungen Mann, der da mit hochrotem Kopf über die Bühne lief und mehr krähte als schrie gewünscht, dass er noch ein paar Mal vorher geübt hätte. Dazu fiel noch gelegentlich das Mikrophon aus und die Musik war zu leise. Selbst mir bekannte Stücke erkannte ich kaum. Naja, wirklich keine Glanztat.

      


Es folgten KOMMANDO aka ½ Thorofon bzw. The Musick Wreckers. Auffällig war sofort das lustige Gesichtskostüm, das aus um den Kopf gespannten Plastebändern bestand. Musikalisch überzeugte mich vor allem der Gitarren-Vibrator. Natürlich war es das optische Highlight, als Thorofoner Anton Knilpert mit dem Dildo über die Saiten der E-Klampfe strich, den Sound darauf zu reduzieren wäre aber ungerecht. Natürlich klangen musikalische Elemente der Hauptprojekte an, insbesondere der bekannte Synthiesound ergänzte das Power Electronics Repertoire vortrefflich. Knilpert selbst ist ein charismatischer Frontmann, der das Publikum mit seiner Erscheinung einnimmt.

      


Ohne beleidigend sein zu wollen, kann man das von SEKTION B nicht sagen, da die Berliner stets wie underdogs wirken, wie "angry young man". An diesem Abend lieferten sie, die schon über reichlich Erfahrung beim Beackern des Power Electronics-Feldes besitzen die aus meiner Sicht überzeugendste Show ab. Ein Umstand, der sich auch in einem wild pogenden Publikum ausdrückte. Selbstverständlich durften die bekannten dramatischen Showelemente wie Flaggenverbrennung nicht fehlen, auch war das Video der Sektion mit Abstand das Beste. Klare Aussagen statt mystisch verbrämten Weltschmerzes, ein richtiger Schlag in die Fresse. Die Berliner sind halt "Born To Be Wild".

         


Schon ein wenig geschlaucht wohnte ich dem Auftritt von EX.ORDER nicht mehr über die volle Länge bei. Wirklich Neues ergab sich nicht, einer gewissen Power Electronics-Übersättigung hatten die Leipziger dann nicht viel entgegenzusetzen. Gefallen hat mir der Auftritt trotzdem, da ähnlich, wie bei Kommando auch bei Ex.Order typische Elemente des Hauptprojektes - in diesem Falle Inade - auszumachen waren. Auch ist René Lehmann ein routinierter Frontmann, wohingegen Knut Enderlein auf der Bühne immer eine seltsame Scheu an den Tag legt. Bei Ex.Order blieb er denn auch im Hintergrund, während sein Mitstreiter in gewohnt wohltuender Art seine Texte rezitierte. Insgesamt sehr schön aber unglücklicherweise am Ende eines langen Abends.

      

Fazit: Vielleicht eine etwas zu hohe Dosis Wehrkraftzersetzung aber insgesamt ein sehr angenehmer Abend.
Zu ergänzen wären noch zwei lustige Ereignisse: Als wir in einer Pause vorm Konzertgebäude frische Luft atmeten, spielte eine Zigeunertruppe vor der benachbarten Kneipe. Ein größerer Kontrast zum Programm in der Palette ist kaum vorstellbar. Später marschierten noch vier fremdländische Männer vorbei, die wie eine Al Kaida-Abordnung aussahen und uns in unseren schwarzen Militärklamotten ziemlich seltsam anschauten.

 

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