Punch
Records Festival
Samstag 20. und Sonntag 21. Januar 2007, UT Connewitz, Leipzig
Zugegeben, von Punch Records hatte ich keine große Ahnung. Die Namen
Mushroom Patience und Novy Svet waren jedoch Grund genug, nach Leipzig
zu fahren. Zudem ist das UT eine sehr schöne Location, die ich immer
wieder gern besuche.
Am Samstag betraten Commando
Suzie als erste die Bühne. Später gingen die beiden Herren
noch einmal als O Paradies an den Start, bevor es aber soweit war, lebten
sie erst einmal auf recht schräge Art und Weise ihre Synthie-Popstar-Attitüde
aus, anfangs noch mit Unterstützung eines kleinen Background-Chores
dem Novy Svets Frau Tost angehörte. Das war nicht mal peinlich sondern
recht unterhaltsam, teilweise sehr skurril mit Tendenz zum debilen und
so konnte ich mir gelegentlich ein Grinsen nicht verkneifen. Ein wenig
ärgerlich war der zweimal verpatzte Beginn, die Rückkopplungen
brachten Musiker wie Publikum gleichermaßen aus dem Tritt. Da dies
die einzigen technischen Probleme des Abends blieben, wollen wir das nicht
überbewerten.
Es folgte Erik Ursich,
ein langhaariger junger Herr, der sich an seinem Rechner zu schaffen machte.
Selbigem entlockte er sehr interessante Sounds von Ambient bis Noise.
Die auf die Leinwand projizierten geometrischen Muster machten das Ganze
noch einen Zacken abgedrehter und abstrakter. Für mich einer der
Höhepunkte des Abends.
Ein Highlight ganz anderer
Art boten die österreichischen Elli Riehl. So einen abgefahrenen
Kobold-Free-Jazz habe ich wirklich noch nicht gesehen und gehört.
Ich wusste die ganze Zeit nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Musikalisch
zeigten sich Elli Riehl sehr versiert und abwechslungsreich. Die grenzdebilen
Texte und die abgefahrene Kostümierung standen im absoluten Kontrast
zur anspruchsvollen Musik. Trotzdem war der Auftritt ein Erlebnis.
Wermut war dagegen nicht
so ganz mein Fall. Die Musik war OK, elegischer mit zahlreichen klassischen
Bezügen aber das theatralische Gehampel des schlaksigen Frontmanns
empfand ich eher als störend. Auch musikalisch war das Gebotene eher
der schwächste Beitrag des Abends.
Dann kamen aber noch Novy
Svet. Leider hinterließen die drei sympathischen Zeitgenossen
an diesem Abend einen denkbar schlechten Eindruck, da sie weder mit dem
technischen Equipment noch mit ihrem Alkohohlkonsum zu Recht kamen. Das
zerfahren wirkende Set endete nach 30 Minuten abrupt, was beim Publikum
für wenig Erheiterung und viel Ärger sorgte. Schade eigentlich,
denn Novy Svet sind live wirklich gut, wie sie zum Beispiel auf dem WGT
bewiesen haben.
Der Sonntag begann mit 1997ev,
die überraschend experimentell daherkamen. Viel ist davon leider
nicht in meiner Erinnerung geblieben, so dass ich an dieser Stelle auch
nicht weiter darauf eingehen kann.
Es folgte Thomas Nöla aus den Vereinigten Staaten. Sein "Orchestre"
bestand nur aus ihm selbst und einem fantastisch arbeitenden Schlagzeuger.
Vielleicht zählte die Handpuppe ja ebenfalls dazu aber da selbige
zu Beginn des Konzertes an einer mitgebrachten Laterne erhängt wurde,
fiel sie musikalisch nicht weiter ins Gewicht ;-). Nöla selbst spielte
auf der Hammond-Orgel und sang dazu in schönster Nick Cave-Manier,
während im Hintergrund prähistorische Pornofilme liefen. Sehr
amüsant das Ganze und reichlich dekadent. Leider war der Auftritt
insgesamt etwas kurz.
Nun betraten Ô Paradis
aus Spanien die Bühne, die eine sehr eigenwillige Show ablieferten.
Die beiden erinnerten sehr an Straßenmusikanten, die mit viel Leidenschaft
aber auch einiger Routine ihr Programm darboten. Den Sound zu beschreiben,
fällt mir schwer. Selbst nennt die Band ihr Schaffen eine Mischung
aus (mediterranem) Pop, Psychadelic und experimenteller Musik. Das trifft
es wahrscheinlich ganz gut. Auch wenn für meine Geschmack bei manchen
Stücken der schmalzige Pop ein wenig zu sehr dominiert, muss man
Ô Paradis bescheinigen, dass sie sehr schöne Musik machen und
eigentlich einem breiteren Publikum bekannt sein sollten.
Mushroom Patience sind stilistisch ebenso schlecht zu fassen. Die
Zutaten sind ähnlich wie bei vorgenannter Band, nur ist das Ergebnis
wesentlich experimenteller und aus meiner Sicht ansprechender auch wenn
das Ganze mit Industrial nur sehr wenig, dafür umso mehr mit Psychadelic
zu tun hat. Novy Svet-Sänger Jürgen Weber und Ober-Mushroom
Raffaele Cerroni auch bekannt als Dither Craf lieferten nach dem Aussetzer
vom Vortag eine recht überzeugende Show ab.
Bei Mushroom Patience steuerte
Labelchef Cairy Teron noch einen kurzen Gesangsbeitrag zu, kurze Zeit
später stand er als AIT! Selbst auf der Bühne. Optisch
war der junge Mann sehr interessant anzuschauen, musikalisch ging mir
das Ganze zu sehr in Richtung SynthiePop, wenn auch sicher nicht der schlechteste.
Aufgrund der vorgerückten Stunde entschieden wir uns, nicht allzu
lange mehr zu bleiben und verließen den Ort des Geschehens vorfristig.
Insgesamt sein sehr schönes und vor allem super-abwechslungsreiches
Festival, das den musikalischen Horizont des Rezensenten deutlich erweiterte.
Die Atmosphäre war fast familiär, das Ganze ging unstressig
und friedvoll über die Bühne, die Leute vor Ort waren alle entspannt
und gelassen. Sehr angenehm auch die Pausenmusik de Hirnholz-DJ-Teams.
In Summe also ein echtes Erlebnis.
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