Prag Industrial Festival 2002

Es gibt viele Arten Weihnachten zu feiern, je nachdem was man vom Fest der Liebe erwartet. Zu meinen persönlichen Ritualen gehört der Besuch beim jährlich Mitte Dezember stattfindenden Industrialfestival in Prag. Mit dem Rock Cafe in der Prager Altstadt hatten die Veranstalter von Ars Morta eine sehr gediegene Location aufgetan. Und auch das Programm konnte sich sehen lassen: Neben diversen tschechischen Projekten, die immer für einige Überraschungen gut sind, warteten die ca. 150 Anwesenden vor allem auf den Auftritt der Hybryds am Samstag sowie Inade und Schloß Tegal am Sonntag.

Tag eins gehörte eindeutig der Tanzperformance von Sangredans. Beachtlich wie die drei Damen mit jedem Auftritt besser werden. Im Unterschied zu früheren Veranstaltungen griffen Sacre Dans diesmal in den am heimischen Computer vorgefertigten Sound ein, was die Musik wesentlich aufwertete. Zu meinem Erstaunen erfuhr ich nach dem Konzert, dass die technoiden Klanggebilde aufgrund unzuverlässiger Technik kurz vor dem Auftritt neu zusammengeschraubt werden musste - zu merken war davon nichts.
Auch die deutschen Rectal Surgery, die mir mit ihrem brachialen Noise noch von einem Konzert vor zwei Jahren in Erinnerung waren, zeigten eine deutliche Steigerung hin zu einem stärker differenzierten und abwechslungsreicheren Sound. Frontmann Robert tiegerte als Johnny Depp-Double in sein Mikrophone schreiend über die Bühne während Keyboarder Lutz die entsprechende, heftige Begleitmusik generierte. Der starke Einfluss psychedelicher Musik machte die Epen von Rectal Surgery wesentlich einfacher konsumierbar.
Zygote boten dann ihren typischen klassisch geprägten Gothic-Industrial-Sound mit kreuzgefährlicher Feuerperformance und der beeindruckenden sehr körperlichen Präsenz von Martina Sanollova. Am Ende des Abends wußte "der Hybryds", leider ist das Projekt zur Ein-Mann-Show geschrumpft, die Zuhörerschaft mit seinem hypnotischen Set zwischen Drum ‚n' Base und Ambient zu begeistern.


Tag zwei startete mit Legenda Materialu, die eine Materialschlacht auf Baumarktregalen, Plastekanistern alten Tanks und weiß der Teufel was noch inszenierten. Besonders beeindruckend die energetische Drummerin mit Palituch, die sich im Laufe der Show eindeutig zum optischen und musikalischen Mittelpunkt des Bühnengeschehens entwickelte. Dem posenden Gitarrist dagegen hätte ein wenig mehr Zurückhaltung gut getan.
Weiter ging es mit Tonton Macoutes, einer Art Noise-Barjazz, die sexy-suggestiven Gesang mit ordentlich unstrukturiertem Krach kombinierte. Neben der nett anzuschauenden Sängerin hatte es der männlichen Part des Duos natürlich etwas schwerer und so beeindruckte er die Anwesenden mit einem gepflegten Wutausbruch im Stile von : "I wanna kill. Fuck you!" Tonne unters Publikum geworfen. Zum Glück wurde niemand verletzt...
Das Set von Inade mit seinen dunklen statischen Sounds brachte wieder ein wenig Ruhe ins Publikum. Wunderschöne farbige Projektionen sorgten neben den entspannten Klängen dafür, dass die Anwesenden ein wenig treiben lassen und sich mit ihren eigenen Gedanken befassen konnten. Sehr angenehm auch die Einlage des weiblichen Parts des zum Duo geschrumpften Projektes (Sorry, dass ich Deinen Namen nicht kenne!), die mit einer Art selbstgebauten Didgeridoo seltsam entrückte Klänge zauberte. Das Ende des Auftritts kam dann ein wenig abrubt, zogen Inade doch einfach den Stecker. Was wahrscheinlich aber besser war, denn sonst "spielten sie noch heute".
Das Festival beendete Altmeister Richard Schneider aka Schloß Tegal mit seinen psychedelisch-rhythmischen Stücken über Serienmörder, Ufos und Orgon-Energie. Von entsprechenden Projektionen begleitet nahmen Schloß Tegals Klanglandschaften die Verbliebenden mit auf die Reise in die Untiefen des Unterbewusstseins und wieder hinauf in die unendlichen Weiten des Weltalls.

 

Fazit: Zwei rundum gelungene Tage!

 

Bilder

zurück