Morphonic Lab III mit Chen Unst, Anaxy & Sardh
Palais im Großen Garten, Dresden, Samstag 23. Oktober 2004

Das Morphonic Lab III kehrte nach zweijähriger Abstinenz zurück ins Palais im Großen Garten - einen viel würdigeren Rahmen für das audiovisuelle Kunstprojekt kann es gar nicht geben. Schon allein die Tatsache, dass sich Mensch des Nachts auf den Weg durch den vom großen Kurfürsten angelegten Park machen muss und nicht bis vor die Haustür fahren kann (was einige besonders intelligente Zeitgenossen natürlich wieder machen mussten und sich so selbst eines wunderschönen Erlebnisses beraubten), ist ein Ereignis für sich. Solcherart transformiert betritt der Gast die heiligen Hallen des Palais, betrachtet die barock-üppigen Permoser-Figuren und erklimmt auf einer Holztreppe den zweiten Stock des Hauses, in dem das Konzert stattfindet. Oben angekommen nehmen diverse Videoinstallationen den Besucher in Beschlag und fordern ihn zum genauen Zuschauen auf. Im Saal zaubert eine Art optischer Bewegungsmelder Besucherinduzierte Muster auf eine riesige Leinwand. Nach einer ca. anderthalbstündigen "Anwärmphase" beginnen die konzertanten Ereignisse ihren Lauf zu nehmen.
Als erstes stehen CHEN UNST auf der nicht vorhandenen Bühne und zelebrieren eine wilde Free Jazz-Noise-Hardcore-Ambient-Mischung, die sie mit einer ebensolchen Bilderflut zwischen kitschig und grausam unterlegen. Das Ganze ist im wahrsten Sinne des Wortes sehr beeindruckend und, wenn auch nicht immer leicht nachvollziehbar, so doch stets aufregend. Kein Vergleich zum letzten Auftritt vor zwei Jahren an gleicher Stelle, als CHEN UNST noch eher konventionelle psychedelisch angehauchte Rockmusik feilboten.
Zum nachfolgenden Projekt Mr. Incognito / ANAXY vermag ich leider nichts zu sagen, außer die aus Dresden stammenden Musiker sehr kurzfristig die angekündigten STUPOR ersetzen mussten. Für mich klang das Gebotene wenig interessant, erfüllt aber die Standards gängigen Laptop-Rhythmus-Industrial. Auch wenn ich nicht begeistert war, Hut ab vor der Leistung der Musiker, die quasi in anderthalb Tagen ein vernünftiges Programm auf die Beine stellten.

Letzter und für mich wichtigster Gig des Abends war der von SARDH. Seit ca. acht Jahren verfolge ich den Werdegang der Dresdner Band und bin auch persönlich freundschaftlich mit den Musikern verbunden. Eine objektive Kritik ihres Schaffens ist aus dieser Warte natürlich nur schwer möglich. Trotzdem möchte ich anmerken, dass ich die Gruppe für eine echte Bereicherung der deutschen Industrialszene halte. SARDH sind stets ihrem Sound treu geblieben, der sich von den gängigen Klangschöpfungen vor allem durch seine "Schmutzigkeit" unterscheidet. Wo andere auf rein elektronische Klanggebung setzen, verwenden SARDH zahlreiche Alltagsgegenstände, die mit Tonabnehmern versehen, eigene Klangwelten generieren. Das ist natürlich auch optisch fein anzusehen, wenn z.B. Detlev Schweiger seinen Laubrechen bearbeitet oder VOX das Theremin bedient. Noch deutlicher ist aber zu sehen, dass SARDH echte Musiker sind, für die ihr Klangschaffen und nicht die Präsentation der eigenen Person im Vordergrund steht. Das ist in der heutigen Poplandschaft (und damit schließe ich ausdrücklich alle Spielarten des Pop ein) eine Seltenheit und sehr angenehm. An diesem Abend beeindruckten vor allem die ersten Stücke durch eine ungeheure Dichte und schon fast magische Intensität. Gegen Ende ließ die Spannung dann ein wenig nach, was sicher auch der umfangreichen Arbeit geschuldet war, die von allen Beteiligten geleistet werden musste, bevor das Morphonic Lab seine Tore öffnen konnte. Für das nächste Jahr ist schon eine Fortsetzung geplant und ich freue mich darauf.

            

            

         

 

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