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Lichtreigen
7, Samstag 31. August 2004, Altes Gut, Jena-Burgau 3
Wegen einer Disko
in der Gegend rumzufahren ist ja nicht so mein Ding. Wenn man allerdings für
lappige fünf Euro zum Tanzvergnügen noch vier Bands spendiert bekommt und
davon mich sogar zwei interessieren, dann lohnt sich auch die Fahrt ins schöne
Jena. Da wir das Ganze gleich mit einem Besuch bei Freunden in Gera und einer
Stippvisite nach Weimar verbanden, umso mehr. Die Programmgestaltung abseits
des Sonnabend abends soll hier jedoch nicht Thema sein.
Der Start
der Ereignisse war auf 21 Uhr festgelegt und wir trafen kurz danach am Ort
des Geschehens ein. Vor der Tür machte IronFlame mit Kassettenrecorder und
Plastikbier bewaffnet Werbung für den Statement-Sampler - was für das erste
Hallo und einige Erheiterung sorgte. Nach Löhnung des Eintrittsoboluses folgte
ein weiteres Shake Hands im Innenhof des Gutes, das sich bis in die eigentliche
Lokalität fortsetzte. Irgendwie sind doch überall die Gleichen am Start. Der
Veranstaltungsraum selbst nötigte mir ein leichtes Grinsen ab, hatte ich mir
doch alles viel größer vorgestellt. Im Laufe des Abends stellte sich heraus,
dass der Raum ausreichend war und so gibt es diesbezüglich auch keine Kritik,
zumal ich weiß, wie schwierig es ist, eine passende Räumlichkeit zu finden.
Auf der Bühne standen zum Zeitpunkt unseres Eintretens die Gothic Metaller
von DARK JUDGEMENT, die hauptsächlich ihren eigenen Anhang begeistern konnten.
Bei mir löste die lahme Show und die schon-1.000mal-gehört-Musik keine Freude
aus. Besonders dem Sänger hätte ein wenig mehr Präsenz und Ausarbeitung nicht
geschadet. Merke: Ein Rüschenhemd macht noch kein Theater (of tragedy).
Wesentlich
interessanter gestaltete sich danach der Auftritt von MERCYDESIGN vs. BARBARA
ROSSA. Während der erste Teil des Sets ausschließlich aus Musik aus dem Laptop
von Phelix Schneefeld sowie entsprechender Videountermalung durch Barbara
Rossa bestand, kam im zweiten Teil der poetische Vortrag des Projektleiters
hinzu. Von diesem Moment an kann man das Experiment nur noch als gelungen
bezeichnen, ergänzten sich die einzelnen Elemente zu einem beeindruckenden
Gesamterlebnis. Die Texte von Herrn Barbara Rossa hatten schon in Heldrungen
ihre Wirkung auf mich gezeigt, in Verbindung mit den industriell-psychedelischen
Klanglandschaften Mercydesigns und der klaustrophobischen Bilderflut brannten
sie sich regelrecht ins Gehirn. Vielleicht liegt es am Alter des Poeten, vielleicht
auch an seiner ganz persönlichen Geschichte, das seine Werke fernab der typischen,
hohlen Bedeutungsschwere den Zuhörer tatsächlich treffen. Zumindest ging es
mir so. Mehr Lyrik von dieser Qualität, die sich mit dem wirklichen Leben
statt mit Hirngespinsten von schwarzen Engeln beschäftigt, würde der Szene
sicher gut tun.
Die nachfolgenden
MYSTERY OF DAWN boten dagegen eine sehr seltsame Performance. Ihren sehr simplen,
mit E-Gitarre angereicherten EBM-Synthiepop schienen die drei Herrschaften
selbst nicht ernst zu nehmen. Auf der Bühne hatten Keyboardschrauberin, Sänger
und ebenjener Seitequäler die ganze Zeit damit zu tun, nicht laut lachend
loszuprusten. Zumindest hatte ich den Eindruck. Was die Ursache für diese
Heiterkeit war, sei einmal dahingestellt. Nachdem ich meine obligatorischen
Dokumentar-Fotos gemacht hatte, verließ ich den Raum.
Draußen
verstrickte ich mich dann in eine Diskussion über "Fasci-nation", die ich
dem Herrn Klumb und einem von ihm gestalteten T-Hemd verdankte. Am Ende hatten
sich der Textilträger und ich nicht auf die Schnauze gehauen, sondern vielmehr
meines Erachtens sinnvolle Argumente ausgetauscht. Für mich ergab sich die
Erkenntnis, dass ähnliche Probleme (denn wo die Fehler der heutigen Gesellschaft
liegen, daran waren wir uns erstaunlicherweise recht einig) manchmal einfach
nur zu unterschiedlichen Lösungswegen führen. Alle Hoffnung ist also noch
nicht verloren. Das ist es, was ich an der Schwarzen Szene mag: Selbst wenn
sich zwei Menschen mit sehr unterschiedlichen Meinungen treffen, gibt es nie
wirklich Stress. Wer körperliche Züchtigung liebt, wird besser Metal-Fan oder
Skinhead.
Den kulturellen
Höhepunkt des Lichtreigens bildete der Auftritt der österreichischen BEARER
OF THE INMOST SUN. Während ich der Combo bei unserer ersten Begegnung beim
IronFlame-Festival einen Monat zuvor aufgrund ihrer Herkunft (sorry, ich mag
Ösis nicht unbedingt) und ihrem Erscheinungsbild (in Schneetarnanzügen, sehr
militant) nicht so recht mochte, freute ich mich diesmal auf ihre Performance.
Nicht unwesentlich dazu beigetragen hatte unser Gespräch in Berlin, fünf Uhr
morgens beim Sonnenaufgang an der Spree. Hatte ich eher ein "Blutharschiges"
Weltbild erwartet, präsentierten sich der Sänger und seine Freundin als sehr
aufgeschlossen und intelligent. In diesem Sinne freute ich mich auch über
das Videointro vom "Großen Diktator", nicht nur, weil ich den Film liebe,
sondern auch, weil die abschließende Ansprache Chaplins ein deutliches Bekenntnis
zur Demokratie darstellt. Kommen wir aber zur Musik von BOTIS: Die Österreicher
boten eine energetische Trommelperformance eingebettet in elektronisch-ambiente
Klanglandschaften. Dazu sang, besser rezitierte der von einer Feldmütze behütete
Sänger voller Leidenschaft seine Texte. Die mit voller Wucht bearbeiteten
Trommelfelle trieben den Sound schlagkräftig voran, die sorgsam angeschlagene
Glocke sorgte für eine angenehm mysteriöse Stimmung. Am wohlgefälligsten empfand
ich die Intensität des Vortrages, die einmal nicht Show sondern blanker Einsatz
war. Insgesamt sehr schön und leider viel zu selten heutzutage. Ich denke,
BEARER OF THE INMOST SUN haben noch eine große Zukunft vor sich und die bereits
erwähnten Landsleute müssen sich warm anziehen.
Nach Abschluss
des Konzertes genossen wir nur noch kurz die recht abwechslungsreiche und
sehr krachige Diskothek, um dann auf Drängen unseres Fahrers nach Gera zurückzukehren.
Ein schöner Abend ging zu Ende, für dessen Organisation den Lichttäufern ein
Lob ausgesprochen sei.
SEKTION B(ild)
Dark Judgement / Mystery Of Dawn
Mercydesign / Barbara Rossa
Bearer Of The Inmost Sun
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