Untoten
Nachtcantine Dresden, Samstag 11. Oktober 2003

Um die Untoten soll es angeblich einen ganz bösen Hype geben… Mitbekommen habe ich davon bisher nichts, wahrscheinlich weil ich keine der üblichen Grufti-Postillen lese. Die Szenejünger im Bunker-Forum dissten die Combo schon kurz nach Ankündigung des Auftrittes auf die übelste Weise, Marke "da schau ich mir doch lieber eine gestrichene Wand an." Was das sollte? Die großen Helden des Genres wie Illuminate, Lacrimosa, Umbra et Imago etc. sind schließlich all alle kein Stück weniger aufgebaut und mindestens genauso klischeehaft wie die Untoten. Wenn sich dann Zillo-Lyriker über die Texte der Berliner aufregen, darf die Frage erlaubt sein, mit welchem Maß hier gemessen wird. Aber egal! Mir war das nämlich Wurscht und ich wollte die Band, die mir von mehreren Tonträgern bekannt war, endlich live sehen.
Um das Fazit voranzustellen: Pech für alle, die sich von einem Besuch der Nachtcantine haben abhalten lassen. Die Show, die die drei Untoten boten, war zwar spartanisch, dafür aber beeindruckend. Ehrlicherweise muss gesagt werden, dass sich alles um die göttliche Greta drehte, die mit ihrer sexy Ausstrahlung das Publikum voll in ihren Bann zog. Mädchenhafter Charme ist nicht so sehr ihr Ding, stattdessen sonnt sie sich geschickt in der Aura einer Diva. Dazu trägt ihre Form des Gesanges mit rollendem "R" und ihre betonte Gestik bei, die nicht von ungefähr an bekannte Grazien der Vergangenheit, allen voran Zarah Leander, erinnert. Mag sein, dass das mancher bescheuert findet - was sein gutes Recht ist - im Zusammenhang mit den gruseligen Weisen der Untoten funktionierte Gretas Gebaren sehr gut. Musikalisch wird eine wilde Mixtur schwarzer Stile von Death Rock bis Schnulze geboten, mal zum besinnlich schunkeln, mal zum hemmungslosen abrocken. Dass das (wie immer lahme) Dresdner Publikum nicht aus seinem Koma erwachte, war wahrlich nicht die Schuld der Musiker. Nach über einer Stunde Spielzeit verließen die drei sichtlich erschöpft - Dresden war der letzte Termin ihrer Tour - die Bühne und, als sei der Zauber mangels Sichtkontakt gebrochen, erwachten die Anwesenden und klatschten die Akteure für drei oder vier Zugaben zurück in den Saal. Einige besonders Mutige begannen jetzt sogar zu tanzen…

Schlussbemerkung: Untoten scheinen das Lager der Dunkelhüte ganz offensichtlich zu spalten, wobei unklar ist, warum. Musikalisch muss sich das Berliner Trio nicht verstecken. Der fette Sound auf breiter elektronischer Basis bietet reichlich Abwechslung, viel Pathos und manch schöne Melodie. Verwunderlich ist dabei die strikte Festlegung auf die Schwarze Szene, denn das gebotene Spektrum könnte sicher auch andere Fraktionen der Independent-Kultur begeistern. Überhaupt ist das Image reichlich überdreht. Schaut man sich die Website der Band an, fragt man sich schon, was das Ganze soll. Hier passen klischeehafter Inhalt (Texte, Bilder, Auftreten etc.) und einfallsreiche Form (Musik) irgendwie nicht zusammen. Ein echtes Rätsel. Wie auch immer, der Abend in der Nachtcantine war schön und live wussten die Untoten zu überzeugen.

 

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PS: Eigentlich habe ich ein paar sehr schöne Bilder vom Konzert gemacht, doch leider hat sich gerade der Scanner verabschiedet und so müsst Ihr noch ein Weilchen warten, bis ich ebendiese ergänzend anfügen kann...