11. Prague Industrial Festival, Freitag

Der Vorraum des Saales war einigermaßen gut gefüllt, nach dem üblichen Begrüßungs-Hallo ging es sofort in die Vollen. Bedingt durch den zeitigen Start hatten wir bei unserer Ankunft schon das erste Projekt - Fragment King aus den USA verpasst. Gut soll's gewesen sein, wir hatten aber erst einmal unseren Sättigungsbedürfnissen gefrönt. Pech gehabt.

               

Kaum hatten wir uns mit den ersten Bier ausgerüstet und auch sonst die entspannte Atmosphäre eingesogen, startete Michael Contreras als MK9 seine Show. Vorn standen einige junge Leute, die böse guckten - erst beim genaueren Hinschauen sah ich die Buchstaben an ihren Revers. Michael hatte die Herrschaften "selektiert", um sie zu harschen Noises ungestört übers Megaphon anschreien zu können. Im Hintergrund waren Projektionen von Bewaffneten und Lagern zu sehen, MK-Michael trug selbst ein "Homeland Security"-Shirt. Die Botschaft war schnell klar und recht hat der Meister. Mr. Bushs Amerika hat nicht mehr viel mit dem "Land of the free" zu tun. Im Laufe seiner energetischen Show sonderte MK9 immer mehr seiner "Gefangenen" aus, bis keiner mehr übrig blieb, egal ob A- oder B-Kategorie. Ein unangenehmes Gefühl stellte sich beim Betrachter ein und so sollte es ja auch sein. Klassenziel erreicht!

      

Als nächste enterten die fantastischen JOB KARMA die Bühne. Ihre Musik lässt sich am besten als intelligenter Synthiepop beschreiben, obwohl bei der Nennung dieses Genres sicher erst einmal die falschen Assoziationen entstehen. JOB KARMA produzieren eher sphärische Klänge, die nicht auf leichte Konsumier- oder Tanzbarkeit zielen, sondern den Hörer schnell in den Kosmos des polnischen Trios hineinziehen. Das düstere Video - mit Gigerartigen Animationen einer zerstörten Welt - ließ keinen Zweifel daran, welche Farbe dieser Kosmos hat.

    

Es folgten HERBST9 mit ihren typischen Dark Ambient-Klanglandschaften. Viel blieb davon bei mir leider nicht mehr haften - mein Gehirn musste der fortgeschrittenen Stunde und den Genussmitteln Tribut zollen. Insgesamt war der Auftritt eher ruhig und routiniert, wie gesagt; wirklich weltbewegendes passierte nicht.

Der nächste "Act" machte dafür wirklich etwas her: Die polnisch-französische Performerin DOROTA KLESZCZ zog eine, besonders für das männliche Publikum recht eindrucksvolle Show ab. Parallel zu den Projektionen auf der Kinoleinwand ent- und verkleidete sich die Dame, um sich mit Dreck zu beschmieren, wie eine Schlange über die Kinositze zu rutschen, Tüten aufzublasen oder ähnliche Aktionen. Was damit ausgedrückt werden sollte? Keine Ahnung, da müsste man sich sicher näher mit dem Gesamtwerk der jungen Frau beschäftigen. (Hier ist die Gelegenheit dazu. Leider versteh ich kein Französisch…)

            

Zum Abschluss des Abends gab es noch reichlich Industrialklänge vom Band. Nach diversen Bieren machten wir uns zurück in unsere Unterkunft. Der kleine Fußmarsch durchs nächtliche Prag tat uns dann auch ganz gut. An einem Platz der Barrikaden mussten ich meine Blase erleichtern. Ich hoffe, ich habe dabei kein tschechisches Nationalheiligtum geschändet.

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