In the Nursery
Moritzbastei Leipzig, Samstag 10. Mai 2003

ELVIS stand in großen, roten Lettern auf dem schwarzen T-Shirt des neuen ITN-Trommlers David. Ob dem King allerdings der Konzertabend in der Moritzbastei gefallen hätte, darf bezweifelt werden. Es gab nämlich keine einzige Gitarre im Instrumentarium, nicht mal eine akustische. Wer ITN kennt, den wird das nicht verwundern, sind die Engländer doch für ihre Elektronikklänge bekannt: harmonische Synthieflächen, eingängige Rhythmen durch verschiedenes Schlagwerk, manchmal elektronische Chor- oder Streicherpassagen, bei einigen Liedern auch Gesang oder aber Sprachsamples.
Doch der Reihe nach! Als ich mich kurz nach 21.30 nun noch mit Mühe ins randvolle Konzertgewölbe der MB gedrängt hatte, war das Konzert schon im Gange, hatte ich bereits den ersten Titel verpasst. Wer konnte denn auch ahnen, dass das Konzert so ungewöhnlich pünktlich beginnt! Na egal, nun schnell noch etwas vorgedrängelt um gute Sicht auf die Bühne zu bekommen: Da standen sie nun, die zwei süßen Humberstone-Zwillinge Nigel und Klive und sahen fast noch genauso aus, wie ich sie von Fotos kannte, die älter waren als 10 Jahre. Selbst die 80er Jahre Boy-Frisuren waren noch erkennbar, nur etwas gekürzt. Dann war da noch Sängerin Dolores, nicht mehr die jüngste aber gut geschminkt (Soso Corn, wir werden alle nicht jünger! ;-) disorder), in einem durchsichtigen schwarzen Oberteil und in einen kurzen Bluejeansrock gepresst. Vom Trommler David mit ELVIS-T-Shirt war ja anfangs schon die Rede, nur dass er eine Flecktarnhose trug, hatte ich noch nicht erwähnt. Das erinnert mich daran, dass der King während seiner Zeit bei der US-Armee in Deutschland stationiert war. Ob Trommel-David wohl mit seiner Kleidung daran erinnern wollte? Jedenfalls machte er seine Sache sehr ordentlich, hieb konzentriert auf verschiedene Trommeln und Becken ein. Bei einigen Liedern hängte er sich auch eine Militärtrommel vor den Bauch und rührte diese gar heftig, sehr zum Entzücken etlicher anwesender Neofolk-Anhänger. Den Hauptrhythmus gab allerdings Klive an, der vorwiegend Schlaginstrumente bediente, die wohl eher als Pauken, denn als Trommeln zu bezeichnen waren. Zwei davon hatten einen Durchmesser von bestimmt einem Meter. Die Schläge dieser Pauken gingen denn auch durch Mark und Bein und erzeugten zusammen mit den anderen Trommeln und der elektronischen Untermalung von Nigel oft fast hypnotische Rhythmen, denen sich kaum einer der Gäste entziehen konnte. Manche begannen richtig zu tanzen und selbst die anwesenden Neofolker, die sonst eher stoisch mit verschränkten Armen umherstehen, konnten sich der eingängigen Rhythmen nicht erwehren und begannen vielfach deutlich mitzuwippen. Das Publikum wirkte geradezu euphorisiert, dankte der Band nach jedem Lied nicht nur mit Applaus, sondern auch mit lauten Jubelrufen. Einige Stücke waren rein instrumental, andere brachten die wunderbare, helle Stimme von Sängerin Dolores zur Geltung oder aber einer der Humberstones sang oder sprach Texte.
ITN bot in anderthalb Stunden ein sehr abwechslungsreiches Konzert mit vielen alten Hits, bei denen einige Fans schon nach dem ersten Synthie-Akkord aufjauchzten und mit einigen Stücken vom neuen Album "Praxis". Kurios an ITN: Es gibt wohl nur wenige Gruppen, die nach über 20jähriger erfolgreicher (!) Bandgeschichte ihre Technik nach dem Konzert noch selbst abbauen. Hut ab!
Während die Musik auf ITN´s Alben meist eher ruhig daher tönt, wirkte live alles viel lebendiger und intensiver, hauptsächlich sicher durch den massiven Einsatz der Schlaginstrumente. Im Kopf bleibt ein besonderes, eindrucksvolles Konzert, dessen Musik sich schwer kategorisieren lässt, daher soll ein dahingehender Versuch hier unterbleiben. Am besten ist doch immer selber anhören, ITN sind auch auf CD gut: sanfte, atmosphärische Elektronik, ein paar Trommeln und viel Pathos.

Cornelius C. Brachial

 

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