Wissmut, Die Art, Freunde der italienischen Oper
Gare de la Lune Dresden, Samstag 17. April 2004

Es sollte ein schöner Abend werden, die Feier zum 40. Geburtstag von Ray van Zeschau, seines Zeichens Frontmann der Nachwende-Kult-Formation FREUNDE DER ITALIENISCHEN OPER. Als musikalische Gratulanten eingeladen waren die Leipziger Düsterhüte um Makarios, besser bekannt unter dem Namen DIE ART oder mittlerweile WISSMUT. Erstere hatten sich nach ihren offiziösen Auflösung erneut reuniert, um im zweiten Teil des gedrittelten Abends ihre alten Hits zum Besten zu geben. Beginnen sollten jedoch WISSMUT, die im schon gut gefüllten Ballsaal Gare de la Lune ihre fluffig-poppigen Weisen präsentierten. Wirklich aufregend war das nicht, setzen die Leipziger hier doch ihren erfolgreichen Weg mit nur geringfügig veränderten Mitteln fort.

Einzig die Ausstrahlung von Frontmann Makarios ist wirklich als herausragend zu bezeichnen und er rettete den Auftritt der Band vor dem Abgleiten ins Belanglose. Hatte ich mir zwei Monate zuvor fast ein Loch in den Bauch gefreut über das Widersehen mit den Helden meiner wilden Jugend, so blieb diesmal ein eher schaler Geschmack zurück. Im Winkel der objektiven Betrachtung kann die WISSMUT zwar nett unterhalten, jedoch mit ihrem freundlich-melancholischen Gitarrenpop keine Berge versetzen. Auch der anschließende Auftritt als DIE ART, der sich musikalisch unspektakulär als

Potpourri "Unserer größten Erfolge" gab, sorgte bei mir für keine emotionale Erregung. Wo waren Glanzstücke des Schaffens wie "Die Herde" oder "Slow Poison". Stattdessen mal wieder "I Love You Mary Ann", "Sie sagte" und "My Colour Is Black". Keine schlechten Songs aber schon tausendmal gehört. Das waren dann doch eher Trockenblumen als ein Strauss farbenfroher Frühblüher. Den meisten Anwesenden war das jedoch egal. Wer genug Platz hatte, hüpfte freudig erregt im Takte. Da das Gare de la Lune nahe an bewohnten Immobilien steht, konnte während des eigentlichen Konzertes kein Fenster geöffnet werden, sehr zum Nachteil der Atemwege. So nutzten viele Anwesende die Pausen, um sich vor der Tür die Beine zu vertreten und ein paar Sauerstoffmoleküle zu erhaschen. Hungrige Zeitgenossen konnten sich bei einem lecker zubereiteten, kostenlosen(!) Spaghetti-Buffet für ihren nächsten Einsatz an der Tanzfront stärken.
Während die Leipziger Fraktion eher wenig Freude bei mir auslöste, konnten DIE FREUNDE DER ITALIENISCHEN OPER auf voller Linie überzeugen. Kurz nach der Wende aufgelöst, waren sie über die letzten Jahre in der Versenkung verschwunden, die einzelnen Musiker widmeten sich anderen Projekten. Zum einen mag es an diesem Entzug gelegen haben, dass FDIO nicht langweilten, ihre Stücke nicht verbraucht wirkten. Zum anderen zeigte sich auch die kompositorische Klasse der komplexen Songs, einer wilden Mixtur aus Rock'n'Roll, Country, Bänkelgesang und Velvet Underground-Krach, die selbst nach über zehn Jahren im Archiv nichts an Frische verloren haben. Den zentralen Bezugspunkt auf der Bühne bildete Jubilar Ray van Zeschau selbst, der mit theatralischer Gestik und Mimik die Wirkung seiner Oper erprobten Stimmbandeskapaden verstärkte. Die Luft erhitzte sich bis fast zum Siedepunkt, doch das schon ein wenig angegraute Publikum lauschte ehrfürchtig oder hüpfte sich im kollektiven Rausch die Seele aus dem Leibe. Schweißnasse aber glückliche Menschen waren das Ergebnis einer guten Stunde feinster (N)Ostalgie im hoffnungslos überfüllten Gare de la Lune. Manche hatten gar Tränen in den Augen, hatten sie doch nicht daran geglaubt, Abende wie diesen jemals wieder erleben zu dürfen. Danke an Ray und seine Mannen und noch mal nachträglich "Happy Birthday"!

Bild vom Abend gibt es auf der Website der Band www.freunde-der-italienischen-oper.de

 

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