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Elektroanschlag
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Samstag 3. April 2004, Kanonenhaus Altenburg
Altenburg,
die Stadt der Spielkarten war am 3. April das Ziel vieler Liebhaber der
rhythmischen Krachmusik und so auch das meinige. Die Fahrt über Land,
wenn auch ein wenig beschwerlich, zeigte mir deutlich, wie schön meine
Heimat ist. So kam ich entspannt, wenn auch nach einigen Umwegen (Beschilderung
3-) kurz nach Beginn des ersten Gigs am Zielpunkt an. Einmal in Altenburg
gelang es mir sofort anhand der Wegbeschreibung im Internet und mit etwas
Glück fündig zu werden. Dass ich dann meinen Autoschlüssel hinter verriegelter
Fahrzeugtür wiederfand, versaute mir den ersten Teil des Abends gewaltig.
Nach fachkundiger Befreiung des Delinquenten durch den ADAC konnte ich
knapp zwei Stunden später, entspannt in die Zukunft schauen. Man verzeihe
mir also, dass ich den ersten Projekten nicht meine ungeteilte Aufmerksamkeit
widmen konnte.
Kommen
wir aber zum Hauptanliegen des Abends - zum Vortrag der Krachmusik: Den
Reigen eröffneten POLARLICHT 4.1 aus Chemnitz mit ihrem Ant Zen-
und Hands-kompatiblem Rhythmusindustrial. Handwerklich solide, doch ohne
große Überraschungen ging das Set seinen gewohnten (d.h. in diesen Kreisen
üblichen) Gang: Zwei Herren hinter der Technik, einer normal gekleidet
(das eigentliche Polarlicht) und ein Gasmaskenträger schraubten an ihren
Geräten herum. Beim Hit "Klangrausch" mutierte die Gasmaske dann völlig
unerwartet sogar zur Tanzmaus. Sehr hübsche Idee, die hoffentlich eine
Art Augenzwinkern beinhaltete. Man hätte nämlich auch drüber lachen können.
Nicht zum Lachen sondern hocherotisch war dagegen die Fummeleinlage zweier
junger Damen. Was das mit der Musik zu tun hatte, blieb mir zwar verborgen
aber daheim mit Bierbüchse und Taschentuch in der Hand hätte ich mir das
sicher gern angeschaut. Mal im Ernst: Industrial-Gogos sind schon ein
ziemlicher Schwachsinn. Dann lieber Folter- und Kriegsbilder. Zum Wichsen
ziehe ich das heimische Sofa und die damit einhergehende Intimität vor…
Nach Polarlicht 4.1 betraten HIOCTAN die Bühne. Wie der Name schon
andeutet, handelte es sich dabei um hochenergetische Electronic Body Music
im Stile alter Helden wie Yelworc. (Die Meinungen zu etwaigen Referenzen
gingen im Fachpublikum weit auseinander.) Auch wenn die zwei Jungs ihre
Sache recht gut machten, muss ich zugeben, dass ich mir nur zwei Lieder
von ihrem Auftritt zumuten konnte. Dieser Spielart von elektronischer
Musik - mit ihren Machoposen und ihren inhaltlichen und ästhetischen Klischees
- kann ich genauso wenig abgewinnen, wie ihrem Gitarrenpendant Heavy Metal.
Natürlich gibt es vereinzelt gute Titel, die Masse ist jedoch nicht die
Zeit wert, sich damit zu beschäftigen. Sorry liebe EBMler aber das musste
mal gesagt werden!
Zum Genuss des nächsten Konzertes machte sich ein (bescheidener) Ortswechsel
nötig. In einem "Nebengelass" durften sich die Dresdner HEIMSTATT &
YIPOTASH auf kleiner Bühne verausgaben. Auch wenn sie sich im thematisch
eher eng gesteckten Rahmen des Genres bewegten, muss man den Jungs Eigenständigkeit
und interessante Ideen bescheinigen. Da wird mit viel Liebe zum Detail
gefrickelt, was die Sache um einiges spannender macht. Beide Herren zeigten
sich hochkonzentriert und wussten ihre Energie sowohl über das ganze Set
zu halten als auch auf das Publikum zu übertragen. Szene-Altmeister PAL
tanzte ordentlich dazu - ein besseres Gütesiegel im Rhythm Industrial
ist derzeit nicht zu haben ;-). [Am 9. Mai sind die beiden übrigens beim
Sunday Chill Out in Katys Garage zu erleben.]
Weiter ging es wieder auf der großen Bühne, diesmal mit SYNAPSCAPE.
Ihre Variante des allgegenwärtigen Rhythmusindustrial ist eher technoider
Natur, sehr funktional und genau auf den Punkt. Das Publikum wusste das
zu honorieren und tanzte ordentlich ab, wie sich das bei solch einer Veranstaltung
gehört. Persönlich hatte ich recht schnell meine Sättigungsgrenze erreicht
und ich verließ den Raum, um ein wenig im Backstage abzuhängen.
Nach reichlich überlangem Synapscape-Konzert durften dann endlich mit
einer Stunde Verspätung SOULCRIPPLE die (kleine) Bühne betreten.
Dort wurde es zwischenzeitlich etwas eng, denn schließlich haben sich
mittlerweile alle Geraer Projekte zu einer Art Allstars-Riege gemausert.
So standen neben dem eigentlichen Soulcripple-Macher Ronny die Herren
Marcel (Dresden 45), Thomas (Human Destructur) und Andreas (Seraphim)
an Mikrophon und Technik. Dem zwischen Industrial und Ambient angesiedelten
Sound tat das gut, wird er doch vor allem in der Live-Präsentation dadurch
wesentlich abwechslungsreicher. Besonders die mit Inbrunst vorgetragenen
vokalen Einlagen wussten zu begeistern. Persönlich gefiel mir das Geschrei
besser als der Versuch, klar zu singen. Ist aber sicher Geschmackssache.
Nach einer knappen halben Stunde mussten die Geraer dann leider das Feld
räumen, da der Veranstalter den Hauptact - Dive - auf der Bühne sehen
wollte. Schade eigentlich, denn der Soulcripple-Auftritt war meines Erachtens
der beeindruckendste des Festivals. Einziger Kritikpunkt: die zu langen
Pausen zwischen den Stücken. Ein wenig mehr Live-Erfahrung sollte hier
Abhilfe schaffen.
Reichlich Bühnenerfahrung hat Dirk Ivens aka DIVE vorzuweisen.
Der Meister verzichtete dankenswerterweise auf verklemmtes Gehampel hinter
elektronischem Equipment und bewegte sich ausgiebig. Dabei zeigte sich
mal wieder, dass ein Großteil der Projekte genau am Fehlen der Präsenz
eines Dirk Ivens krankt. Ohne große Verzögerung nahm das Publikum die
Energie auf, die ihm da von der Bühne herabgeschleudert wurde und tanzte
ausgiebig zu Weisen aus den verschiedensten Schaffensperioden des Belgiers.
Besonders bei "Snakedressed" brodelte der Saal. Ein sehr gelungener Abschluss
für einen interessanten Abend.
Noch
ein paar Worte zum "Drumherum" des Electroanschlages". Das Kanonenhaus
in Altenburg zeigte sich als sehr angenehme Location. Der Gang um das
Haus herum hatte etwas Anheimelndes und hielt die sonst üblichen lästigen
Vor-der-Tür-Parker fern. Die Unterteilung in zwei bespielte Räume sorgte
für einen reibungslosen Ablauf und mäßige Wartezeiten. Das "Personal"
war freundlich und völlig stressfrei - auch eine Sache, die man heutzutage
erwähnen muss. Die Preise an den Bars hätten etwas niedriger sein können,
waren aber alles in allem OK. Der Backstage-Bereich war sehr angenehm
eingerichtet und die Künstler wurden reichhaltig versorgt. Insgesamt also
ein dickes Plus für die Organisation. Ich denke, ich war nicht das letzte
Mal in Altenburg.
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