Ironflame-Festival
Sonnabend 26. Juni 2004, Safe Club, Berlin

Der Name IRON FLAME ist hierzulande allen ein Begriff, die sich für Industrial interessieren. Die Plattform ist zu einem der wichtigsten Umschlagpunkte im world wide web für szenerelevante Informationen geworden. So scheint es fast natürlich, dass die Macher von IRON FLAME selbst einmal ein Konzert auf die Beine stellen. Mit gleich sieben Bands bzw. Projekten bot der Abend in Berlin ein breites Spektrum an Krachmusik und Verwandtem. Die Lokalität war en wenig seltsam (normalerweise feiern hier Black Music Freaks) aber nichts desto weniger sehr angenehm, direkt am Spreeufer gelegen. Die Befüllung der Räumlichkeiten hielt sich in erträglichen Grenzen, das Bier war nicht zu teuer - einem angenehmen Abend stand nichts im Wege.
Los ging es mit ein wenig Verspätung aber nicht zu spät mit SCHLOSS TEGAL. Richard Schneider präsentierte wie gewohnt seine dunklen Klanglandschaften gut verborgen hinter seiner undurchsichtigen Sonnenbrille. Passend zu ultradüsteren und sehr langsamen Sound gab es wunderbare Bilder aus dem All, von Zellen und anderes wissenschaftlich anmutendes. Lustig dabei ist immer mit anzusehen, dass Schneider im Kopf offensichtlich immer viel schneller ist, als seine Musik, anders ist sein reinsteigern in die eher unspektakulär hintergründigen Sounds kaum zu erklären.
SETI zeigten sich dann optisch zwar recht ähnlich, musikalisch jedoch wesentlich abstrakter. Auch der Mann hinter Projekt und Laptop verstärkte noch diesen Eindruck. Sehr kühl und überlegt, halt wie ein Mathematiker schraubte er die Stücke zusammen. Das Ergebnis war dabei eine Frickelelektronik, die eine gute Balance zwischen verkopften und nachvollziehbaren Strukturen hielt. Insgesamt sehr spannend.
C.O. CASPAR hatte allein schon deswegen einen Bonus gut, weil er mit den Industrial typischen Insignien die Bühne betrat. Das Charakteristische seiner Stücke bestand vor allen in der Manipulation organischer Sounds, die er den selbstgebauten Instrumenten entlockte. Auch die Maskierung und die Verdopplung seiner Person durch die Großprojektion gaben dem Auftritt einen zusätzlichen Reiz. Als CASPAR sich dann am Ende seiner Kostümierung entledigt hatte, zeigte sich dem Publikum ein ca. 60-Jähriger Mann, der die viel jüngeren Anwesenden ohne Probleme in seinen Bann ziehen konnte. Sehr beeindruckend und eine Hoffnung, dass man auch in Würde älter werden kann.
Von Gerechtigkeitsliga entging mir ein Großteil des Sets, da ich meine Frau nach Hause brachte. Soweit mir das Ganze in Erinnerung geblieben ist, setzte sich die Musik aus ambienten elektronischen Strukturen mit zahlreichen Samples, Live-Drumming und Gesang zusammen. So recht hingerissen war ich nicht davon. Bei meiner Wiederkehr stellte ich fest, dass ich Forseti völlig verpasst hatte und das war gut so.
Also musste ich nur noch BEARER OF THE INMOST SUN ertragen, bevor ich das eigentliche Highlight des Abends erleben konnte. Wider erwarten stellten sich die Österreicher trotz typischem Gebirgsjägeroutfit und martialischen Gehabe musikalisch nicht als allzu belanglos heraus. Ihre irgendwo zwischen Cold Meat Industry und Blood Axis angesiedelten Songs zogen souverän ihre Bahn und wirkten nicht peinlich, wie bei manch anderen Heroen der Neofolk-Bewegung. Das im Hintergrund laufende Video gab reichlich Gelegenheit zur Diskussion, war doch für einige Sekunden eine riesige Hakenkreuzfahne zu sehen, die in einen Stern der amerikanischen Flagge mutierte. Im Anschluss an die Konzerte konnte ich mich noch mit den Künstlern ein wenig unterhalten und sie erwiesen sich als ziemlich lustige und sehr nette Zeitgenossen, die mir in breitem Ösi-Dialekt erklärten, dass sie sich ihr Video von der Staatsmacht hatten absegnen lassen. Alles halb so schlimm also.
Highlight des Abends waren die Niederländer CLUB MORAL. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich bis vor kurzem noch nichts über sie wusste und somit einigermaßen unvorbereitet und unvoreingenommen ihrer Musik lauschen konnte. Wirklich eingängig ist die nicht. Vielmehr irgendwo eine Mischung aus Punk und Avantgarde mit dicker elektronischer Basis. Vielleicht sollte man das Ganze der Einfachheit halber als Noise bezeichnen, obwohl noch genügend Strukturen erkennbar sind. Sänger DDV war Dreh- und Angelpunkt des Geschehens auf der Bühne und rastete bei einigen Titeln ordentlich aus. Zwischendurch kam es sogar zu wilden Pogotänzen der Anwesenden, die dann noch einmal bei der Zugabe, einem Cover von The Normals "Warm Leatherette", aufflammten. Dann war leider Schluss und ein sehr schöner Abend zu Ende.

Fazit:
Auch wenn es am Anfang gar nicht so aussah, lief das Festival ohne größere Reibungen ab und wird auf jeden Fall auf meiner persönlichen Hitliste in diesem Jahr ganz oben rangieren.

Schlussbemerkung:
Lustig aus meiner Sicht war das anfängliche Abchecken der Szenegänger untereinander. Wie schon aus der Gruftiszene bekannt, wurde auch hier eine seltsame Mischung aus Arroganz und Rühr-mich-nicht-an-Verletzlichkeit zur Schau getragen, die sich zum Glück aber im Laufe des Abends verflüchtigte.
  

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