Götterdämmerung III - Der Blutharsch und Scivias live in Sachsen
von (CB)

"Am 30.3. Nazikonzert". Mit diesem Graffito und einigen Flugblättern hatte die Antifa den ursprünglich geplanten Veranstaltungsort dekoriert, knapp zwei Wochen vor dem Konzerttermin. Die Chemnitzer "Freie Presse" berichtete dann noch über den Blutharsch, die "Musikgruppe mit O-Tönen aus dem Dritten Reich". Da wurde es der Inhaberin des Gasthofs in Claußnitz bei Chemnitz dann doch zu brenzlig: "Das Konzert fällt aus" verkündete sie. Denkste! "Wir kapitulieren niemals", nennt sich die blutharscheigene Plattenfirma. Dem fühlten sich die Dresdner Konzertveranstalter LAS wohl sehr verpflichtet. Sie suchten und fanden schnell einen neuen Veranstaltungsort. Dieser wurde allerdings erst am Konzerttag veröffentlicht. Nun hieß es also auf nach Marbach bei Nossen in die "Starlight-Disco" im Gasthof "Zum Goldenen Anker". Nachdem ich heil an den vier Security-Riesen am Einlass vorbei gekommen war, betrat ich neugierig den Konzertsaal und - konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Die Wände waren ein knallbuntes Durcheinander von Graffitis und meterhohen Porträtmalereien, eine sollte wohl Mick Jagger darstellen. Die Decke war stilvoll als Sternenhimmel bepinselt. Nicht gerade eine typische Neofolk-Walhalla also.
Mit der Zeit gewöhnten sich die Augen allerdings an diese Belastung. Allmählich füllte sich nun der Saal mit circa 200 Leuten. Unter den Gästen waren übrigens auch der alte und der neue Chef des Gotiktreffens. Da drängt sich fast die Frage auf: Spielt Der Blutharsch demnächst dann in der Agra-Messehalle? Passend zum Titel des Konzertabends "Götterdämmerung" donnerten nun Wagnerklänge aus den Boxen bis die ersten Musiker die Bühne betraten. Lebenslicht/Gegentum, die den Abend eröffneten, waren wohl ein Verlegenheitsersatz für Allerseelen, die ursprünglich als dritte Band im Gespräch waren. Christian Kapke, Chef von Lichttaufe.de, griff dabei für zwei Lieder in die Akustiksaiten und zeigte dabei einen netten, unprofessionellen Charme. Jana Hofmann schaffte sich am E-Piano. Ihr leidenschaftlicher Gesang und ihre lyrischen Texte erinnerten leicht an Balladen von L'ame immortelle - der Applaus der Neofolker war entsprechend dürftig aber höflich.
Scivias kam mit einem recht neofolkuntypischen Instrumentarium auf die Bühne: zwei Keyboards, eine Baßgitarre und eine Geige. Entsprechend neofolkuntypisch war dann auch das Konzert: wenig melodiös, sehr experimentell, mitunter fast minimalistisch. Scivias brachte ausschließlich bisher unveröffentlichtes Material, aber wie gewohnt mit Texten in der Muttersprache ungarisch. Diese klingt zwar interessant, senkt aber den Verständlichkeitsgrad der Texte bei den meisten Hörern auf null. Konzeptmusik, wie sie Scivias ja macht, ist so natürlich schwer zu vermitteln. Entsprechend lichteten sich die Reihen vor der Bühne im Verlauf des Konzerts zusehends. Da gingen viele wohl lieber erstmal einen trinken oder draußen mal den vollbesetzten Sixpacks winken, die aller paar Minuten die Dorfstraße vor dem Gasthof hoch und runter holperten.
Allmählich wurden die Reihen vor der Bühne wieder dichter. Hinter dem schwarzen Bühnenvorhang hat sich inzwischen Der Blutharsch aufgebaut. Der Vorhang tut sich auf und - es bietet sich ein martialischer und leicht bedrohlicher Anblick: links auf der Bühne die Sängerin - grauer, dreiviertellanger Rock, schwarzes Hemd mit Blutharschzeichen (Eisernes Kreuz, umrankt von Eichenlaub; früher Sig-Rune, war dann aber wohl doch etwas zu heikel), schwarzes Käppi auf einem Kopf mit sehr schönem Gesicht und schwarzen (!) Haaren; rechts auf der Bühne Albin Julius - frisch gescheitelt, schwarzes Hemd mit Eisernem Kreuz, Armyhose mit Pistolentasche am Gürtel; in der Mitte im Hintergrund: ein Trommler - ebenfalls akkurat gescheitelt. Ich habe zwar nur einen unordentlichen Mittelscheitel und schulterlange Zottelhaare. Trotzdem kommt niemand um mich sofort aus dem Saal zu schleifen - Schwein gehabt. Also gucke ich weiter, was auf der Bühne passiert. Herr und Frau Blutharsch recken jeweils eine Fackel mit ausgestrecktem Arm gen Sternenhimmel (Saaldecke). Dazu donnert ein eingängiges Intro. Es folgt ein unverändertes Stück von Albins Vorgänger-Band "The Moon Lay Hidden Beneath A Cloud". Dieses war dann auch symptomatisch für den Rest des Konzerts. Vieles ähnelte vom Stil her TMLHBAC. Sogar die Stimme der Sängerin erinnerte etwas an Elisabeth Amann. Daher läßt sich zur Musik zusammenfassend sagen: Wenn auch bis auf Gesang und Trommelei alles vom Band kam, so klang es doch genial: bombastisch, rhythmisch, furios. Militäry-Pop vom Feinsten. Die Texte waren allerdings meist nicht zu verstehen - zum Glück. Die einzigen Refrains, die ich verstanden habe, waren nämlich "Shoulder to Shoulder, Fist to Fist", "Patria et Libertas" und "Vaaaterlaaand". Es ist ja in Ordnung, wenn man von seiner Heimat begeistert ist - Österreich ist ja auch ein schönes Ländle. Ich stehe trotzdem auf Texte mit etwas mehr Tiefgang und etwas weniger Patriotismus.

Fazit: Der Blutharsch war insgesamt eine schwerverdauliche Kost. War der Klang auch ein Genuß, so stößt doch manches unangenehm auf: Die Verbindung von Nazi-Ästhetik, platten Patriotentexten und den Leuten in den ersten Reihen vor der Bühne nämlich. Die kann man sicherlich am 06.04. bei der NPD-Demo in Leipzig marschieren sehen. Da werde ich auch mitgehen, allerdings in die entgegengesetzte Richtung...

 

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