Sie verlassen die normale Welt!

Auch ein alter Besen Kerth gut...

I've got the blues!

Sägeperformance

Spiel & Spaß für alle...

Heu Chill Out

Marracash Superstar(s)

Reggae schützt vor Regen.

Freie Liebe im Hippy Milieu

Sound mit System

Dub Dub Dub Dub

After the Show

Goa @ night

Insulin @ work 1.

Insulin @ work 2

Zeltmugge

Goa am Sonntag(morgen)

Flower Power Festival Freiberg (29. bis 31. Juli 2005)

Was soll man sich unter einem Flower Power-Festival knapp vierzig Jahre nach der Hochzeit der Hippie-Bewegung vorstellen? In einigen Augenblicken - z.B. beim Auftritt der unsäglichen Doors-Cover-Band "Backdoor" - ließ der typische Oldie-das-war-unsere-Zeit-Verwesungsgeruch das Schlimmste erwarten. Zum Glück gab es da noch allerhand andere Programmpunkte, wie den in Ehren ergrauten Alt-Blueser Jürgen Kerth oder das Crossover-Feuerwerk des First Marracash World Session Orchestra.

Freitag und Sonntag des Festivals musste ich leider sausen lassen, deshalb hier nur ein paar Anmerkungen zur Sonnabend. Dass ich den Eröffnungstag nicht miterleben durfte, stellte sich im Nachhinein als Glücksfall heraus. Das in einem Kessel gelegene Festivalgelände wurde noch vor dem Gig der Hauptband von einem Unwetter aufgemischt. Bauzäune flogen durch die Gegend, Pavillons ergaben sich den Wind- und Wasser-Gewalten, ganze Zelte verabschiedeten sich auf Nimmerwiedersehen. Ein Wunder, das niemand verletzt wurde und andererseits ein "schöner" Beweis dafür, dass wir Mutter Natur etwas pfleglicher behandeln sollten, denn gegen ihren Willen kommen wir nicht weit.

Genug philosophiert, kommen wir zurück zum Fest und damit zum Samstag. Ich traf gegen 15 Uhr ein und erlebte somit noch die letzten Stücke von Opium Theatre mit. Viel mehr als nett dazu zu sagen, fällt mir nicht ein, das Gleiche gilt für Chervil. Während die einen eher 60ies-lastige Musik mit Hammond-Orgel-Quälereien von sich gaben, konnten die anderen mit poppigen Melodien und ausdrucksstarken weiblichen Gesang überzeugen - oder halt nicht. Aus meiner unbescheidenen Sicht wenig be-merken-swert.
Jürgen Kerth dagegen zeigte deutlich, was knapp 40 Jahre Bühnenerfahrung ausmachen. Vom Hocker haute mich auch sein Set nicht, denn ich verbinde absolut nichts mit dieser Musik. Den Altrockern in den ersten Reihen ging es offensichtlich anders. So richtig Stimmung mit Tanzen und so kam erst beim First Marracash World Session Orchestra auf. Die Dresdner Combo pflegt einen ganz eigenen und dazu noch humorvollen Misch-Masch-Stil, der Reggae, Dancehall, Hip Hop und Balkan Beats auf seltsam begeisternde Weise miteinander verbindet und die Massen zwangsläufig in Zuckungen versetzt. Zudem ist die Truppe noch mit einem charismatischen Frontmann gesegnet, der sich selbst und die üblichen Musikbiz-Klischees auf die Schippe nimmt und das Publikum ordentlich anheizt. So werden z.B. ein russischer Schmachtfetzen mit stilechten Black Metal-Passagen aufgebohrt oder der typische karibische Englisch-Akzent veralbert.

Nach diesem ersten Höhepunkt folgten die Stones-Coverer "Tumbling Dice", die mir wieder einmal zeigten, dass ich trotz meiner Abneigung gegen die Rock'n'Roll-Urgesteine ihre Musik nicht vollständig verdammen kann. Spätestens bei "Gimme Shelter" nusste ich mitsingen, bei "Painted Black" gab es dann kein Halten mehr, um dann später bei "Wild Horses" wieder sentimental zu schmachten. Der Sänger machte seine Rolle als Mick Jagger-Ersatz deutlich Spaß und er kopierte die Posen des britischen Breitmaulfrosches bis zur Perfektion. Da kann der Chef dann wohl endlich doch in Rente gehen… Zu Backdoor weigere ich mich allzu viel zu sagen. Für deren Grauen erregende Interpretationen der von mir innig geliebten Doors-Songs gibt es einen Abo-Liegeplatz auf dem Zentralfriedhof von Freiberg fernab von Père-Lachaise.

Headliner des Abends waren Overproof Soundsystem feat. Rockers Hifi, ein Quintett aus Brighton, das sehr energetischen Dancehall auf die Bühne brachte. Nun beschränkt sich mein Wissen in dieser Musikrichtung auf wenige Eindrücke und ich kann mir nicht erlauben, hier ein Qualitätsurteil abzugeben. Ein Freund mit mehr Kennung fand das Ganze z.B. ziemlich fad, von den drei Sängern attestierte er nur einem Können und auch so regte ihn die "Backline", die aus einem Alibi-Trommler und einem Labtop-Artisten bestand, nur auf. Mir hat's trotzdem gefallen und ich fühlte mich sogar zum Tanzen animiert. Wahrscheinlich lag's an der Blütenkraft. Ganz lustig war auf jeden Fall die Kraftwerk-Coverversion von "The Model".

 

Was sich im vorliegenden Bericht wie ein straffes Festival liest, war eigentlich nur ein Teil vom Ganzen - namentlich das Geschehen auf der "Main Stage". Die unweit davon entfernte Goa-Stage lockte mit elektronischen Klängen. Ganz nach dem City Bank-Motto: "The city that never sleeps" ging es hier rund um die Uhr zur Sache und ich fand mich gelegentlich hier ein, wenn die anderen Attraktionen an Reiz verloren. Zum Set der Dresdner Insulin-Crew fühlte ich mich sogar zum Tanzen animiert; ein positiver Nebeneffekt war, dass die klitschnasse Kleidung schneller am Körper trocknete. Achja, das Wetter. Das war nur mit einem Wort wirklich treffend zu beschreiben: Scheiße! Ein kleiner Regen - kein Problem. Leider hatte Petrus zwischendurch den Hahn auf Dauerbetrieb gestellt und das Gelände drohte, sich in eine einzige Matschwüste zu verwandeln. Trotz dieser Widrigkeiten ließen sich die Fans vor der Hauptbühne und beim Goa nicht stören.

Die Freunde des Reggaes hatten es da wesentlich einfacher, denn ihnen zugeordnet war ein Zelt. Während der heißen Nachmittagsstunden lungerten hier nur einige wenige Gestalten auf den Matratzen rum, abends war die Hütte witterungsbedingt rappelvoll. Zu späterer Stunde fand ich mich hier auch ein und bewegte meinen Hintern zu den "Tunes" von … keine Ahnung. Auf jeden Fall war's geil, auch wenn ich jetzt kein Rasta Man werde (was mit meinen dünnen Haaren wohl eher ein klägliches Bild abgäbe). Apropos Kleider-Ordnung und Haartracht: Da war so ziemlich alles vertreten, was vorstellbar ist, vom Stino über den Altrocker, einige Grufts bis hin zu Flower Power-grelle-Farben-Schockern. Geschmack ist halt immer Geschmackssache, jedenfalls konnte man hier kaum negativ auffallen.

 

Neben den bereits erwähnten gab es auf dem Gelände zwei weitere Bühnen - eine für "Mucker" eine für "Kunst". Auf erster "Stage", die eigentlich nur ein Zelt war, wohnte ich der Session einer Band bei, die leider gerade im Begriff war, aufzugeben. Nach drei Stücken verließ der Gitarrist entnervt den Ort des Geschehens - offensichtlich hatten sich die Jungs schon eine ganze Weile gequält und der junge Mann war einfach nur fertig. Die Quasi-Proberaum-Atmosphäre war auf jeden Fall sehr angenehm und das Ganze somit eine gute Idee und die Möglichkeit für Nachwüchsler, sich auch mal vor kritischem Publikum auszutesten. Auf der Kunst-Bühne, die hier "ArtStage" hieß, durfte ich zwei Vorstellungen verfolgen. Zum einen schnitzten zu Schlagzeugimprovisationen zwei "Waldarbeiter" aus einem Baumstamm einen weiblichen Torso. Da das Ganze vermittels Kettensägen und Äxten geschah und die bekifften Hippieeltern zusahen, wie ihre Kinder sich während der Performance die Sägespäne von der Bühne klaubten, musste ich gehen, um nicht auszurasten. Man mag mich für spießig halten, aber der Gesetzgeber hat nicht umsonst eine Aufsichtspflicht der Erwachsenen über ihre Sprösslinge verfügt. Zu späterer Stunde kehrte ich an den Ort des Grauens zurück, um den Theaterstück "Die Ehebrecherin" zu folgen - eine sehr kluge Entscheidung, wie sich herausstellte, denn das Dargebotene war für mich das absolute Highlight des Festivals. Auf witzig-ironische Weise und wahrhaft kunstfertig wurde die Geschichte von der Abschaffung der Ehe zu Zeiten Jesu dargestellt. Die häufigen Wendungen führten zu manch herzhaftem Lacher und erhielten dem Stück die Spannung bis zum Grande Finale, bei dem die "freie Liebe im Hippiemilieu" gefeiert wurde. Kaum zu glauben, dass die Truppe das Stück extra für das Flower Power Festival geschrieben und einstudiert hat. Mit nur vier Proben - wie mir eine Mitwirkende versicherte - gelang es den ca. zehn Mitwirkenden das technisch anspruchsvolle Lustspiel nahezu perfekt aufzuführen. Ich war begeistert!

Nachdem ich meinen Rausch vom Vortag im Auto ausgeschlafen hatte, begab ich mich mit einem Freund zum Frühstück in die Tankstelle (ein geschäftstüchtiger Standbetreiber hätte zu dieser Zeit sicher einiges Geld verdienen können) um dann noch deutlich vor der Mittagsstunde gen Heimat aufzubrechen. Die Klamotten schlammverschmiert und stinkend, hatte ich keine Lust mehr, die Highlights des Tages abzuwarten. Auch wenn ich nur einen kleinen Ausschnitt mitbekommen habe, so muss ich doch sagen, dass das Festival den Trip in die Silberstadt wert war. Im nächsten Jahr werde ich sicher länger meine Zelte hier aufschlagen und mich ausgiebig bei Spiel, Tee und Räucherstäbchenduft von der Trübnis der Schwarzen Szene kurieren. In diesem Sinne: Ewige Blumenkraft!

 

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