Column One + Audiokollektiv
AZ Conni Dresden, Freitag 22.Februar 2002

Das böse, weil linksradikale AZ Conni ist immer einen Besuch wert. Besonders wenn Veranstaltungen von Markus Köhring auf dem Programm stehen. Selbiger hatte sich zu seinem Geburtstag ein Konzert der Reihe "der andere ton (d.a.t.)" zum Geschenk gemacht. Gratulanten waren das Dresdner "Audiokollektiv" und die Berliner Ausnahmeformation "Column One" um Robert Schalinski und Rene Lamp. Die besten Voraussetzungen also für ein ungewöhnliches Konzerterlebnis.
Der erste Eindruck beim Betreten des Konzertraumes war der, man habe sich in ein Kino verirrt: vier Stuhlreihen waren aufgebaut, vor der Bühne hing eine Leinwand. Die zahlreich erschienene Kundschaft setzte sich pflichtgemäß darnieder und starrte auf letztere, ohne, dass sich dort etwas tat. Nach einiger Zeit wurde die Musik etwas lauter - eine wunderbare Ambient/Industrial/Techno-Mischung schallte durch den Raum. Nach einer dreiviertel Stunde eine Pause: "Das waren Audiokollektiv aus Dresden". Oh, irgendwas verpasst? Die Dresdner Jungs hatten im Rücken eines Großteils des Publikums erfolgreich gefrickelt und ich hab's nicht gemerkt. Peinlich für mich. Lob jedoch für Audiokollektiv: Nach dem letzten etwas lauen Konzert in der Alten Feuerwache Loschwitz war das ein deutlicher Qualitätssprung.

Nach einer kurzen Pause folgte Teil 2 des Abends: Ein von Column One geschaffener Film. Beschreiben lässt sich selbiger am besten als recycletes Werbungs-MTv-Fastfood. Ähnlich wie Warhol aus einer Suppendose Kunst gemacht hat, gelingt es Column One die bis zum Erbrechen wiederholten Botschaften und Medienbilder mittels genialem Schnitt und Neukombination zu decodieren und zu entlarven. "Never Stop Thinking" (Siemens) und ähnliche Heilsideen bekommen so eine völlig neue Bedeutung. Die avantgardistisch-technoide Untermalung entsteht dabei nicht nebenher sondern durch die 1:1-Übernahme der entsprechenden Tonspur. Wer schon einmal in Cut & Paste-Technik z.B. via Samplitude oder ähnlichen Programmen einen einzelnen Beat freigestellt hat, der weiß, was das für eine Arbeit ist. Einen mehr als halbstündigen Film mit überirdischer Bilderflut und nicht minder großartiger Musik, ganz ohne Brüche zu füllen, nötigt einfach nur Respekt ab. Fantastisch!
Das eigentliche Konzert konnte nach diesem Film kaum noch eine Steigerung bringen. Als nächstes folgte eine Umgestaltung der Räumlichkeiten. Maskierte Männer befragten das Auditorium, welche Nummer sie am Eingang gezogen hätten und gestalteten danach die Sitzordnung neu. Rechts und links der Stuhlreihen wurde eine Gasse freigeschaufelt und das Ereignis konnte beginnen. Noisig-technoid hämmerten die Beats aus den Boxen und die bereits erwähnten maskierten Männer fuhren die Tonwerfer in den Gassen auf und ab, drehten sie vor und zurück und veränderten dabei das Hörerlebnis des Publikums ständig. Eine feine Idee! Dazu gab es geometrisch-abstrakte Computeranimationen auf der Leinwand zu bestaunen. Mit einem herkömmlichen Konzert hatte das nix zu tun; vielmehr mit einer Hördisko. War aber nicht schlimm - im Gegenteil: Die Reihe "Der andere Ton" ist eine echtes Highlight für Freunde innovativer elektronischer Musik.

   

Maskenmänner verunsichern das Publikum:
Column One gestalten ihre Umwelt nach eigenen Vorstellungen

 

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