Cinema Strange + Formfleisch
Moritzbastei Leipzig, 10. April 2002

"Goth Is Dead". Betrachtet man die gegenwärtige Situation der so genannten Schwarzen Szene könnte man sehr leicht zu diesem Schluss kommen. Klischees, Klischees, Klischees und Null Innovation. Das es auch anders geht, zeigen derzeit mal wieder die Amis, wobei Cinema Strange eindeutig zu den populärsten Bands dieser besonders in und um L.A. beheimaten "Gothurection" gehören. Grund genug also nach Leipzig zu reisen und die neuen Helden einmal live zu bestaunen.
Dass der Eiskeller der Moritzbastei gut gefüllt sein würde, war zu erwarten. Der Eintrittspreis von nur neun Euro wird sicher auch dazu beigetragen haben. Für die Vorband FORMFLEISCH also eine gute Gelegenheit sich einem breiteren Publikum zu präsentieren. Die vier Leipziger spielten routiniert, jedoch ohne große Überraschungen ihr Programm herunter, das vielleicht noch am ehesten als Gothic Rock mit Metaleinflüssen und weiblichem Gesang zu beschreiben ist. Inkubus Succubus fiele mir dazu als Vergleich ein. Nach drei Liedern begannen mich die Herrschaften zu langweilen und ich verließ den Raum.

Nachdem auch Formfleisch den Raum verlassen hatte, dauerte es nicht mehr lange und dicker Nebel verdeckte die Bühne. Aus selbigen tauchten in punkigem Outfit wenig später Daniel und Michael Ribiat sowie Lucas Lanthier, besser bekannt als Cinema Strange, auf, um ihr neues Album "The Astonished Eyes Of Evening" vorzustellen. Sänger Lucas hatte seinen Kopf teilbandagiert und sah aus, wie aus einer Frankenstein-Verfilmung entflohen. Beste Voraussetzungen also für einen Abend am Rande des Wahnsinns.
Nach einigen schleppenden Akkorden setzte Lanthier mit seinem seltsam-schrulligen Kastratengesang ein und hatte das Publikum sofort im Griff. Wie ein Derwisch hüpfte er über die Bühne, schrie, stöhnte und gurrte in höchsten Lusttönen. Mal kleines träumendes Mädchen, mal verrückter Professur schlüpfte Lanthier in die verschiedensten Rollen und machte damit dem Namen Cinema Strange alle Ehre. Bassist Daniel mit Borstel-Iro ließ sich von der Spielfreude seines Frontmannes anstecken und stand die meiste Zeit mit breitem Grinsen auf der Bühne. Gitarrist Michael schaute dagegen, als wenn er seinen nächsten Zahnarzttermin nicht vergessen könnte, was der Stimmung aber keinen Abbruch tat. Die Menge lauschte andächtig den Geschichten Lanthiers (eine Beschäftigung mit den Texten scheint geboten), bei "Aboriginal Anemia" schwangen einige Unverzagte sogar das Tanzbein. Die meisten waren jedoch damit beschäftigt, sich von Lanthier und den ihn begeleitenden Klängen irgendwo zwischen frühen Cure, Virgin Prunes und Cabaret-Musik verzaubern zu lassen. Nach etwas mehr als einer Stunde Spielzeit und zwei Zugaben fiel leider viel zu früh der Vorhang.

Mich persönlich erinnerte das seltsame Filmtheater sehr an die heiß geliebten Sex Gang Children und das ist als Kompliment gemeint. Wenn die Jungs, und jung sind sie wirklich noch, so weiter machen, muss ich mich nicht um die Zukunft des Gothic sorgen. Ein rundum gelungener Abend.

 

Düster-groteskes Theater aus Amiland: Cinema Strange

 

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