Berlin Bruit-Festival
Samstag 30. August 2008, Gewölbe unter der Jannowitzbrücke

Nach vier Jahren endlich wieder ein IronFlame-Festival und dazu wieder eins, bei dem ich einige Bands nicht kenne, es also Neues zu entdecken gibt. Zudem ein Auftritt von Sutcliffe Jügend, der erste auf dem europäischen Festland oder so, zumindest aber in erreichbarer Nähe. Als wäre dies nicht schon genug, gibt es für 30 Euro noch einen Vinyl-Sampler dazu. Grund genug also, in die "Reichshauptstadt" aufzubrechen und das Ohr dem Berliner Lärm zu öffnen.

Der pünktliche Beginn verschob sich - wie kaum anders zu erwaten - um zwei Stunde nach hinten. Egal, wir saßen im Sonnenschein - erst vor der S-Bahn-Haltestelle, dann im Spreegarten, war also völlig egal. Am Eingang gab es noch einige Verwirrungen - ich hatte schon vermutet, dass die exakte Zuordnung von nummerierter Eintrittskarte und LP einige Schwierigkeiten bereiten würde und so war es dann auch. Grund genug natürlich, um ausufernd zu lästern - wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen - zum darüber Aufregen war es aber einfach viel zu lustig. Auch die rosa Bändchen verursachten einiges Hallo - wirklich böse reagierte aber niemand auf die organisatorischen Schwierigkeiten. Nur die IronFlamer dürften an dieser Stelle schon ordentlich geschwitzt haben, schließlich wollten sie ja alles perfekt machen. Such as life…

Los ging es, wie gesagt mit einiger Verspätung mit Ditterich von Euler-Donnersperg, dessen seltsame Auftritte ich schon mehrfach erleben dürfte, der mich aber noch nie zu einer intensiven Beschäftigung mit seinem und dem Werkbund-Werk bewegen konnte. Der Sound war im großen und ganzen angenehm ambient - mal abgesehen davon, dass ich bei der Hitze im Saal lieber gelegen und entspannt zugehört hätte - war das als Intro des Abends keine schlechte Wahl. Als der liebe Ditterich dann allerdings anfing, seine albernen Texte vorzulesen, verließ ich den Saal für ein oder zwei Bier - das ist absolut nicht mein Humor, wahrscheinlich fehlt mir dafür die intellektuelle Reife.

Als zweiter belegte Z'ev die Bühne mit seinem Equipment - Trommeln und als Trommeln verwendbare Gegenstände. Mir gefiel die von manchen anderen Gästen als esoterisch geschmähte Show recht gut, wobei Z'ev sicher nicht die Industrial-typische Musik produzierte, was immer das auch sein mag. Die abwechslungsreichen Rhythmen sind vielleicht nicht geeignet, um dazu auf der Gruftidisse rumzuhopsen, der tranceartige Charakter reißt auf einer anderen Ebene mit.

Es folgten Column One, die showtechnisch das Highlight des Abends ablieferten. Die beiden Aktivisten (Robert Schalinski & Jürgen Eckloff?) trugen Eimer auf den Köpfen, zimmerten eine Holzwand und rissen sie dann wieder ein, im Hintergrund lief ein Video, der Sound kam vollständig vom Band. Leider muss man sagen, dass das Timing der Performance nicht wirklich aufging. Nachdem die Wand wieder zerkloppt war, lagen die beiden Herren mindestens noch mal genauso lange auf der Bühne rum, wie sie gearbeitet hatten. Dazu liefen Video und Sound in einem Loop, der nach fünf Minuten dann doch anfing zu langweilen. Sah alles nach wenig Vorbereitung aus. Das Video z.B. zeigte Autos und Fußgänger unter der S-Bahn-Trasse, das Ganze nur geringfügig manipuliert, vom Sound blieb kaum etwas haften.

Last Dominion Lost mit dem unglaublichen John Murphy boten dann an diesem Abend am ehesten das, was ich unter Post-Industrial verstehe. Ganz großartige Musik mit der typisch düsteren Stimmung von Murphys Hauptprojekt Knifeladder. Reichlich verworrene elektronische Geräusche, Samples, verzerrte Gitarren und energetisches Schlagzeug - das war echt mitreißend!

An nEGAPADRES.3.3. schieden sich die Geister vieler Zuschauer. Die einen hielten die Show mit den abgehackten Schafsköpfen für totalen Klischeeschwachsinn, die anderen fanden es gut. Persönlich muss ich sagen, dass ich nicht jeden Tag tote Tiere sehe und irgendwo zwischen Faszination und Ekel hin und her gerissen wurde. Der Geruch war ganz schön heftig, wie der Sänger es geschafft hat, den Kopf quasi abzulecken ohne zu kotzen, ist mir ein Rätsel. Musikalisch zeigten sich die Belgier, die sonst unter dem Namen à;GRUMH... EBM machen eher recht simpel. Einfache, repetetive Strukturen, die vor allem dazu dienten, die Show des Sängers und seinen starken körperlichen Einsatz zu stützen. Ich fand's nicht schlecht, wenn auch vielleicht nicht unbedingt das Erlebnis des Abends. Insgesamt vielleicht etwas zu lang.

Als Headliner betraten dann Sutcliffe Jügend die Bühne und lieferten genau die Show ab, die man erwarten konnte. Viel Krawall und böse Energie. Warum die nicht sofort auf die Anwesenden übersprang, war mir ein echtes Rätsel. Da waren so viele Leute von sonst woher angereist und starrten regungslos auf die Bühne. Das dürfte auch die Musiker einigermaßen verunsichert haben, weshalb sie eingangs etwas neben der Spur wirkten. Zum Glück änderte sich dieser Zustand und ein paar Leute fingen mit pogen an. Ich gesellte mich auch hinzu und konnte nach dem Konzert stolz einige blaue Flecke vorweisen. Hatte sich also doch gelohnt, bis zum Schluss zu bleiben.

Nach Sutcliffe Jügend war es dann schon halb vier und wir machten uns sofort auf die Heimreise. Ein schönes, abwechslungsreiches Festival.

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