Absolut A!

Kultur hat auch etwas damit zu tun, Neues kennen zu lernen. Im vorliegenden Fall wollte ich ein wenig mehr zu Antonin Artaud erfahren. Um es vorab zu sagen: Die Aufführung mit Texten, Videoprojektionen, Musik und Tanz leistete dies nur in sehr begrenztem Maße. Ohne eine gewisse Vorbildung war nur nachvollziehbar, dass Artaud verrückt geworden ist, woran auch sein Drogenkonsum Anteil gehabt haben dürfte. Die allwissende Wikipedia verrät, dass Artaud als "einer der Urväter der Performance-Kunst angesehen" wird, Mitglied der Bewegung des Surrealismus war und eigene Vorstellungen vom Theater realisierte (u.a. "Theater der Grausamkeit". Artaud reiste viel umher, lebt u.a. bei Indianern in Mexico und landete im Anschluss an einer Reise nach Irland (toller Witz) in der Klappse, weil er die baldige Apokalypse verkündete. Wegen chronischer Schmerzen nahm er über Jahrzehnte Drogen wie Laudanum, Opium, Heroin und Peyote.
Weiterhin ist zu lesen, dass Artaud eine Idee "von einem Theater des Mangels und der Krise" propagierte. "In dieser Formgebung sollten Text, Sprache und Bewegung auf der Bühne keine suggestive Einheit mehr bilden." Als jemand, der nur selten ins Theater geht, muss ich gestehen, dass ich damit nicht allzu viel anfangen kann. Nichts desto trotz hat der Franzose wohl einige Anhänger und wird heute als ein Art Revolutionär des Theaters angesehen. Insofern ist ihm einiges an Bedeutung zuzugestehen.
Lässt man den "tieferen Sinn" des Ganzen einmal außen vor, so bot sich dem Zuschauer ein mehr als anderthalbstündiges Konzert von Scatology und Mark Spybye (Dead Voices On Air etc.) mit Tanzeinlagen und einer Videoprojektion. Letztere erfolgte - wie mittlerweile Standard bei Scatology - auf eine Gaze vor den Künstlern, so dass diese wie hinter einem durchsichtigen Schleier versteckt erschienen. Verantwortlich für den Inhalt war die Dresdner Künstlerin Anna Kasten, die selbst u.a. mit Prototype Musik macht. Die Projektion war eher spartanischer Natur und bestand vorrangig nur aus Lichtstimmungen. Gelegentlich blitzten Muster auf, die wie Grundrisse aussahen oder wie umrandete Kästchen aus einem Matheheft. Dieser Effekt war auf jeden Fall sehr beeindruckend.
Die tänzerische Darbietung bestand aus zwei Teilen und war zumindest am Anfang recht leicht zu entschlüsseln. Eine junge Frau schälte sich aus ihrem kokonartigen, weißen Kostüm um später noch einmal in ihrer schwarzen Kluft über die Bühne zu balancieren. Während das erste Bild sicher eine Befreiung, ein Heranwachsen symbolisieren sollte, war das zweite eine mehr oder weniger dekorative Tanzeinlage.

 

private touch
Die abwechslungsreiche elektronische Musik von Scatology und Mark Spybye trug nicht nur diese Performance sondern auch den Gesangseinsatz von André Alabaster (Expretus) und Andy Weinhold (Egobar, ex-Ancient Gallery). Beide durften sich mal wieder so richtig am Rande des Wahnsinns und mit theatralischer Geste ausleben und sie taten es auch. Der ungewohnt hohe Gesang von André zu Beginn des Stückes versetzte in Erstaunen. Weniger glücklich wirkten auf mich die zahllosen Wiederholungen, wie das Mantra "Laudanum, Opium, Heroin und Peyote" zum Schluss der Aufführung.
Zum Schluss noch ein paar Worte zum Sound: Der war über das ganze Stück hinweg einfach nur brillant. Intelligente, Beats, originelle Klanglandschaften, unverbrauchte Sounds - mehr kann man von elektronischer Musik nicht erwarten. Hoffen wir, dass dies nicht die letzte Zusammenarbeit der beiden Musiker bleibt. Hier entwickelt sich was!!!

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