|
XII Wroclaw Industrial Festival
Das Wroclaw Industrial Festival
ist ein Pflichttermin im November und so waren auch wir in diesem Jahr
wieder dabei. Unterkunft im Stadtzentrum gebucht, Tickets bestellt, Auto
gepackt und los ging es. Diesmal war wieder am Donnerstag ein richtiges
Programm angesagt, der Sonntag dafür frei.
Am Donnerstagabend trafen wir
zur angesetzten Zeit in einem kleinen Pub am westlichen Rand des Innenstadtrings
ein. Neben dem Gastraum gab es einen kleinen Saal mit Bühne,
ideal also für den Auftakt im überschaubaren Rahmen. Hier sollten
vier einheimische Bands spielen, von denen mir nur MONOPIUM
von einer CD her bekannt waren.
Besagtes Projekt eröffneten Abend. Als Dreierformation auf der Bühne
stehend, präsentierte MONOPIUM eher abstrakte Electronica unter Zusatz
eines live eingespielten Saxophons. Etwas sperrig das Ganze aber nicht
schlecht.
Das Ein.Mann-Projekt DEAD
FACTORY beeindruckte dann mit metallisch verziertem Dark Ambient,
zu dem auch die düsteren Filme aus dem schlesischen Kohlerevier mit
deprimierenden Industrielandschaften passte.
Als KOMORA
A saß ein Mann auf der Bühne an seinem Labtop, dem er clicks-and-cuts-sounds
entlockte, die zu einem spröden Ambient verwoben waren. Dazu gab
es passende Visuals zu sehen.
Der komplexe Moduar-Synthesizer mit Steckverbindungen, der von Anfang
an das Interesse der Soundbastler auf sich zog, gehörte zu MIRT
(Tomek Mirt), einem weiteren Ein-Mann-Projekt. Der zauberte die verrücktesten
Sounds aus seiner Elektronik-Schrankwand.
Was genau dann SZELEST
SPADAJACYCH PAPIERKÓW zu Gehör brachten, kann ich mich
leider nicht mehr erinnern, dafür war der Abend schon etwas weit
fortgeschritten. Aber es war auf jeden Fall recht interessante elektronische
Musik mehr so ins Noisige gehend. Insgesamt ein gelungener Abend, der
für mich vor der Disko endete irgendwann ist's genug.
Freitag ging es in den angestammten Spielort Gothic Hall mit all seinen
Vor- und Nachteilen. Leider fing das Konzert mit deutlicher Verspätung
an, so dass sich der Abend recht in die Länge zog. Das Ereignis ließ
sich in drei Abschnitte teilen. Den Anfang bildeten ANEMONE
TUBE, SPHERICAL
DISRUPTED und die polnischen C.H.
DISTRICT, die alle drei mit spannenden elektronischen Klanglandschaften
aufwarteten, mal abstrakt, mal ambient, mal druckvoll, wobei C.D. District
den energetischsten Part ablieferten und teilweise ins Drum'n'Bass-mäßige
abdrifteten.
Der zweite Teil war aus meiner Sicht eher wenig befriedigend. COLLAPSING
NEW PEOPLE boten wenig spannenden Elektropop mit einem schlechten
Sänger, was man sich komplett hätte sparen können. Dagegen
waren UNDERVIEWER
zwar ganz unterhaltsam mit ihrem Synthiepop der mich stimmlich teilweise
an Yazoo erinnerte, aber was hat diese Musik auf einem Industrial Festival
zu suchen? Das Gleiche lässt sich über AGENT
SIDE GRINDER sagen, die zwar auch keine schlechte Tanzmusik boten
aber mir mit ihrer Rockstar-Poser-Attitüde nur auf die Nerven gingen.
Kleine-Mädchen-Mucke.
Der dritte Teil des Abends begann mit In The Nursery, die zwar auch keinen
allzu harschen Sound bieten aber immerhin interessante Melodien abseits
des tausendfach Erprobten. Nachdem die Band ihre anfänglichen Soundprobleme
überwunden hatte, wurde das Konzert noch ganz ordentlich.
Zu guter Letzt kam Allzweckwaffe Dive zum Einsatz. Ist zwar immer wieder
das Gleiche aber so kann Mensch wenigstens ein bisschen rhythmisch rumhüpfen
und den Frust rauslassen, der sich ob des dürftigen Mittelprogramms
angesammelt hatte.
Der Samstag begann wiederum
mit deutlicher Verspätung mit den sehr angenehmen MERCYDESIGN,
die einen komplexen Sound zwischen Ambient und Pop auf die Bühne
brachten, indem sie Elektronik mit realen Instrumenten kombinierten.
Es folgte einer der absoluten Tiefpunkte des Festivals, die unsäglichen
Future Popper von OPPENHEIMER
MkII. Nach zwei Liedern verließ ich das Etablissement und ging
in die nahe Unterkunft, um mich dort ein wenig zu entspannen. Schrecklich
schmieriges Zeug, das mir die Ohren verklebt.
Zum Glück spielten im Anschluss IRM!
Die Schweden bliesen den Anwesenden mit ihren Power Elektronics das Hirn
wieder frei. Während Martin Bladh auf der Bühne litt, holten
wir uns unsere Schmerzen beim Kuschelpogo.
Die nachfolgenden NOTHING
BUT NOISE aus Belgien ließen es wieder ruhiger angehen. Das
Projekt der Front 242-Gründer Daniel Bressanutti und Dirk Bergen
brachte nette, vollsynthetische Klanglandschaften zu Gehör, die mal
mit Rhythmus, mal ohne daher kamen. Quasi entschleunigter EBM ohne Gesang.
Einfach nur großartig waren dann die englischen CONTRASTATE
mit ihrem charismatischen Frontmann Jonathan Grieve. Die Briten verbinden
Ambient und Industrial zu einem spannenden Klangerlebnis, das live insbesondere
von der Ausstrahlung von Grieve lebt.
Als nächstes folgten BAD
SECTOR, wobei zu konstatieren ist, dass Massimo Magrini eines seiner
besten Konzerte auf die Bühne brachte, die ich bisher gesehen habe.
War mir der statische Sound des Italieners meist zu langweilig, so präsentierte
er sich in Wroclaw sehr abwechslungsreich und dynamisch.
Zu WIRE
und ALUK
TODOLO kann ich nicht mehr viel sagen, da ich zwar noch anwesend aber
nicht mehr wirklich interessiert war. Wire hatten mich bei ihrem Auftritt
im Dresdner Beatpol hauptsächlich gelangweilt, in Wroclaw schienen
sie etwas mehr Energie auf die Bühne zu bringen, so dass das dies
tatsächlich als Post PUNK durchging. Bei ALUK TODOLO ist mir der
technisch recht anspruchsvolle psychedelische Sound hängen geblieben,
allerdings fehlte mir der Gesang, ohne den das Ganze auf Dauer nicht wirklich
gefangen nahm.
Das XIIte Wroclaw Industrial
Festival war wohl die Ausgabe, bei der der Begriff Industrial am weitesten
ausgelegt wurde, wobei auch in den Vorjahren untypische Bands zu hören
waren wie Section 25, BeeQueen, Tuxedomoon oder Spiritual Front. Vielleicht
war es diesmal nur die Häufung dieser Bands bzw. deren nicht so überzeugende
Qualität, die mich verärgerte. Aber ich weiß, wie schwer
es ist, über Jahre hinweg großartige Bands auf die Bühne
zu bringen, die einerseits eine Verbindung zum Genre haben und andererseits
auch genügend Publikum ziehen, damit die Rechnung aufgeht. Beim nächsten
Mal wirds sicher wieder etwas spannender. Ich bin sicher wieder
dabei!
zurück nach
oben
|