WGT 2008

Pfingsten und Leipzig gehören einfach zusammen. Zwar habe ich schon oft gemeckert, weil mir dies oder jenes am größten Grutitreffen Europas nicht gefiel, verzichten möchte ich jedoch nicht auf dieses Ereignis. Und so hieß es auch dieses Mal - Rucksack gepackt und auf in die Messestadt.

 

Freitag

Nachdem ich bei einem Freund in meine Unterkunft eingecheckt war, ging es runter zum Agragelände, um dort den Pressepass abzufassen. Da das Prozedere mittlerweile vertraut ist, stellte sich dies als kein allzu großes Problem dar. Die "normalen" WGT-Besucher mussten sich zu diesem Zeitpunkt schon in eine ganz schön lange Schlange einreihen. Zum Glück blieb mir das erspart.
Ein kurzer Abstecher führte mich in die gut gefüllte Agra-Halle, wo gerade Sigue Sigue Sputnik ihren Gig beendeten. In der Folgezeit streuselte ich über das Gelände, den Markt, traf dies und den und knipste einige besonders nette und skurrile Exemplare der gotischen Zunft.
Es folgte ein Besuch im Sweat Club, nahe der LVZ-Zentrale in der Innenstadt, wo später noch Bettina Köster von Malaria! spielen sollte. Hier waren sehr lästige Fernsehteams unterwegs, die mit ihren hellen Strahlern die Gäste blendeten, um irgendwelche albernen Aussagen zu erhaschen. Als Betreiber hätte ich das ehrlich gesagt nicht zugelassen, da die ganze Aktion reichlich störte. Gegen um eins betrat dann Frau Köster die winzige Bühne des Sweat Clubs, der seinem Namen übrigens alle Ehre machte. Während die Musik vom Band bzw. aus dem Rechner lief rockte die Künstlerin wie verrückt und trug Stücke aus ihrer aktuellen Schaffensphase vor. Soweit ich es verfolgen konnte schlichen sich keine Perlen aus Malaria!-Zeiten ein. Etwas schade war es, das Bettina Köster ohne Begleitband spielte, was ihren Vortrag sicher aufgewertet hätte. Im Rahmen des Möglichen war der Auftritt jedoch als gelungen zu bezeichnen.
Im Anschluss begaben wir uns noch in die Villa zu rumhüpfen, um am Ende zum Absturzbierchen wieder im nahe der Unterkunft gelegenen Sweat Club zu landen.

 

Samstag

Nach nur wenigen Stunden Schlaf und einem ausgiebigen Frühstück im Freundeskreis stand ein Besuch auf der Moritzbastei an, um weitere Bekannte in Empfang zu nehmen. Der Mittelaltermarkt konnte mich nicht allzu lange reizen, da das Plateau wie üblich unter direkter Sonneneinstrahlung lag und dauerhaft der Dudelsack dudelte. Wir setzten uns deshalb lieber auf die Wiese und beobachteten die anderen Verrückten, die es zu so früher Stunde - gegen Mittag - nicht mehr im Schlafsack oder Bett hielt. Später ging ich noch in die Moritzbastei, wurde dort zu einem Bier eingeladen und war danach so müde, dass ich erst noch einmal an der Matratze horchen musste.
Nach dem Erwachen ging es schnurstracks mit Straßenbahn in die Kuppelhalle, wo ich als erstes dem Konzert von Naevus beiwohnen durfte. Ganz nett das Ganze mit zahlreichen Ausflügen in andere Musikrichtigungen. Der teilweise an frühe Death In June erinnernde Sound wurde dadurch reichlich aufgepeppt und unterschied sich somit deutlich vom sonst recht sehr langweiligen, typischen Neofolk mit seinem ständigen Zwei-Akkorde-Seitengeschruppe. Auf Dauer - die Musiker des Genres sind immer sehr ausdauernd konnte mich aber auch das Schlagwerk John Murphys nicht in seinen Bann ziehen. Ist halt nicht meins.
Ähnliches ließe sich über While Angels Watch und Joy Of Life sagen. Bei ersteren fällt insbesondere der exzessive Einsatz der Geige auf, während letztere insbesondere durch ihr Trommelspiel und die Verwendung von Keyboards auffielen. Alles in allem war die Dosis aller drei Bands ein bisschen viel, denn allzu große Unterschiede gab es nicht. Etwas mehr Abwechslung wäre nicht schlecht gewesen. Schade nur, dass ich mich vor den Türen der Kuppelhalle verquatschte und so Andrew King verpasste. Ich könnte mir noch immer in den Hintern beißen. Zum Glück spielten zum ende des Abends noch Knifeladder auf, die unübertroffen darin sind, apokalyptische Stimmungen zu schaffen. Knifeladder sind niemals eingängig, sondern stets sperrig, manchmal sogar reichlich anstrengend. Nach all dem eher recht gefälligen Neofolk eine echte Wohltat. Interessant ist es auch den Aktiven beim Musikmachen zuzuschauen. Den Platz von Hunter Barr am Bass nahm eine sehr eindrucksvolle Dame ein, Andrew Trail, der ein wenig an Steven Stapleton erinnerte, gab erneut den Derwisch mit Hut und Metzgerschürze und Murphy agierte im Bühnenhintergrund. Insgesamt ein sehr eindrucksvolles Konzert.

Nachdem dieses zu Ende war und ich eine Weile die hauseigene Disko besucht hatte, trollte ich mich in Richtung Moritzbastei zur Party des Global Noise Movements. Mit Grufti-Mucke hat das Ganze zwar absolut nichts mehr zu tun, den Leuten war's aber egal und sie tanzten, bis der Schweiß in Strömen lief. Nachdem ich davon genug hatte, verzog ich mich ins Nahe Heim und horchte an der Matratze.



Sonntag

Der Tag begann mit einem Spaziergang durch die Innenstadt, um dann in der Sixtina den ersten, noch verdünnten Alkohol in Form eines Radlers zu uns zu nehmen. Dann schauten wir kurz in der Moritzbastei vorbei um dann von dort Richtung Parkbühne aufzubrechen, wo sich um die Nachmittagszeit erfahrungsgemäß die ganzen Verrückten auf der Wiese vor der Location chillen. So war es auch diesmal und die Musik nur Nebensache. Irgendwie war ich darauf geeicht, dass Escape With Romeo spielen aber die waren schon einen Tag früher dran gewesen. So sah ich nur ein bisschen von Din (A) Tod einer wenig beeindruckenden Wave-Electroband aus Berlin. Witzigerweise stand auch ein Bekannte auf der Bühne, die mich aber nicht bemerkte. So musste ich mich dann auch nicht entschuldigen als ich schon nach kurzer Zeit wieder verschwand, diesmal in Richtung Anker. Als ich dort nach einer kleinen Weltreise ankam, saßen die Freunde von Job Karma noch vor der mehr als mäßig gefüllten Location. Kurz nach sechs mussten die polnischen Jungs auf die Bühne und während ihrer Show füllte sich das Haus zusehends. Obwohl Job Karma hierzulande wohl noch eher recht unbekannt sind, zogen sie mit ihrem abwechslungsreichen Synthiepop die Besucher recht schnell in den Bann. Dass die Reaktionen am Ende mehr als positiv ausfielen, dürfte auch an dem interessanten Hintergrundvideo gelegen haben, dass nach allerhand Mittelmäßigem, was man so bei den entsprechenden Konzerten sieht, wirklich faszinierte. Für Job Karma dürfte sich der Auftritt beim WGT gelohnt haben, denn sie haben sicher zahlreiche neue Fans gewonnen.
In der Pause traf ich vor der Location die Herren von Esplendor Geometrico, die sich vor ihrem Auftritt den von Gerechtigkeitsliga anschauen wollten. Ich nahm noch die erste halbe Stunde mit, um mich dann in die Agrahalle aufzumachen. So recht konnte mich die Band nicht begeistern so wie beim IronFlame-Festival in Berlin blieb nicht allzu viel hängen. Drei Männer auf der Bühne, reichlich Schlagwerk, sehr statisch das Ganze. Naja, immerhin gab's ein paar ganz nette Fotos…
Ich verließ den Anker, um noch etwas von den Fliehenden Stürmen und C.D.1334 zu sehen, leider bummelte die Straßenbahn und so kam ich erst in der Agrahalle an, als Eva O. und ihre Band schon spielten. Der Fotograben war bereits geschlossen und ich musste mit einem mittelmäßigen Standort im Mittelfeld vorlieb nehmen. Dort konnte ich zwar weniger gut knipsen, dafür aber umso besser zu den alten Christian Death-Weisen abfeiern. Eva zeigte sich als guter Ersatz für den fehlenden Rozz und auch ihre Band, bei der nur noch der reichlich in die Breite gegangene Rikk Agnew von der Originalbestzung übrig ist, ließ es ordentlich krachen. Schade, dass das Ganze solch einen nostalgischen Touch hat aber so ist es nun mal leider, Rozz wird nicht wieder lebendig…
Da mich Samsas Traum absolut nicht interessierte, machte ich mich sofort wieder auf in den Anker, um noch Anenzephalia und Operation Cleansweep zu erleben. Beide Projekte boten den typischen PowerNoise, was mich weder vom Hocker haute noch enttäuschte. Die martialischen Gesten und die krassen Sounds sind immer wieder ein Genuss. Im direkten Duell gingen Anenzephalia als klare Sieger hervor, da sie mit zwei Sängern wesentlich mehr Druck und Bewegung auf die Bühne brachten.

Statt das Ende von Operation Cleansweep abzuwarten machte ich mich dann wieder auf die Weltreise durch die ganze Stadt zurück in die Agrahalle. Schließlich wollte ich nicht das absolute Highlight des Festivals, den Auftritt der Fields Of The Nephilim verpassen. Ich schaffte es denn auch rechtzeitig und konnte dem Anfang des Konzertes in nächster Nähe der Gothic Rock Götter zubringen. Während die Band schon auf der Bühne stand und die ersten Takte spielte ließ Frontmann Carl McCoy eine Weile auf sich warten. Als er sich dann sehen ließ, brandete Jubel durch die Massen und die Party konnte losgehen. Richtig geil wurde es als die Fields "Dawnrazor" und "Moonchild" anstimmten. Mein persönliches Highlight war dann "Trees Come Down" und das die Zugabe abschließende "Last Exit For The Lost". Ein absolut geniales Erlebnis und Herr McCoy wird an dem Abend sicher genug Motivationspunkte gesammelt haben, um die Fans nicht wieder so lange warten zu lassen.

Nach dem Konzert hatte ich dann erstmal keine Lust mehr zu einer Party zu gehen oder Gruftis zu sehen und so verbrachte ich den Rest des Abends im FlowerPower, um dann gut betrunken ins Bett zu fallen.

 

Montag

Am nächsten tag musste ich dann nach Dresden reisen, war ich doch kurzfristig zum Auflegen in der Kuppelhalle verpflichtet worden und das ohne Tonträger schlechterdings möglich ist. So kam ich dann nur noch dazu, die Bands an Ort und Stelle zu sehen, der Rest des Festivaltages war futsch. Am Ende zeigte sich, dass sich der Einsatz kaum gelohnt hatte, da kaum noch Leute Lust hatten, nach zwei Stunden Psychic TV-Konzert zu tanzen.
Bevor es aber soweit war, wohnte ich noch dem beeindruckenden Auftritt von Voxus Imp. bei. Sicher sind Dresdner Geschmackssache wie auch Waldteufel aber im Gegensatz zu Markus Wolffs Projekt empfinde ich bei Voxus Imp. das Schräge nicht als nervend. Mit reichlich tam-tam, Feuer und Nebel konnten Vox und sein Mitstreiter Balog neue Fans gewinnen, wie die ausnehmend positiven Reaktionen des Publikums zeigten. Persönlich fand ich besonders bemerkenswert, wie Balog das auf der letzten Voxus Imp.-Platte von ebenjenem Markus Wolff gesungene Stück über die Eiben intonierte, so nah am Original, dass alle dachten "Jetzt spielen sie Playback". War aber alles echt…
Nicht ganz so toll war dann der auftritt von Amodali / Mother Destruction. Nachdem es einige Zeit dauerte, bis die Technik das tat, was die Künstlerin wollte, konnte es endlich losgehen. Auf der Bühne wurde Amodali von ihrer Tochter begleitet, die gelegentlich trommelnd ins Geschehen eingriff. Insgesamt kamen die meisten Sounds jedoch aus dem Rechner und ich sehnte mich nach solch fantastischen Auftritten im Anker vor vielleicht zwölf Jahren (?) zurück, als Mother Destruction noch als richtige Band auftraten, die wirklich Energie erzeugen konnten. Schade drum, auch wenn ich Songs wie "Hella Roots" noch immer gern höre.
Vom Auftritt von Psychic TV konnte ich nur etwa eine halbe Stunde sehen, da ich dann auflegen sollte. Am Anfang war die Band noch eher ein Stück verhalten, gegen Ende muss das Ganze richtig abgegangen sein. Allen Berichten zufolge war das Konzert ein echter Brüller und ich durfte einige Wenige an Psychic TV Uninteressierte beschallen. Auch später wurde der Raum nicht wirklich voll. halb vier war dann Schluss und wir machten uns auf dem Heimweg. Meine Begleiter waren nicht tot zu kriegen und so soffen wir bis früh um sieben weiter. Als wir endlich ins Bett fielen, war das WGT aber endgültig vorbei…

 

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