Minamata, Cent Ans De Solitude, Skrol,
Seismic Wave Factory, Instinct Primal
Dienstag 10. Mai 2011, Studentenclub K4, Prag

 

Mitten in der Woche zum Konzert nach Prag. Fahrtechnisch kein Problem: Mit dem Zug ist man von Dresden aus in etwas mehr als zwei Stunden stressfrei vor Ort.
Die Location - der Studentenclub K4 - lag mitten im Stadtzentrum, fußläufig kaum 15 Minuten vom Prager Hauptbahnhof entfernt. Ideal also. Unter der angegebenen Adresse fand sich dann ein Universitätsgebäude mit einem Riesenfoyer, einem schönen Innenhof aber ohne Hinweis auf einen Studentenclub. Auch die angehenden Akademiker, die ich fragte, konnten mir nicht weiterhelfen. Ich schaute mich also um und fand dann einen Hinweis auf ein Studentencafé im Keller, von wo aus auch schon ein heftiges Gedröhn zu vernehmen war.
INSTINCT PRIMAL hatten bereits begonnen, ich fand allerdings nicht allzu viel Zeit zuzuhören. Erst einmal galt es, all die Freunde und Bekannten zu begrüßen - die nicht wirklich daran geglaubt hatten, dass ich mich sehen lasse. Danach blieb noch etwas Zeit, dem Prager Ein-Mann-Projektzu lauschen. Den Auftritt fand ich zugegebenermaßen eher mäßig. Statt der klar strukturierten, abwechslungsreichen Klänge, die ich bereits bei zwei Konzerten genießen konnte, gab es diesmal - mit Ausnahme des letzten Stücks - eher wenig variable walls of sound auf die Ohren, die auch Dank der Gewölbeakustik ziemlich erdrückend wirkten.
Die schon seit langem am Japan Noise orientierten SEISMISC WAVE FACTORY gefielen mir da wesentlich besser. Das Ein-Mann-Projekt zeigte sich sehr druckvoll und Dank eines unterhaltsamen Videos auch sehr eindrucksvoll.
Die mittlerweile zum Duo geschrumpften SKROL folgten mit ihrem bombastischen Sound, eine sehr schwere aber kraftvolle Musik. Dem verlieh Martina Sanollova mit ihrer ausdrucksstarken, ein wenig an Diamanda Galas erinnernden Stimme, eine menschlich-dramatische Dimension, irgendwo zwischen Aufbegehren und Verzweifeln. Die Show selbst war sehr reduziert und vor allem auf Martina und ihre theatralischen Bewegungen konzentriert.
Nach einer längeren Umbaupause - es war wohl keine Zeit für einen Soundcheck - begann Jean-Pascal M. aka CENT ANS DE SOLITUDE seine eindrucksvolle Show, die die Anwesenden sofort in ihren Bann zog. Anders als andere Projekte, die auf eine nachvollziehbare Klangerzeugung setzen, versteht es der Franzose eine stimmige Choreographie umzusetzen, die über die Freude an der Erkenntnis "ah, so geht das" auch ein stimmiges Bild ergibt. In Kombination mit den totalitären Bildern (z.B. Mao / China) sind Cent Ans De Solitude "Industrial at it's best".
MINAMATA hingegen setzt vor allem auf die Kraft der Bilder. Wichtiger Bestandteil des Auftritts ist die Gestaltung der Bühne als Projektionsfläche. Der Künstler selbst ist ganz in weiß gekleidet, in gleicher Farbe ist auch das gesamt Equipment gehalten, so dass Künstler und Technik durch die Projektion transzendiert werden. Der Effekt ist beeindruckend, wenn die Bilder sich in berauschender Geschwindigkeit verändern und der Künstler mal verschwindet, dann das Gezeuigt mit theatralsichen Gesten kommentiert. Denn inhaltlich geht es nicht nur um die namensgebende MInamata-Krankheit, sondern um die Übel unserer Zeit am Beispiel Russlands. Der Bogen wird gespannt von den heroischen Zeiten eines Gagarin,s hin zur Ermordung der Journalistin Anna Politkovskaja oder den Machenschaften des ehemaligen Staatskonzerns Gazprom. Musikalisch geschieht dies durch einen chaotischen Power Noise Sound kombiniert mit zahllosen Samples. Mediale Manipulation in verdichteter Form.
Alles in allem ein sehr schöner Abend, wenn ich am nächsten Tag auch wieder auf Arbeit quälen musste, nach gerade einmal zwei Stunden Schlaf im Zug…

BILDER

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