WGT 2012, was gesagt werden muss, oder auch nicht
FREITAGIm schönen Monat Mai war es endlich wieder so weit, das schwarze Pfingstfest lockte nach Leipzig. Die erste Hürde war genommen, als ich trotz Stau rechtzeitig eintraf. Ein schneller Blick auf den Plan sollte zeigen, welche Highlights uns denn erwarten. Dabei wurde klar, dass es dieses Jahr wieder schwierig werden würde, denn viele interessante Bands spielten gleichzeitig. Da heißt es, Kompromisse zu finden. Die Entscheidung fiel zur Einstimmung
auf die AGRA Halle. Die Ehre der Eröffnung hatten TANZWUT,
alte Bekannte beim WGT. Die Halle war gut gefüllt, die Jungs haben
ihre Sache gut gemacht, den Leuten hat es sichtlich gefallen. Der erste Tag des Festivals war danach schon durch und ich war einige Erfahrungen reicher. Im Nachhinein hätten sich die ein oder andere Alternative ergeben aber es geht halt nicht alles. Am Schlimmsten war, dass ich den Stricknachmittag für Schwarzromantiker verpasst habe (leider erst zu spät gelesen). Man sollte eigentlich abgehärtet sein, was die Toleranz der Schwarzen Szene angeht aber hier wurde noch eine Schippe oben drauf gelegt. Das glaubt einem doch keiner, wenn man sagt, man habe beim WGT einen Stricknachmittag besucht! Aber es ist wahr, das stand wirklich im Programm. Vielleicht schaffe ich es ja nächstes Jahr...
SamstagDer Samstag begann und wieder stellte sich die Frage, was wir uns anschauen sollten. Der Vortrag von Dr. Mark Benecke war wieder überfüllt und wir durften reichlich beengt den Ausführungen zu Schwierigkeiten beim Mord in geschlossenen Räumen lauschen. Wenn man so viel mit den Tod zu tun hat, scheint man automatisch eine besonderen Humor zu entwickeln. Eigentlich fehlt nur noch Gunter von Hagens mit seinen Plastinaten. Musikalisch war es wieder schwierig,
Entscheidungen zu treffen, da vieles Interessantes gleichzeitig spielte.
Nach einigem hin und her fiel die Wahl auf das Werk II. Hier eröffneten
die GENETIKS
mit ihrem Postpunk den Reigen. Kann man nicht meckern, die Jungs verstehen
ihr Handwerk, solide Arbeit. Danach sprangen wir schnell
ins KFZ und fuhren in den Anker, um CENT
ANS DE SOLITUDE zu sehen. Das französische Einmannprojekt bot
ein Kontrastprogramm mit selbst gebauten Klangerzeugern vom Schrott. Aber
was daraus an Klängen gezaubert wurde, dem gebührt Einiges an
Respekt. Bei Gelegenheit werde ich mir diesen Act noch einmal zu Gemüte
führen müssen. Danach betraten THOROFON
wie gewohnt in Weiß die Bühne. Unterstützt von einem Schlagzeuger
wurden alte und neue Songs zum Besten gegeben, die mir ganz gut gefielen,
wobei Riot Diktator immer einer meiner Favoriten sein wird.
Trotz zwischenzeitlicher Beendigung des Projektes funktionieren Thorofon
immer noch, wenn ich auch manchmal die ungeschliffene Härte der früheren
Songs vermisse.
SonntagSonntag ist traditionell der
Tag, in dem das heidnische
Dorf unsicher gemacht wird und zum Schauen der beste Platz. Da sieht
man die Vertreter aller Spielarten der Schwarzen Szene, allein deshalb
lohnt es sich schon, zum WGT zu kommen. Das ist natürlich allen bekannt
und deshalb ist der Clara-Zetkin-Park auch eine Bühne des alljährlichen
Schaulaufens. Optisch wird da immer ganz tief in die Trickkiste gegriffen.
Für die Zuschauer heißt es: Staunen, Schmunzeln und keine Fragen
stellen, nach dem wieso. Besonders auffällig wird dort, wie viele
Kinder mit beim Festival sind. Der Nachwuchs geht der Szene also nicht
aus aber vielleicht werden die kleinen Finsterlinge in ihrer Pubertät
auch alle HipHopper... Abends fiel die Wahl auf den Volkspalast, um zu
sehen was die Neofolk-Fraktion zu bieten habt. Von GNOMONCLAST
hörte ich nur die letzten Töne, viel kann ich dazu nicht sagen.
Ein Zombie am Mikro, der Tod am Drum und ein Arier am Bass: Zu viel Klischee
für mich. (Hab mal reingehört, erinnert
sehr an Luftwaffe; Anm. disorder) Zwischendrin ging's mit Bleifuss schnell ins Werk II zu SONAR. Ein WGT ohne Dirk Ivens, das ist einfach nicht vorstellbar - ein Projekt von ihm steht immer auf der Bandliste. Von irgendwas muss der Mann ja Leben, Industrial ist halt nicht Mainstream. Wer denkt, mit einem Rechner und etwas geklauter Software kann jeder Industrial machen, der irrt. Zumindest was die Qualität angeht, gibt es nur wenige, die es wirklich drauf haben und an Sonar kommt keiner vorbei. Kaum jemand versteht es so gut wie Dirk Ivens, simple Beats so zu verarbeiten, dass die ganze Halle in Trance mitwippt. Immer wieder begeisternd und ein Muss bei jedem WGT. Ich nehme mal an nächstes Jahr The Kinik oder wieder Dive? :-) Nach Sonar fuhren wir schnell zur AGRA, um noch ein paar Töne von DIARY OF DREAMS zu erhaschen. Da muss man, glaube ich, nicht viel dazu sagen. Wer die Band nicht kennt, der muss entweder neu in der Szene sein oder die letzten zehn Jahre in seiner Gruft verbracht haben. Ein Highlight des WGT war wie immer das Mitternachts- Spezial. Diese Jahr stand auf dem Spielplan PETER HEPPNER, "the artist formaly known as Wolfsheim. Zwischen Heppner und Ex-Kollege Markus Reinhardt ist Einiges an bösem Worten gefallen, deshalb ich war sehr angenehm überrascht, dass viele Klassiker von Wolfsheim zum Besten gegeben wurden. Die Menge nahm es dankbar auf. Als einziger Fehlgriff aus meiner Sicht wurde Die Flut beschworen, aber bei so vielen Spitzensongs, muss ja auch mal was Seichtes kommen. Der Plätscher-Song ist einfach im Radio totgespielt worden. Alles in allem trotzdem ein guter Abschluss des Tages.
MontagKaum hatte ich mich versehen, war das lange Wochenende schon wieder vorbei und mit viel Wehmut startete ich in den letzten Tag. Der Plan war, noch so viel wie möglich mitzunehmen, also zuerst noch mal ins Heidnische Dorf und in die Shoppinghalle, die Schnäppchen mitnehmen. Als erste Band des Tages kam
THE
CRIMSON GHOSTS zum Zuge. Wie jedes Jahr versammelten sich die Kamm-Träger
zum Stelldichein. Die Freakshow war vom feinsten und musikalisch ging's
auch ab. Leider war nur eine Horror-Punk-Band drin und es ging weiter
in den Volkspalast. Hier spielten DOWNLOAD
/ DEAD VOICES ON AIR gerade ihren letzten Song. Der Name kann doch
nur gewählt worden sein, um bei Suchanfragen ganz vorn dabei zu sein.
Auch eine Strategie bekannt zu werden (Sorry, hier
irrt der Rezensent. Download, mit cEvin Key von Skiny Puppy und Phil Western
von Plateau, entstanden bereits 1995, da war an den Software- und Musik-Saugewahn
von heute noch nicht zu denken; Anm. disorder). Schnell zurück in den
Volkspalast zu NÄO
die die längst fällige Symbiose von E-Gitarren und Industrial
hinbekommen, auf eine sehr eingängige Weise. Leider habe ich nicht
das ganze Konzert geschafft aber von diesem Projekt werde ich mir noch
mal einen Tonträger besorgen. Ruck-Zuck gingen diese vier Tage, angefüllt mit Musik, interessanten Menschen und skurrilen Begegnungen vorbei. Heute steht jedoch schon fest: Das nächste Pfingsten kommt bestimmt und ich werde wieder in Leipzig sein.
Text & Bilder: (C) Jochen Mehlhase
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