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Jürgen Teipel: Verschwende Deine
Jugend. Ein Doku-Roman über den deutschen Punk und New Wave (suhrkamp
taschenbuch)
Geschichten über eine Zeit,
eine Generation, eine Bewegung zu schreiben, ist ein schweres Unterfangen,
wenn nicht gar ein unmögliches. Wer kann in den Einzelnen hineinschauen
und dabei das Allgemeingültige nicht aus den Augen verlieren? Jürgen Teipel
hat dies versucht, indem er in seinem Buch über die Anfangstage des Punk
und New Wave in Deutschland ausschließlich mit Ausschnitten aus Interviews
arbeitet. (Dafür hat er sich schon manche Vorwürfe gefallen lassen müssen,
von wegen "aus dem Zusammenhang gerissen" etc., aber wer eine bessere
Idee hat, diese Zeit aufzuarbeiten, der soll dies tun…) Seine Linie erhält
"Verschwende Deine Jugend" durch die Montage der einzelnen Fragmente.
So kommen die Protagonisten der einzelnen "Szenehauptstädte", Düsseldorf,
Hamburg, Berlin zu Wort, die bekanntesten sind Peter Hein von Fehlfarben,
Gudrun Gut von Mania D. / Malaria, Blixa Bargeld von den Einstürzenden
Neubauten, Gabi Delgado von DAF, Krupps-Frontmann Jürgen Engler, olle
Campino, die Tote Hose, Ex-Sounds und Spex-Autor Diedrich Diedrichsen,
die idealen Humpe-Schwestern und Andreas "Fred" Dorau vom Jupiter.
Das Bild, das das vorliegende Buch zeichnet, ist ein sehr zwiespältiges. Am
Anfang, zum Ende der siebziger Jahre, stehen ein ungeheurer Idealismus und
der unbedingte Wille, etwas Neues zu machen, etwas eigenes, sich zu lösen
von den anglo-amerikansichen Vorbildern, die zu dieser Zeit (und heute ja
noch immer) die musikalischen Standards bestimmen. Eines der Festivals der
späteren Jahre wird "Geniale Dilettanten" heißen und dieses Motto trifft auf
die meisten der damals Aktiven zu. Sie leben die Befreiung des Punk "Um Musik
zu machen, muss man kein Instrument beherrschen" und "Konventionen scheren
uns einen Scheiß" und treffen mit ihrer Musik auf offene Ohren. Eine eigene
Szene entwickelt sich, mit Konzerten, den ersten Independent-Labels und eigenen
Helden. Nur wenige Jahre später ist die Bewegung am Ende und mit ihr einige
ihrer Protagonisten. Klappse, Rückzug ins Private oder "Verkauf an die Plattenindustrie";
von den ursprünglichen Idealen ist nicht mehr viel geblieben. Punk ist zum
schnellgespielten Rock'n'roll für Freizeit-Revolutionäre mutiert und die,
die immer noch versuchen, die eigentliche Idee des Punk, den Bruch mit den
Konventionen, hochzuhalten, werden bei Konzerten regelmäßig von der Bühne
geprügelt.
Sprüht Teil eins des Buches geradezu von positiver Energie und Aufbruchstimmung,
lässt Jürgen Teipel den Leser am Ende des Werkes ziemlich deprimiert zurück.
"Verschwende Deine Jugend" beschönigt nichts. Die persönlichen Fehden der
Musiker kommen ebenso zur Sprache, wie das kalte Verhältnis der oft noch sehr
jungen Menschen untereinander, die Brutalität, mit der Freundschaft mit den
Füßen getreten wird, wenn es um die Durchsetzung der eigenen Ziele geht. Traurig
mitlesen zu müssen, wie die von Enthusiasmus getragene Bewegung ihre Anhänger
überrollt.
Unabhängig jedoch von dem eher negativen Gefühl, welches im Rückblick und
in der Gesamtschau entsteht, haben Punk und New Wave eine ganze Menge interessanter
Musiker geformt, die zum Teil noch heute aktiv sind. Mit ihren Liedern haben
sie den Soundtrack für eine wichtige Zeit des Umbruchs geschaffen und nicht
unwesentlich die heutige deutsche Rock- und Popmusik mitgeprägt. Oft mehr
als die, die heute als die großen Helden gelten. Auch wenn einige Opfer zu
beklagen sind, das Aufbegehren gegen eine starre Gesellschaft und ihre ebenso
starre Kunst hat sich gelohnt. In diesem Sinne vermittelt "Verschwende Deine
Jugend" ein positives Gefühl. Vielleicht fühlt sich ja eine neue Generation
von Musikern durch das Buch animiert, selbst die Geschicke in die Hand zu
nehmen.
PS: Positiv anzumerken ist, dass
das Buch über ein Register der handelnden Personen verfügt, damit auch Zuspätgeborene
wissen, welche Bedeutung der Interviewte in der damaligen Zeit hatte. Ebenfalls
lobenswert die Chronologie der wichtigsten Ereignisse.
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