Hans-Ulrich Grimm - Aus Teufels Topf. Die neuen Risiken beim Essen (knaur)

"Man ist, was man isst." lautet eine der Binsenweisheiten, mit der uns unsere Altvorderen seit den Tagen unserer Geburt malträtieren. Und wie so oft haben sie Recht, auch wenn viele sicher nicht ahnen, welche Dimensionen das Thema hat. Niemand, der nicht will, muss sein Geld zu den Fast Food-Ketten tragen, um dort Sättigung zu erfahren. Der Autor Hans-Ulrich Grimm zeigt jedoch deutlich, dass das gar nicht nötig ist, um in den Genuss all der mit viel Hingabe komponierten Produkte der Lebensmittelindustrie zu kommen, denn "das Böse" lauert überall. Daran, dass in unseren Speisen zahlreiche E's, Konservierungs- und Farbstoffe sind, haben wir uns längst gewöhnt. Dass eben diese "Produkte" nur noch einen Bruchteil der Vitalstoffe wie Vitamine und Spurenelemente enthalten, nehmen wir für eine schnelle Zubereitung gern in Kauf. Dass gelegentlich das günstige Fleisch, die Eier oder der Fisch mit Salmonellen oder E. Coli-Bakterien verseucht sind, mein Gott, das lässt sich nicht ändern. Solange BSE in den Medien ist, verzichten wir eine Zeit lang auf Rindfleisch.
Es ist schon erstaunlich, wie duldsam die Menschen sind, wenn es ums Essen geht, schließlich hängt nicht weniger als ihr Leben davon ab. Grimm zeichnet in seinem Buch nach, wie es zu den Zwischenfällen kommt, die immer wieder für neue Skandale sorgen. Der Feind ist dabei schnell ausgemacht, denn er versteckt sich nicht, sondern sitzt wohlsituiert in Fabriken, Konzernen, Handelsunternehmen. Die industrielle Landwirtschaft erzeugt Lebensmittel unter Einsatz von Erzeugnissen der Pharma- und Chemieindustrie immer billigere Produkte in immer größeren Mengen. Die Lebensmittelindustrie verarbeitet diese möglichst preiswert zu den Dingen des täglichen Bedarfs. Damit dass so ist, werden Lachs aus Kanada zur Verarbeitung auf die Philippinen gekutscht oder Krabben von der Nordsee zum Pulen nach Marokko. Dass sich während der Stunden auf staubigen Straßen so mancher Keim wohlig entwickelt, wen stört's? Wen stört, dass die Langzeitfolgen vieler Zusatzstoffe im Essen nicht wirklich geklärt sind? Wer kümmert sich darum, dass Menschen, die sich fast ausschließlich von vorgefertigtem Essen ernähren, Mangelerscheinungen leiden und krank werden? Niemand. Zumindest fehlt den Bemühungen der Politik die rechte Durchschlagskraft. Kein Wunder, denn schließlich haben Pharmaindustrie, Chemie und Landwirtschaft starke Lobbyorganisationen und nicht zu vergessen, die Arbeitsplätze!
Doch das Problem ist noch viel komplexer. Zwischen kriminellen Machenschaften, Wiederverwertung von Schlachtabfällen für die menschliche Ernährung, Gesundheitsrisiken, Functional und Convenience Food, der Macht der Supermärkte, sich veränderten Essgewohnheiten, Gentechnik und Massentierhaltung lauert die eigentliche Gefahr in einer Entwicklung, aus der es kein Zurück mehr zu geben scheint. Grimm zeigt, welch weitreichenden Folgen die zunehmende Industrialisierung unserer Ernährung hat, ebenso, wie die "Industrialisierung" unserer Gesellschaft, die Unterordnung aller Interessen unter die Belange der Wirtschaft. Manchmal wird er dabei ein wenig "amerikanisch", bringt in schönster Reality-Manier Personen ins Spiel, die er bis ins Detail beschreibt, um so seine Leser auch emotional anzusprechen. Abgesehen von dieser stilistischen Frage ist das Bild, dass Grimm zeichnet ebenso dicht wie düster. Die alles bestimmenden Konzerne haben uns fest in ihren Klauen und wir sind häufig genug gezwungen (im direkten Sinne wie im übertragenen), genau das zu fressen, was sie uns vorsetzen. Natürlich gibt es Auswege, der allgemeine Trend ist jedoch erschreckend. Bleibt zu hoffen, das Leser nach Lektüre dieses Buches ihre Nahrungsmittel bewusster auswählen. Denn mit jedem kleinen Tante-Emma-Laden der stirbt, mit jedem selbstständigen Bauern der aufgeben muss oder jedem unabhängigen Bäcker der schließt, stirbt ein Stück Lebensqualität.

 

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