Alexander Pehlemann & Roland Galenza (Herausgeber) - Spannung, Leistung, Widerstand; Magnetbanduntergrund DDR 1979 - 1990
(Buch, Doppel-CD, Zonic / ZickZack)

Magnetband-Untergrund der DDR. Welche Erwartungen hat man an ein Buch mit diesem Untertitel? Wohl einfach zu große. Ich wollte Zahlen, Namen, Fakten erfahren, mich an das eine oder andere erinnern, über Unbekanntes staunen. Nachdem ich den ersten Teil dieses Buches gelesen hatte, war ich kurz davor, es in die Ecke zu werfen. Speziell Herr Galenza - zu DDR-Zeiten durch seine Tätigkeit als Rundfunkmoderator bei DT64 bekannt - versucht sich über weite Strecken seiner Artikel als intellektueller Poet und soziologisch geschulter Analyst und das geht ganz gehörig in die Hose und mir auf die Nerven. Kostprobe gefällig? "Die Cut-Up-Technik wurde im Osten eine mögliche Methode der Subversion. Frische, ungesehene Filmaufnahmen, ungeahnte Bilder gegen stillgelegte Gleise, gegen alle Greise" oder "Jeder Tag war so lang wie ein neuer Anfang. Alerte Außenseiter auf der falschen Seite der Sonne. Die hieß bleiben und wie auch immer weitermachen oder Ausreise. Verbaler Sozialismus versus kecken Privat-Eklektizismus." und Kollege Christoph Tannert fällt ein: "Als die Autoperforationsartisten ihr rhizomatisch-dadaistisches, von der Körperüberführung in Kunst bis zur taktischen Geistesabwesenheit reichendes Kontrastprogramm mit inkorporierter Methodenreflexion begannen…" bzw. "Als reale Zwischenexistenzen und abstrakter Überschuss neben den offiziellen DDR-Größenwahnproduktionen gehören die Punks, Künstler-Punks und die Frechdachse aus dem volkseigenen Wurzelwerk zu den eher unbekannten Hervorbringungen einer Szene, die heute tragischerweise als Ensemble der Vergeblichkeit in Erscheinung tritt." Toll, mit dieser Art Humor hat man die Lacher der konkret-Leser auf seiner Seite aber was soll zum Beispiel ein ernsthaft interessierter Westdeutscher aus solchen Sätzen entnehmen? Sicher, manches ist lustig, intellektuell herausfordernd, nicht leicht konsumierbar. Das geht schon in Ordnung - auf Dauer wirkt das Ganze jedoch eher wie eitle Selbstbespiegelung der Sorte "Schaut mal, was ich für schlaue Worte kenne". Ein Eindruck, der sich durch den Versuch der permanenten Selbstverkultung verstärkt wird. Sicher, man war dabei, hat eine Rolle in dieser Szene gespielt, war auch wichtig aber wenn man nur sich selbst und seine Kumpel beweihräuchern will, dann muss man nicht unbedingt ein Buch darüber schreiben. Wie so Vieles in der DDR krankt das Buch zudem an der typischen Berlin-Zentrierung, die nur selten einmal durchbrochen wird. Der Personenkreis beschränkt sich auf kaum mehr als zwei Handvoll Protagonisten, die ständig in verschiedenen Projekten neu zusammengewürfelt miteinander agieren. Sicher, das mag in der speziellen Szene so gewesen sein, doch wirklich Mühe haben sich die Autoren meiner Auffassung nach nicht gegeben, zu schauen, was andernorts passierte. So winzig klein war die DDR dann auch wieder nicht…

Egal, wollen wir die Kritik nicht weiter ausbauen - ich denke, es ist klar geworden, was mich am literarischen Teil des "Magnetbanduntergrund" stört. Lange Zeit habe ich überlegt, ob ich überhaupt etwas darüber schreibe - das ausgelesene Buch lag mehrere Monate anklagend in der Ecke. Wie gesagt, fast hätte ich das Buch am Anfang wütend in selbige geworfen, zum Glück tat ich es aber nicht, sonst wären mir die vielen wirklich witzigen und informativen Passagen entgangen. Die jetzt im Einzelnen nachzuerzählen, spare ich mir. Eine sehr brauchbare Zusammenfassung findet Ihr hier.
Mein Fazit: Wer sich für das Thema interessiert, sollte das Geld ruhig investieren. Schließlich sind zwei sehr interessante CDs im Preis enthalten. In der dokumentarischen Beziehung gibt es auch nichts zu meckern: Auf den beiden Tonträgern finden sich eine ganze Menge eher unbekannte Stücke, zum großen Teil zum ersten Mal einem größeren Publikum zugänglich gemacht. Das Buch enthält dazu- insofern noch nachvollziehbar - ausführliche Informationen. Und dass diese Stück Subkultur unbedingt erhalten gehört, daran gibt es aus meiner Sicht keinerlei Zweifel!

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