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Sigillum S
23/20 (CD, Verba Corrige Production)
Sigillum S machen schon seit
Mitte der 1980er Jahre Musik. Soundtechnisch hat sich seitdem Einiges
geändert. Mal klangen die Italiener eher rituell, mal ambient, mal
nach Old School Industrial. Das bisher letzte Studioalbum 23/20
(nur noch gefolgt von einem Mitschnitt Ihres Auftrittes beim 2007er Wroclaw
Industrial Festival) schlägt wieder eine ganz andere Richtung ein.
Am besten beschreibt man das Werk als einen Hybriden aus den bekannten
Stilen, angereichert mit Hardcore, Jazz, Breakcore und vielem mehr. Und
das ist vielleicht auch der Hauptgrund für meine zugegebenermaßen
nicht allzu schlimmen Probleme, die ich mit 23/20 habe. Mit
kommt das Ganze ein wenig wirr vor.
Los geht es mit einem stampfenden und donnernden Gnostic Circles,
das den Hörer erst einmal ordentlich durchschüttelt, allerdings
ebenso unregelmäßig, wie die Fahrt auf einer Schlaglochstraße.
Die sirenenartigen Laute tun ihr Übriges, dass auch der Letzte wach
wird.
Adventures Contemporary Tune hingegen wirkt wie ein verzerrter
Ambient Song mit synthetischen Trompeten und wirren elektronischen Stimmen.
Ebenso chaotisch sind die Synthietöne, die recht ungeordnet erklingen.
Camera Documentable Parade Of Nudity mutiert nach dem jazzigen
Intro zu einem Digital Hardcore Monster mit ordentlich krassem Stimmeinsatz.
Bei den ruhigeren Passagen kommen Gitarren und ein Saxophon hinzu. Mit
Late May schlägt Sigillum S den nächsten Haken.
Hier wird ein düsterer leicht jazziger Instrumentalsound zelebriert,
mit doomigen Gitarren, einem mechanischen Rhythmus und viel Atmosphäre.
Ab der Mitte des Stückes wird es richtig strange, mit einem funkigen
Bass, kombiniert mit einem eigentümlichen Sprechgesang. Here
Not präsentiert sich danach als schwirrendes Ambient-Stück,
das ganz ohne Brüche auskommt. Noch etwas ruhiger geht es mit Plan
to Breed and Domesticate weiter, wobei zum Ambient-Sound eine Gitarre
gequält wird. Der langsam lauter werdende trippige Rhythmus und ein
etwas quietschiges Saxophon erzeugen eine spacige Stimmung, die auch Krautrockfans
gefallen dürfte.
Den meisten deutschsprachigen Hörern wird wohl Titel 7 mit dem überlangen
Titel Voodoo Inside Anxiety Spins Like Contraband Prank Principles
in Erinnerung bleiben, denn hier fordert eine weibliche Stimme Komm
Kuscheln, Baby. Musikalisch wird dieses Angebot in einen leicht
schleppenden Rhythmus und verschiedenste elektronischen Soundflächen
gekleidet. Ein wenig krautig kommt auch Recovery Of
The Irrevocable Star daher, wenn sich die ambienten Sounds und dunklen
Drones mit Spieldosengeräuschen und kosmischem Synthiegequietsche
verbinden.
Restrain And Discover Gist Engagement zeigt Sigillum S von
der rituellen Seite, so kennt man die Italiener eigentlich. Ein recht
entspanntes, mystisch angehauchtes Midtempostück.
Das geht selbstverständlich nicht weiter so und bei Invasion
Of Earth By A Malevolent Horde wird wieder gehörig an der Chaosschraube
gedreht. Den Anfang des Stückes kann man ohne schlechtes Gewissen
als Noise bezeichnen, auch wenn hier verschiedenen Schichten erkennbar
bleiben. Es folgt ein Break und der Track schwenkt in Richtung processed
Field Recordings, also manipulierter Sounds aus der Umwelt. Doch auch
dabei bleibt es nicht, zu den Fieldrecording gesellen sich sphärische
Keyboardflächen.
Bevor es dem Hörer dann zu ruhig wird, legen Sigillum S erneut eine
Schippe drauf und bringen mit Soil-Borne Bacterium Root To Insect
Pests & Safe To Higher ein Stück der Marke Prodigy meets
Hardcore meets verrückten Elektroniker zu Gehör. Legacy
Of Identity Politics (Kill, Kill, Kill) wird dem Titel nicht ganz
gerecht, denn die Soundminiatur entbehrt jeder Aggressivität, ist
vielmehr recht entrückt mit einem Einschlag arabischer Melodien.
Die klagenden Trompeten sorgen zudem für eine eher düstere Stimmung.
Mit Overwhelming Destroyer gehen Sigillum S einen Schritt
in Richtung Metal mit Werwolfgeheule und stampfenden elektronischen Beats,
wobei der Sound allerdings mit recht wirren elektronischen Klängen
angereichert wird. Wall Of ist hingegen wieder recht ruhig,
ein leicht verspulter Drone unter Zusatz von Saxophon, Violine, einigen
spartanischen Basstönen und verfremdeten Gitarrenklängen.
Eingeleitet von Posaunenklängen setzt Softer Than Anything
They Experience die Reise im Zickzackkurs fort. Das improvisierte
Stück entbehrt jeder Struktur und könnte von einer Free Jazz-inspirierten
Noise-Combo stammen. Ab der Mitte des Stücks bringt ein hoppelnder
Schlagzeug-Rhythmus etwas Ordnung ins Klangchaos, doch von leichter Konsumierbarkeit
bleibt der Sound weit entfernt. Free Jazz halt. Ebenso chaotisch
schließt Manifold Miasma Lunacy die Platte ab, wobei
in dem Wirrwarr eine bekannte Dixielandmelodie zu erkennen ist.
Alles in allem eine recht abwechslungsreiche aber leider auch etwas uninspiriert
wirkende Platte. Von allem etwas aber nichts so richtig. An dem zwiespältigen
Gesamteindruck ändert auch das schöne Digipack nichts...
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