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Radio Werewolf
The Vinyl Solution | Analog Artifacts: Ritual Instrumentals and
Undercover Versions
(CD, Nightmare Network)
Die amerikanische Band Radio
Werewolf gehört mit Sicherheit zu den umstrittensten Gruppen der
Schwarzen Szene. Im Jahr 1984 als Gruppe im L.A. Underground entstanden,
spielte man anfangs von B-Movie Horror und 60ies Sounds inspirierten Death
Rock. In dieser Anfangszeit wurden zwar diverse Songs aufgenommen, ein
vorgesehenes Album erschien jedoch nie, zirkuliert heute aber als Bootleg.
Zum finsteren Image der Band trugen die als dämonische Rituale inszenierten
Liveshows bei, mit denen Radio Werewolf eine eigene Jugendpartei
um sich scharte. Die Band vertrat offensiv allerhand skurrile Meinungen,
die sie zu beliebten Ansprech- und Interviewpartnern im US-Boulevard-Fernsehen
machten. So präsentierten sich Radio Werewolf als Kopf einer weltweiten
satanistischen Bewegung; namentlich Frontmann Nikolas Schreck machte aus
seinen Sympathien für den Nationalsozialismus keinen Hehl. Dies brachte
ihm u.a. eine Einladung zu Race and Reason ein, einer TV-Show
von Tom Metzger, seines Zeichens Führer der Neonazi-Bewegung White
Arian Resistance...
Ende der 1980er hatte sich Nikolas Schreck mit seinen ehemaligen Mitstreitern
soweit überworfen, dass er Radio Werewolf als Soloprojekt weiterführte.
1989 erschien beim deutschen Label Gymnastic Records das Album The
Fiery Summons, das insbesondere in Deutschland viele Anhänger
fand und über das auch ich die Gruppe kennenlernte. Offensichtliche
faschistische Bezüge gab es hier keine mehr, dafür aber Soundtracks,
die eine stark nihilistische Atmosphäre schufen, die mit Death Rock
nicht mehr das Geringste zu tun hatten. Schreck setzte hier den bereits
in den eingeschlagenen Weg fort und präsentierte das Werk als Ritual
mit dessen Hilfe sich das Bewusstsein manipulieren ließ. Der hohe
Anspruch, mittels der auf Tonträger konservierten Sounds die Psyche
des Konsumenten zu verändern, erscheint leicht als Kasperletheater,
aus eigener Erfahrung würde ich dies nicht unbedingt in Lächerliche
ziehen. Fakt ist, dass ich das Album, das ich ursprünglich
wie damals üblich als Kassettenkopie mein eigen nannte über
mehrere Monate quasi ununterbrochen hörte. Wenn sich das Leben von
seiner schlechten Seite zeigt, lege ich den Tonträger mittlerweile
als CD auch heute immer wieder einmal ein. The
Fiery Summons wohnt eine negative Kraft inne, die entweder
als abstoßend empfunden wird oder aber den Hörer nachgerade
magisch anzieht. Ich würde mich selbst zu letzterer Gruppe rechnen.
Zwischen 1989 und 1992 entstanden
in der Zusammenarbeit von Nikolas Schreck und Zeena Lavey, Tochter des
Gründers und Hohepriesters der Church Of Satan Anton Szandor Lavey
zwei weitere Alben sowie drei EPs. Während die Alben Songs
From The End Of The World und das schon recht poppige Love
Conquers All ausschließlich auf CD erhältlich
waren, wurden die drei EPs als streng limitierte Platten gepresst. Die
vorliegende CD The Vinyl Solution, deren anstößiger
Name sich somit selbst erklärt, enthält diese drei Vinylscheiben
sowie zwei zusätzliche Stücke.
Titel 1, Providence, entstammt dem sogenannten Zurich
Experiment dem letzten Liveauftritt von Radio Werewolf aus
dem Jahre 1991. Die Band hatte in der Schweizer Stadt eines ihrer bewusstseinsverändernden
Rituale auf die Bühne gebracht, das später auch mittels eines
Videos dokumentiert wurde. Eingeleitet wird die wilde Klangcollage durch
eine deutschsprachige Ansage, die die akustisch induzierte Deprogrammierung
verspricht und dass der Hörer am Ende des Abends nicht mehr der gleiche
sein wird.
Die folgenden sechs Stücke
geben die ultradüstere EP The Lightning
And The Sun wieder, auf der Radio Werewolf komplett auf Gesang
verzichten. Den Hörer erwarten ruhige bis theatralische, dem Wesen
nach ambiente Kompositionen, die oftmals eine bedrohliche Atmosphäre
erzeugen und am besten mit den frühen Werken von Boyd Rice zu vergleichen
sind. Doch steht das Rhythmische bei Radio Werewolf nicht im Vordergrund,
vielmehr schleifen sich die Sounds mit repetitiven Melodiefragmenten ins
Unterbewusstsein ein. Besonders deutlich wird dies beim hypnotischen Epiphany
On The Freinberg, ein Stück, dass den Hörer regelrecht
lähmt.
Die Titel 8 bis 11, die die
Namen Parasit, Säuberung, Zeit der
Rache und Endlösung tragen, fanden sich auf der
12'' Bring Me The Head Of Geraldo Rivera
aus dem Jahre 1990. Dazu muss man wissen, dass Rivera ein bekannter investigativer
Journalist und Talkshow-Moderator beim Sender Fox News ist, in dessen
Show Radio Werewolf aufgetreten sind. Was genau für Probleme die
Band mit dem Fernsehmann hatte oder hat, wäre Grund für eine
Nachforschung. Witzigerweise findet sich auf der Rückseite des Vinyls
ein in fast schon absurden Kontrast zum Titel stehender Love Letter
To The World, der den Wunsch der Band nach einer besseren Welt für
alle Menschen, insbesondere für die unterprivilegierten Massen ausdrückt.
Ein wahrhaft satanischer Humor!
Die vier Stücke allesamt Kollagen mit extrem verlangsamten
Sounds und allerhand Samples scheinen einem Horrorfilm zu entstammen,
bei Zeit der Rache sind für Uneingeweihte unverständliche
Beschwörungsformeln zu hören. Ein wenig ärgerlich ist,
dass auf der CD die 13-minütige B-Seite des Vinyls Lucifer's
Court fehlt, die problemlos auf dem knapp 50-minütigen Tonträger
unterzubringen gewesen wäre. Ein echter Wermutstropfen für alle
Fans, die nicht im Besitz der originalen Veröffentlichungen sind.
Den eingängigen Teil des
Tonträgers bilden sicherlich Titel 12 und 13, die beiden Coverversionen
die unter dem Namen A Tribute To The Sin-atras
erschienen sind. Da wäre zum einen die militant-boshafte Version
von This Boots Are Made For Walking, ein Lee Hazelwood-Klassiker,
der im Original im Duett mit Nancy Sinatra vorgetragen wurde. Zeena Lavey,
die stimmlich sicher nicht die beeindruckendste Interpretin ist, gibt
den Text in einem aggressiv-lasziven Sprechgesang wieder, der von einem
dominanten Marschrhythmus kontrastiert wird. Ein Teil der Lyrics spricht
sie in einem gebrochenen Deutsch, was ihr, ebenso wie das auch für
die CD verwendete Cover-Artwork hierzulande zusätzliche vor allem
männliche Fans eingebracht ahben dürfte.
Die Rückseite des Vinyls enthält eine von allem Romantizismus
entkleidete Version des Frank Sinatra-Songs Witchcraft, bei
der Zeena ihre sexy Uuhs beisteuert. Insgesamt bewegen sich
die Werewölfe hier recht nah am Original.
Für Die Hard-Fans, die
alle Radio Werewolf-Releases besitzen ist sicher Titel 14 besonders interessantest,
denn das als Epilogue: Mystery Bonus Track bezeichnete Stück
ist bisher völlig unveröffentlicht (anders als das Intro zum
Zurich Experiment). Der mystery Track könnte mit
seinem schrägen Wechselgesang und dem nicht minder wirren Klangteppich
aus verhallten Geigen aus der Songs From The End Of The World-Session
stammen, soundtechnisch würde er ganz gut dazu passen. Ein klassisches
Werewolf-Stück an dem sich die Geister scheiden: Für die einen
ist es dilettantisches Gequietsche, für die anderen höhere Magie.
The Vinyl Solution
ist das Dokument einer der ungewöhnlichsten Bands der späten
1980er, frühen 1990er. Für alle die, denen das Schaffen von
Radio Werewolf damals verborgen blieb, haben hier die Möglichkeit,
einen Einblick in die recht eigenwillige Klangwelt zu bekommen, die sich
allerdings von der der Alben ein wenig unterscheidet. Sammler werden zwar
sicher die Vinyl-Ausgaben bevorzugen, doch sind diese kaum noch erhältlich.
Insofern ist die CD zumindest ein kleiner Trost für alle Zuspätgekommenen.
Ein
Wort zum Schluss: An dieser Stelle möchte ich noch feststellen, dass
für mich die politische Ausrichtung von Radio Werewolf niemals von
Bedeutung war, zumal ich diesen Nazi-Schick wie auch das Interesse von
Nikolas Schreck für Charles Manson Schreck veröffentlichte
ein Video-Interview mit dem seit 1969 Einsitzenden unter dem Titel Charles
Manson Superstar - im Kontext der Herkunft aus den USA sehe. Dass
Schreck wie auch seine Lebensgefährtin Zeena die aus ihrer Sicht
entartete, konsumistische US-Gesellschaft ablehnen, daraus haben die beiden
mittlerweile in Deutschland ansässigen Künstler nie einen Hehl
gemacht. Faschismus und Satanismus galten und gelten im land of
the free and the home of the brave als größtmögliche
Provokation. Anders als in Deutschland darf man in den Staaten straffrei
mit SS-Uniform oder Hakenkreuzarmbinde herumlaufen, eine intensive Auseinandersetzung
mit den Verbrechen der Nazis wird nicht eingefordert. Dass macht es den
Provokateuren natürlich leicht, völlig gedankenlos
dem Inbegriff des Bösen zu huldigen. Ob hinter solcherlei
Polit-Exhibitionismus tatsächlich gefestigte faschistische oder nationalsozialistische
Weltbilder stehen oder nur der Wille, seine größtmögliche
Verachtung für die Mitmenschen auszudrücken, darüber kann
nur der betreffende Mensch selbst Auskunft geben, insofern er Lust dazu
hat. Was Schreck und Lavey betrifft, so haben sich die beiden niemals
politisch engagiert, ihre Begeisterung für Magisches und Satanismus
im Besonderen sind die beiden bis heute treu geblieben.
nikolasschreck.eu
zeena.eu
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