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V.A. - Beyond Ignorance and Borders (CD, Syrphe)
Wer denkt, "experimentelle
Musik" gäbe es nur in Nordamerika und in Europa, der liegt falsch.
Die vorliegende CD enthält zwanzig Tracks aus Afrika, dem mittleren
Osten und Asien, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Dies
ist der Vorgänger von "Pangaea Noise".
Hùng Nguyen Manh
präsentiert eine Collage aus Field Recordings von Straßengeräuschen,
versetzt mit dezenten Drones und vietnamesischer Gesang. Das Li Chin
Sung Trio aus Honkong und der Mongolei kombiniert Khoomei-Gesang,
seltsame Sprachsamples und kratzige Fieldrecordings zu einer infernalischen
Collage. Skorfuse von den Philippinen melden sich mit Drum'n'Base,
garniert mit schrägen Zutaten wie asiatischen Kampfgeräuschen
zu Wort. Cliquetpar aus Thailand legen noch eine Schippe drauf
und lassen ADS-Drum'n'Base auf melodischen Passagen mit poppiger Frauengesang
treffen; eine eigenwillige aber sehr wirksame Kombination.
Die israelischen Seventeen Migs Of Spring
sind mit einer experimentellen Improvisation vertreten. Hier gibt es viel
Geklimper und bling-blonk zu hören. Die taiwanesischen Pei
gehen in eine ähnliche Richtung, zeigen sich in Summe aber wesentlich
harmonischer. Hier kommt das Gezwitscher aus Natur und Computer.
Yan Jun aus China finden dann den Weg zurück in Richtung "richtiger
Musik". Der feine Ambient basiert auf hypnotisch schleifenden Loops
und Sounds, die höchstwahrscheinlich von einem E-Bass stammen, bei
dem gelegentlich eine Seite angeschlagen wird. Dazu kommt noch etwas,
was zwischen verfremdeten Kutschengeräuschen und wild schnappenden
Tieren klingt.
Astronoise setzen hingegen auf ordentliches Gescherbel mit sehr
vielen Breaks, Geknatter und Gekreisch. Nennen wir's am besten Free Noise
Der Track der libanesischen Scrambled Eggs kommt mit einer melancholischen
Synthiemelodie, die mit allerhand schrägen Geräuschen garniert
wird, so zum Beispiel einem einfachen Knarzrhythmus aus Fragmenten von
echten Schlagzeugsounds, Gefiepe, Geklingel u.v.m.
Die indonesischen Kalimayat bringen zusammen, was scheinbar überhaupt
nicht zusammenpasst: Eingeborenengesänge treffen auf puren Noise.
Einen ähnlich verfolgen BTR aus der Türkei - im debilen
Kreis bereits bekannt als Analog Suicide
- aber die Gesänge des Muezzins selbst werden verwurstet und der
monotone Consolen-Rhythmus erleichtert insgesamt das Durchhören des
Stücks.
Der Ägypter Mahmoud Refat fängt Windgeräusche ein,
im Hintergrund sind Sirenen zu hören. Dazu gesellt sich ein seltsames
Geräusch metallischer Natur, welches dem Stück einen sehr bedrohlichen
Charakter verleiht. Gegen Ende wird der Titel so leise, dass man kaum
noch was hört.
Half A Moment aus Marokko liefern ein ziemlich beeindruckend düsteres
Stück ab, mit wirkungsvoller Dark Ambient Basis und ziemlich mystischen
Ansagen und Geräuschen wie von einem Ritual: Coole Samples, eingängige
Drums, hier stimmt einfach Alles.
Aus Singapur kommen One Man Army. Auf diesem Sampler vertreten
sind sie mit einem nach meiner
Erfahrung eher etwas untypischen, sehr düsterem Dark Ambient
Stück mit Klagechören.
Gareth Dawson & Righard Kapp aus Südafrika bohren das
Gehör dann sehr langsam und leise mit einem experimentelles Stück
auf, welches eine freejazzige Basslinie mit elektronischen Geräuschen
kombiniert. Mit zunehmender Laufzeit tritt ein Drone nach vorn, das aber
zunehmend zerhackt wird.
Eines der ungewöhnlichsten Stücke der Compilation ist das von
Khamsuane Vongthomkhan & C-drík (Laos 7 Belgien), das
als pure Volksmusik beginnt, die ein wenig wie eine asiatisch Version
von Irish Folk klingt, ein Sound, der dann aber immer mehr ins Elektronische
kippt.
Zum zweiten Mal gibt sich Li Chin Sung ein Stelldichein, diesmal
begleitet von Tibetan Friends: Die schleifende Drones klingen wie
von einem Schiff im Wasser im Hintergrund, dazu gibt es die ungeheuer
kraftvollen tibetischen Gesänge voller Weisheit und Melancholie und
die typischen Trommeln und Trompeten; am Ende ist reiner Khoomei-Gesang
zu hören.
Nepa ios aus Algerien machen dann wieder richtig bösen Industrial
mit rhythmischem Maschinenlärm, Metallgekreisch und -gekratz. Eine
"ethnische" Komponente fehlt hier vollends.
Die aus den Vereinigten Arabischen Emiraten stammenden Sonic Spar
legen über ultradüstere Bassdrones fragile Klangschichten und
schaffen daraus ein insgesamt ruhiges aber auch ziemlich verstörendes
Bild. Der Abschluss der CD liegt in den Händen von Goh Lee Kwang
aus Malaysia, der ein schönes Noise Ambient-Gekratze mit meditativem
Charakter abliefert.
Fazit: Eine extrem abwechslungsreiche
CD, die Klischees abbaut und Dank Kontaktdaten sicher einige Feldforschungen
nach sich zieht.
Titel:
1. Hùng Nguyen Manh - Distor-summer (Short Version)
2. Li Chin Sung Trio - One Blue Sky
3. Skorfuse - 629
4. Cliquetpar - Stingray Ghostrider
5. Seventeen Migs Of Spring - Ice - Part One (Radio Edit)
6. Pei - Green
7. Yan Jun - Useless Summer
8. Astronoise - 01.16.05.Badabie
9. Scrambled Eggs - Never Mind Where, Just Drive
10. Kalimayat - Killing Kecak
11. BTR - The Blue Code Waveform
12. Mahmoud Refat - Subway
13. Half A Moment - Schants
14. One Man Nation - Ghossando In Space
15. Gareth Dawson & Righard Kapp - Boarding
16. Khamsuane Vongthomkhan & C-drík - Live Improvisation In
Vientiane (Excerpt)
17. Li Chin Sung & Tibetan Friends - Yin
18. Nepa Ios - Ithrane N Ithige
19. Sonic Spar - Astra
20. Goh Lee Kwang - The Night As It Was Raining (Aka 26 Aunigrai)
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