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SWARM - A Cold Spring
Record Sampler (2-CD, Cold Spring)
Labelsampler haben stets so
ihre Tücken, denn selten ist das ganze Programm einer Record Company
wirklich hörenswert. Auch auf "SWARM", der aktuellen Leistungsschau
des englischen Labels Cold Spring, ist das nicht anders. Auf zwei CDs
gibt es hier insgesamt 22 Titel zwischen Industrial, Ambient, Military,
Folk und Neoklassik zu hören.
Los geht es mit Kreuzweg Ost, einem österreichischen
Projekt, dessen Namen mir zwar geläufig war, von denen ich allerdings
noch keinen Tonträger mein eigen nenne. Das Eröffnungsstück
der ersten CD "Ein neuer Krieg" ist inhaltlich ganz nett, denn
hier stehen mal nicht die "Helden" des Krieges im Mittelpunkt,
sondern diejenigen, die keine Lust haben, sich für irgendwelche angeblich
hehren Ziele umbringen zu lassen - Deserteure. Zu einem Marschrhythmus
- "links, rechts, links" gibt es synthetische Fanfaren zu hören,
eine Trommel treibt das Ganze voran. Nicht schlecht, doch ein wenig überladen.
Auf Dauer wirkt die Schrittezählerei etwas albern.
Andrew Liles verhältnismäßig
kurzes Stück kombiniert neoklassische Instrumentalmusik mit ungewöhnlichen
Geräuschen und einer stark verzerrten Vocoderstimme. Dass der Mann
schon mit Steven Stapelton von Nurse With Wound zusammengearbeitet hat,
will man gern glauben. Ein Blick auf Liles' Website zeigt, dass hier jemand
sehr kreatives und produktives am Werk ist.
Ebenfalls recht kurz ist der Beitrag von Shinjuku
Thief, dem Projekt des Australiers Darrin Verhagen, das glaubt
man der Website, schon eine Weile in der Versenkung verschwunden war.
Brachiale CMI-ähnliche Melodien und Rhythmik treffen auf einen recht
lustigen "arabischen" Chor und manischen, rezitativen Gesang,
so dass das Stück wirkt, wie aus dem Soundtrack zu einer Comicverfilmung.
In der betreffenden Szene eilt der Held wahrscheinlich gerade auf dem
Rücken eines Kamels durch die Wüste.
Merzbow und Nordvargr lassen es bei ihrem
Gemeinschaftswerk dagegen wesentlich ruhiger und reduzierter angehen.
Besonders im Maßstab des Japaner ist "Partikel MN2" ein
nachgerade richtig ruhiges Stück. Zu einem anfangs dezenten Kratzen
und Schmirgeln gesellen sich verschiedenste weitere Layer - Keyboardflächen,
fast versteckte Stimmen, Echolot-Töne, Beats
um im Laufe des
Stück im Noise unterzugehen und wieder aufzutauchen bevor der Track
ambient ausklingt. Hinter Nordvargr steckt Hendrik N. Björkk, der
u.a. auch von den Projekten Folkstorm und Toroidh bekannt ist und bei
Maschinenzimmer bzw. MZ. 412 mitwirkte.
Der Beitrag der Neuseeländer Clear Stream Temple
beginnt mit Muezzin-Gesang, worauf Nachrichtensamples folgen und eine
sehr heisere Stimme sich zum Irakkrieg äußert. Dann gibt es
harte elektronische Midtempo-Beats, wie Granateneinschläge. Ergänzt
wird das Ganze mit einer im Hintergrund gehaltenen Keyboardmelodie und
Noisedrones. Die verschiedenen Elemente vermischen sich und wechseln einander
ab. Insgesamt eher ein Hör- als ein Tanzstück.
Der schwedische Soundtrackbastler Frederik Klingwall
- ein sehr schöner Name übrigens - lässt sich mit
einem klassischen, durch (wahrscheinlich synthetische) Streichinstrumente
dominierten Stück vernehmen. Sehr kurz ist das Ganze und mit einer
etwas zuckrigen Melodie versehen. Keine wirkliche Offenbarung.
Der 2002 verstorbene Komponist, Performer und Filmmacher John
Watermann ist mit einer ambiente Klangcollage vertreten. Sehr filigrane
Fiep- und Knistertöne treffen auf schabende Hintergrundgeräusche
und eine mystisch entrückte Stimme.
Dann wird es aber richtig mystisch. Bleiburg, Werkraum
und Von Thronstahl versuchen mit mächtigem Theatertgepauke
zu imponieren und zum Klang von Streichern und akustischer Gitarre werden
Texte von den "Schatten der Ahnen" rezitiert. Also ich finde
das nur Grauen erregend.
Zum Glück erretten Zos Kia den Hörer
aus dem Pathos-T(r)ief. Basis des Tracks ist ein Cello-Loop, der mit weit
zurück gemischten Streicherklängen, seltsamen Kratzgeräuschen,
stark verzerrten Quellen und verrückten Klavieranschlägen kombiniert
wird. Etwas seltsam vielleicht aber sehr spannend. Auf jeden Fall ist
es schön, mal wieder etwas von John Gosling, der sich als Zos Kia
sehr rar gemacht hat.
Die sibirischen Necropolis machen ihrem Namen
alle Ehre: Der Kirchenchor evoziert Bilder einer christlichen Trauerfeier,
das Hintergrundrauschen könnte fast Umgebungsgeräusch sein.
Wirklich beschreibbar ist das zu Hörende nicht. Auf jeden Fall haben
die Drones einen passenden mystischen Charakter, klingen wie das Heulen
des Windes über einer Landschaft.
Drones sind auch die Basis des Stückes des noch relativ jungen Projektes
Deadwood aus Schweden. Dazu gesellen sich
martialisch-rituelle Trommelschläge auf Metall und eine dunkel Stimme.
Wirkliche Höhepunkte hat das Stück aber ebenso wenige wie sein
Vorgänger.
CD 2 beginnt martialisch mit Sistrenatus.
Das kanadische Einmann-Projekt hat bisher nur eine CD-R mit fünf
Titeln vorzuweisen, ob das hier veröffentlichte Stück exklusiv
ist, lässt sich nur schwer ergründen. Auf jeden Fall ist "IV"
sehr schön getragen, der langsame Marschrhythmus trifft auf gewaltige
neoklassische Sounds und einige Noisesprengsel. Das hätte auch CMI
gut zu Gesicht gestanden, nun hat sich Cold Spring Sistrenatus gesichert.
"SleepResearch_Facility entstanden aus
dem Wunsch heraus, auditive Einschlafhilfen zu schaffen", verkündet
die Website des Projektes und dazu eignet sich der vorliegende Sound wirklich.
Die langsam schwebenden Drones verführen geradezu dazu sich treiben
zu lassen und völlig im Klang aufzugehen. Sehr beruhigend.
Das nachfolgende Stück Von Thronstahl's
hinterlässt bei mir gespaltene Gefühle. Musikalisch erinnert
das Ganze an die guten Zeiten von Sixth Comm. Der Pathos ist zumindest
auf dieser Ebene wohl dosiert und das Stück mit angenehmer Emphase
vorgetragen. Doch wenn ich auf den Text höre, wird mir nicht wirklich
besser. Auch wenn nun keine wirklich "bedenklichen" Aussagen
wahrzunehmen sind, so klug ist Herr Klumb mittlerweile, so wenig Lust
habe ich mir, vorzustellen, welchem Europa er da zu-heilt. Naja, in Englisch
lässt sich das alles ertragen.
Die nächsten, Goatvargr, wenden das
Blatt nach dem kurzen Ausflug ins Neofolkloristische sofort in Richtung
Death Industrial. Kratzende, basslastige Drones, die mehr Dröhns
sind und metallisch-monotones Schlagzeug geben die Richtung vor, dazu
sind weitere Ebenen wie Streicher und tiefer gepitchte Stimmen zu vernehmen.
Das Ganze wird mit der Zeit immer intensiver, um dann am Ende auszufaden.
Beteiligt ist auch hier wieder Hendrik N. Björkk von Nordvargr.
Die ungarischen Kriegsfall-U beginnen ihr
Stück mit Samples in ihrer Heimatsprache. Keine dumme Idee, denn
das Ungarische ist so ungewöhnlich für die Ohren der meisten
anderen Europäer, dass Aufmerksamkeit garantiert ist. Beim Einsetzen
der Melodie musste ich erst einmal aufhorchen, denn irgendwie kam mir
das Ganze bekannt vor. Nun bin ich kein großes Licht, was klassische
Musik betrifft, aber das hier Gehörte kannte ich von Herrn LaVeys
"Satanic Mass"-Aufnahmen. Wird wohl Wagner sein. Dazu wird ordentlich
synthetisch getrommelt, martialisch, wie man es von z.B. In Slaughter
Natives her kennt.
Hinter TenHorned Beast verbirgt sich niemand
Geringerer als Christopher Walton von Endura. Dementsprechend ist das
vorliegende Stück sehr, sehr dunkler Ambient mit hohem Mystikanteil.
Im Gegensatz zu Endura spielen Melodien hier aber nur eine untergeordnete
Rolle, der "Archangel" kommt allein mit Drones aus.
A Challenge Of Honour langweilen danach mit
schmalzigen Computergequäle, das eigentlich keiner Erwähnung
wert ist. Ein wirklich verzichtbarer Beitrag und für mich die reine
akustische Folter.
Der nachfolgende, experimentelle Dark Ambient-Track von Band
Of Pain ist da eine echte Erlösung. Obwohl das Projekt des
Engländers Steve Pitt bereits seit über zehn Jahren existiert,
war es mir bisher nicht bekannt. Soweit so schlecht.
Dem erholsam reduzierten Stück folgt wieder eine Pathos-Klatsche.
Ich kann nicht verstehen, wie all diese "Liedermacher"-Bands
wie z.B. Werkraum so erfolgreich sein können.
Wirklich schlecht ist der Track nicht, aber ein bisschen weniger wäre
sicher besser gewesen. Mir ist das Stück mit all seinen Trommeln,
Glocken und Keyboard-Streichern inklusive Axel Franks energiegeladenem
Gesang einfach zu viel.
Schloss Tegal sind dagegen einfach nur finster.
Dunkle Stimmen, langsame Drones, entrückte Sounds, dafür sind
die Amis bekannt. Dark Ambient at it's best. Thematisch dreht es sich
hier um "coital affirmation", das obligatorische Stöhnen
darf deshalb natürlich nicht fehlen.
Zu den Holländern von H.E.R.R. bleibt
nur eins zu sagen: Erbarmen! Diese Art von heroischer Mittelaltermusik
kann ich einfach nicht ertragen. Was hat das mit Stalingrad zu tun? "We
should be marching together" - nein, da geh ich doch lieber einen
anderen Weg. Bei dieser Musik kann ich das Inhaltliche nicht ausblenden
und das verleitet mir das Zuhören. All die Freunde Europas mit ihren
seltsamen Ansichten, die so gerne an der Geschichte rumdrehen würden,
sind mir suspekt. Pech für diejenigen, die nur zufällig in deren
Nähe auftauchen.
Fazit:
Ein sehr durchwachsener Sampler mit einigen schönen Beiträgen
und einigen wenigen Ausfällen. Großes Plus ist die internationale
Auswahl.
Titel:
CD 1:
1. Kreuzweg Ost - Ein Neuer Krieg
2 Andrew Liles - Sea Man Or Giordano Giosus The Unsuspecting Landlord
3 Shinjuku Thief - Sacred Fury Live
4 Merzbow vs Nordvargr - Partikel Mn2
5 Clear Stream Temple - Division (City Of Mosques)
6 Fredrik Klingwall - Come Inside
7 John Watermann - Whispering Walls (Si_Comm Remix)
8 Bleiburg Feat Werkraum/Von Thronstahl - Herdfeuer (Reburned)
9 Zos Kia - Ten Miles High (Alternative Mix)
10 Necropolis - Eudaimonia
11 Deadwood - The Serpent Spiral
CD 2:
1 Sistrenatus - Iv (Remix)
2 Sleep Research Facility - 82ºS 45ºE
3 Von Thronstahl (Feat Rose Rovine E Amanti) - Adoration To Europa (Folk
Version)
4 Goatvargr - Lycanthrophic
5 Kriegsfall-U - Crisis And Catharsis
6 Tenhornedbeast - Archangel
7 A Challenge Of Honour - At Dawn We Meet Our Maker
8 Band Of Pain - Swelled And Spent
9 Werkraum - La Lutte Des Jeunes
10 Schloss Tegal - Coital Affirmation (ACE Remix)
11 H.E.R.R. - Stalingrad
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