V.A. - Nous Sommes les morts (CD, Apocalyptic Radio)

"Sehr schicke Aufmachung" ist die erste Reaktion beim Betrachten dieser Sammlung aus dem Hause "Apocalyptic Radio". Statt eines herkömmlichen Digipacks gibt es hier eins in DVD-Größe. Die Aufmachung würde den unbedarften Konsumenten eine Düstermusikalische Scheibe erwarten lassen, beim Hören kommt es natürlich ganz anders, denn AR steht nicht für "Grufti"-Mucke sondern für eine Mixtur aus Noise und Industrial mit Schwerpunkt bei ersterem.
Der Sampler beginnt auch für Anhänger dieses Genres viel versprechend mit "Death before Disco" von OBJEKT/URIAN, ein sehr angenehmer, geradezu klassisch zu nennender Minimal-Electro-Titel. Wüsste man es nicht besser, könnte man glatt vermuten, hier wurde eine längst vergessene Perle aus den frühen 80ern ausgegraben.
Kaum hat man sich an die leicht poppigen Klänge gewohnt, schlagen die französischen ICK mit voller Wucht in die PowerNoise-Kerbe, mit einem Stück, das auch Propergol gut zu Gesicht gestanden hätte. Während ICK alles in allem noch als harmonisch gelten können, legen ATROX noch eine Schippe auf und lassen, wie es der Name ihres Beitrages schon andeutet, die Transistoren quietschen. Sehr noisig und schräg und eher etwas untypisch für die letzten ATROX-Sachen.
Ebenfalls aus Frankreich kommen PPF, die manchem hierzulande vielleicht vom "Getting Away with Murder"-Sampler bekannt sind. Über einem stoischen Rhythmus und zahlreichen kaskadenförmig herabstürzenden Soundsprengseln liegt eine fast schon eingängig zu nennende Gesangsspur; der dazugehörige "Refrain" "You came fort he noise" könnte das Stück durchaus zu einem Szenehit werden lassen.
MORAL FRAKTAL, eine der Hausbands des Apocalyptic Radio-Labels, lassen in einem einleitenden Sample das Motto dieser CD anklingen, um sich dann in kleinen, minimal-elektronischen Rhythmushüpfern über ein ambientes Minenfeld zu schleichen. Nicht unbedingt ihr stärkstes Stück aber auch kein schlechtes. PRAYING FOR OBLIVION bauen die gewohnten Noisewände auf, durch die eine schwebende Keyboardklangfläche hindurch scheint, die an Fliegergeräusche erinnert. Dazu lässt sich eine stark verzerrte Stimme vernehmen.
Der Beitrag von ANTRACOT ist dann wieder etwas für die hartgesottenen Noise-Fans. So richtig will mir nicht aufgehen, wie der Kreative diesen Titel von einem beliebigen anderen unterscheiden will, hört sich das Ganze doch an, als ob hinter einer dicken Betonwand eine gigantische (Bohr-)Maschine arbeitet. Sehr statisch das Ganze und ohne große Höhepunkte. Die lassen bei PROPERGOL nicht lange auf sich warten: Ein leicht verfremdetes Schmatzen sichert sofort die Aufmerksamkeit des Hörers, denn ein wenig "eklig" ist das schon. Eine Sound-Schleife baut langsam eine bedrohliche Stimmung auf, dazu tickt im Hintergrund unaufhörlich die Uhr und gemahnt den Konsumenten der verrinnenden Zeit. Nach einiger Zeit geht das Ganze im Chaos aneinander entlang schrammender Metallteile unter, um schlussendlich ambient auszuklingen. Persönlich mag ich die krachigen PROPERGOL-Stücke mehr.
Ambient im Sinne von Geräusch-Umgebung geht es auch mit VRONTHOR weiter. Im Hintergrund sind Stimmsamples zu vernehmen, ansonsten bestimmt ein tieffrequenter, sich sehr langsam entfaltender Loop das Geschehen.
Ein wenig aus der Reihe auf dem Sampler fallen BEINHAUS, mit ihrem eher Neubauten-Artigen Sound. Das vorliegende "Kein Verlust" wurde zwar ein wenig auf Noise-Geschmack aufgebohrt, trotzdem sind noch deutlich die von Künstlerhand bedienten Metallgegenstände wahrzunehmen, der typische Sprechgesang tritt etwas in den Hintergrund.
Dann folgen CONTAGIOUS ORGASM. Kann man von Asiaten im Normalfall vor allem kranken Lärm erwarten, so sind die Japaner wohl die große Ausnahme. Ihre Musik lässt sich eher in den Bereich Ambient/Electronica einordnen, beim "vorliegenden" Stück ist neben allerlei Umweltgeräuschen sogar deutlich ein echtes (!) Schlagzeug zu vernehmen. So mitten all den harten Sachen eine echte Entspannung..., denn schon SHADOW THEATER lassen es wieder ordentlich krachen. Das rhythmisch-chaotische Noise-Stück dürfte bereits von der gleichnamigen Single her bekannt sein. In ähnlichem Fahrwasser wie ihre Vorgänger bewegen sich SYNOMORPH. Wirklich Tanzbares sollte man aber auch hier nicht erwarten, denn das Ganze ist eher Death als Rhythmus-Industrial. Dieser von Manchem vielleicht als Manko empfundenen Tatsache arbeiten FLUTWACHT wieder mit aller Macht entgegen. Der bestimmende Rhythmus-Loop paart sich mit kreischenden Noises und Elektronengeschirgel. Da brennt akustisch so manche Sicherung durch und die Inneneinrichtung scherbelt übers Blech. Sehr angenehme To(u)rtour für die Freunde des Genres.

Fazit: Ein sehr abwechslungsreicher Sampler, der vor allem Freunde der kompromisslosen Krachmusik erfreuen wird.


Titel:
1. Objekt/Urian - D.B.D.
2. ICK - Le Proces [verdict = mort]
3. Atrox - Erwachet all ihr schlafenden Transistoren
4. PPF - You came fort he noise
5. Moral Fraktal - We are the dead
6. Praying Fpr Olivion - All Consuming Oxidizer
7. Antracot - Sallow Mucous Secretion
8. Propergol - The Shroud (Ground Version)
9. Vronthor - Le Morts
10. Beinhaus - Kein Verlust (4Bit Harsh version)
11. Contagious Orgasm - Black Companion
12. Shadow Theater - Ein Splitter Glas
13. Synomorph - Rhythms Of Blood
14. Flutwacht - The Flow Of Snow


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