The Times Without Gods+++Ghosts Of The Soul Long Lost+++Life's Blood Death's Embrace+++



Murderous Vision - The Times Without Gods (CD, Live Bait Recording Foundation, 2002)

Diese CD aus dem Jahre 2002 ist bereits die vierte Veröffentlichung von Murderous Vision und von den mir vorliegenden Tonträgern der älteste "vollständige". (Bei "Ghosts…" handelt es sich schließlich um eine Compilation verschiedenster Tracks, wenn auch zum Teil aus den Jahren vor 2002.) Das amerikanische Projekt um Gründer und einziges "stetiges Mitglied" Stephen Petrus versorgt die Musikwelt mit einem ganz eigenen Sound, der Ähnlichkeiten zu dem von Cold Meat - Ambient Industrial mit neoklassischen Einflüssen - aufweist, ohne diesen jedoch zu kopieren. Beim im Zusammenhang mit ambienten Klanglandschaften viel bemühten Ausdruck "Film", würde ich Murderous Vision in die Rubrik Horror einordnen, denn ich denke die Jungs stehen auf dieses Genre. Eine Vermutung, die durch eine an Metal- und Kanada-Industrial angelehnte Ästhetik in CD-Gestaltung und wie im Konzert gesehen Hintergrundbebilderung gestützt wird. Wer also gern blutige Messer mag, ist hier genau richtig.

Insgesamt hinterlässt diese CD, hauptsächlich aus einfachen Drones, dezenten aber stoischen Rhythmen und langsam dahinschwebenden Keyboardflächen aufgebaut, keinen allzu bleibenden Eindruck. Lässt man sich auf den Sound ein, sollte man sich möglichst spät nachts allein in einen dunklen, kalten Raum setzen und alle Messer wegschließen. Ohne jetzt direkte Vergleiche zu ziehen, muss ich sagen, dass mich die Art von "Angstmachen", wie sie Murderous Vision pflegen, nicht annähernd so beeindruckt wie die von Radio Werewolf, was sicher auch daran liegen kann, dass erstere sich eher am Christentum abarbeiten, zweite am Satanismus. "A Crimson Offering", das erste Stück auf "Times Without Gods", das mit einem längeren Vokalbeitrag auffällt, legt diese Betrachtungsweise nahe. Nach solcherart inhaltlicher Einstimmung wird es viel leichter, Murderous Vision bei ihren in musikalischen Ausdruck umgesetzten Gedankengängen zu folgen. Mit dem nachfolgenden "Like Lambs To Slaughter" gelingt es Stephen Petrus erstmals, mich mit einem "rituellen" Rhythmus und einer sich ständig wiederholenden Dreitonfolge gefangen zu nehmen. Geht ja doch! Hier wirkt das Ganze nicht so statisch, tot, sondern sehr lebendig. Nach diesem Highlight tauchen die Amerikaner erneut in ihre eigene Welt ab, die offensichtlich vom Fin de siècle gepägt ist, was auch die Einsprengsel klassischer bzw. "alter" Musik nahe legen. Bei "Journey Onward" holen sie dann die Klampfe heraus, wodurch das Stück sehr aufgewertet wird, auch wenn Petrus nur einfachste Akkorde spielt.

Insgesamt empfinde ich das Werk als sehr behäbig und wenig kurzweilig, den Sound als ein wenig zu matschig und nur geringfügig differenziert. Manches erinnert mich an Blood Axis / Les Joyaux De La Princesse und ihre Platte "Absinthe - La Folie Verte", nur das dort als Zwischenspiel diente, was hier über Minuten ausgedehnt wird. Es fehlt das, was man gemeinhin als "Spannungsbogen" bezeichnet. Manchmal macht mir das nichts aus, gelegentlich empfinde ich die Stücke jedoch als bleierne Last auf der Brust, die das Atmen erschwert. Wenn das die Intention der Musiker war, dann ist ihnen das gut gelungen.
Auch wenn es am Sound einiges zu meckern gibt, das Artwork ist recht ansprechend. Stephen Petrus hat sich hier für ein von Jugendstil-Ästhetik geprägtes Cover entschieden. Dieses verstärkt den Eindruck eines hermetischen Werkes, welches sich nur dem Eingeweihten wirklich erschließt.

Titel:
1. I Must Set This World Aflame
2. All Dead
3. The Blood On Your Hands
4. The Only Answer
5. A Crimson Offering
6. Like Lambs To Slaughter
7. Fall Before Christ
8. Cries Of Mankind
9. Journey Onward

 

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Murderous Vision - Ghosts Of The Soul Long Lost
(2CD, Live Bait Recording Foundation, 2005)

Bei vorliegender Doppel-CD handelt es sich um eine Sammlung rarer und auf verschiedensten Samplern versammelter Tracks, die das vielfältige Schaffen von Murderous Vision recht gut abbilden. Neben den auf "Times Without Gods" dominierenden ambienten Stücken, die mit nur wenig Abwechslung glänzen, gibt es auch einige echte Perlen auf diesem Werk zu finden. "As Teeth Sink In" kommt meiner Ideal-Vorstellung von einem mystischen und eingängigen Stück sehr nahe. Ein Herzschlag-Beat, wunderschöner weiblicher Gesang, Gongs und Glocken, Sprachsamples.
Der verstärkte Einsatz von Sprache ist insgesamt als positiv zu bewerten. Eine gute Stimme, ein gekonnt gesetztes Wort - das hat Michael Moynihan immer wieder bewiesen hat - macht alles, was auf das Stilmittel "ambient" als eine Form der Telepathie, des Senden von Stimmungen von einem fernen Ort und aus einer fernen Zeit, auf die Reproduktion mittels einer Silberscheibe angewiesen ist, wirksamer. Man merkt, das Murderous Vision inzwischen Bands wie Genocide Organ gehört haben, Projekte, in deren Konzept noch die Körperlichkeit der alten TG enthalten ist, die dem Herausfordernden des Industrial erst seine Glaubwürdigkeit verleiht. Die beweist das fantastische "Common Enemy", mit seinen treibenden, rituellen Trommeln. Natürlich könnte mancher gerade an dieser Stelle anmerken, dass MV mit ihren Samples Raum für zahlreiche Missverständlichkeiten offen lassen. Dazu nur ein kurzer Ausschnitt aus dem Booklet: "originally released October 2001 on the split CD-R with Acclimate "Beautiful Black World". Industrial war schon immer ein "war on information" und Murderous Vision gehen diesen Weg zunehmend konsequenter, wie Anleihen z.B. an Boyd Rice "lyrisches Werk" nahe legen. Die "Hail Cesar!"-Rufe in "Put Us In Our Graves" hätten auch vom Meister persönlich stammen können. Natürlich kann man die Beschäftigung mit einem Thema wie "Führer" mit einem auf den WKII beengten Gesichtsfeld schon wieder als protofaschistisch bezeichnen, man kann es aber auch lassen und sich über allgemeinmenschliche und zwischenmenschliche Probleme Gedanken machen. Das lassen Bands wie Murderous Vision mit ihrer Musik und ihrem Gesamtwerk meist ausdrücklich offen und das ist auch gut so. Bei aller Neuerung verlieren die Amerikaner auch ihre früheren Stärken; träumerische ambiente Stücke aus den Augen. Ganz interessant ist auch das Stück "Betrayal", das einen richtiggehenden Liedcharakter aufweist, was recht untypisch für die Amis ist, die sonst eigentlich immer nur Atmosphären oder Hörspiele produzieren.

CD zwei dieser Sammlung bietet einen Überblick über den "industriellen" Teil des MV-Klangschaffens. "Stumple Upon The Scene" erinnert an Schloss Tegal und "In Succession" an Genocide Organ, um nur einmal an den ersten zwei Stücken Eckpunkte festzumachen. Bei Stücken wie "Speak Their Names" oder "4th Day Stench" kann man wirklich von Power Noise sprechen. Der kommt häufig in der Form wie ihn auch die Landsleute von Fire In The Head pflegen, daher: Noisedrones die sich zu wahren "walls of sound" aufbauen und dazu gibt es verzerrte Schrei-Vocals.

Auf "Ghosts…" wird in geballter Form eins deutlich: Murderous Vision liefern ständig neuen Sound ab und so ist es recht schwierig, etwas Charakteristisches darin zu finden. Die Düsternis und das Elegische gehören auf jeden Fall dazu. Insgesamt gelingt es den Amis mit dieser Zusammenstellung wesentlich besser, mich in ihre Welt hineinzuziehen. Zu den sehr nebulösen und wie ich finde immer etwas mulmigen Sounds kommen klarer strukturierte Elemente und Ausbrüche in die Noise-Ecke. Das verstärkt die Eingängigkeit ihres Schaffens ungemein.


Titel CD1:
1. To Summon The Stars
2. As Teeth Sink In
3. The Marching Things
4. Speak Their Names
5. Awaken Dommiel
6. Common Enemy
7. Tiberious (Full Version)
8. The Awakening
9. The Stopping Ground
10. Put Us In Our Graves
11. Betrayal
12. Trail Of Meat

Titel CD2:

1. Stumble Upon The Scene
2. In Succession
3. Face Of The Kill
4. Scripted By Force
5. Random Attack
6. Our Father
7. 4th Day Stench
8. Truth / Vomit (4:43)
9. A Body Left At The Corrugated Dock
10. Crushed, Then Removed
11. Burn Your Pathetic Soul
12. Baby, It Ain't No Sin
13. Burning (In The Promised Land)
14. Random Attack (Brethren Vocal Version)

 

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Murderous Vision - Life's Blood Death's Embrace (CD, Live Bait Recording Foundation)

MV aktuellste CD knüpft im Sound nahtlos an "The Times Without Gods" an. Viel Neues gibt es nicht zu sagen. Sind die ersten beiden sehr zähen Stücke überstanden, geht es in der zweiten Hälfte von "Dethrone And Disseminate" dann etwas rhythmischer zur Sache. Inhaltlich begibt man sich hier in ein sehr gefährliches Fahrwasser. Mit Brethren vom Power Electronics-Projekt Organised Resistance hat man sich einen Vokalartisten gesucht, der nicht gerade für Toleranz und Menschenliebe bekannt ist. Dementsprechend geht es auch um die "intolerance" gegenüber "sub species" und "parasites". Aber wir sind schließlich im Industrial unterwegs und da sollte man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Letztendlich ist es besser, wenn die Herrschaften ihre Antipathien auf diese Weise ausleben, als auf die entsprechenden Personen einzuschlagen.
Es folgt wieder ein etwas an Schloß Tegal erinnerndes Kaugummistück, das aber mit einem bösen, antichristlichen Text aufgewertet ist, bevor der mittlerweile verstorbene Johannes Paul II. noch einmal eine Rede schwingen darf. Passenderweise heißt dieses Stück "Celebration for the Undead". Nachdem der polnische Papst in die Grube gefahren ist, wird's wieder reichlich laaangatmig. Zu diesen Klängen kann man nicht viel mehr tun, als gelähmt im Bett zu liegen und zu hoffen, dass man irgendwann wieder erwacht. Der letzte Titel des Albums "The Soot Of Decay" bricht nachdem er sich fast acht Minuten hingeschleppt hat, mit einem entspannten Rhythmus noch einmal kurz aus der Lethargie aus. Warum passiert das nicht früher?


Tracklisting:
1. Commiserate The Curse (0:54)
2. Grinding Your Souls Into Hell (8:04)
3. Dethrone And Disseminate (5:55)
4. The Serpent Approaches (5:42)
5. Celebration For The Undead (3:54)
6. Sacraments Of The Flesh (7:32)
7. All Morals Subjective In The Fields Of Hate (4:16)
8. Vigilance Of The Damned (8:04)
9. Tooth And Tongue (4:22)
10. The Soot Of Decay (12:14)

 

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