Egobar - Ajax zum Beispiel (CD, Egobar)

Ich gestehe, ich habe keinerlei Ahnung von Heiner Müller. Diesen Satz muss ich vorausschicken, denn bei "Ajax zum Beispiel" handelt es sich um die Vertonung eines Gedichtes des deutschen Dramatikers. Aus dieser Unzulänglichkeit heraus wiegt mein Urteil über den vorliegenden Tonträger sicher nicht allzu schwer. Die Künstler werden es verkraften.
Bei selbigen handelt es sich um die Musiker, die bisher unter dem Namen The Ancient Gallery aktiv waren. Der Vierer stammt aus dem selben kleinen sächsischen Ort wie Heiner Müller, aus Eppendorf. Das Interesse für den 1995 verstorbenen "Landsmann" wurde den Weinhold-Brüdern Andy und Robin, Mario "Friedel" Friedrich und Keyboarder Convex somit quasi in die Wiege gelegt. Mit "Ajax zum Beispiel" hat das Quartett ein spätes Langgedicht des Dramatikers vertont.
Im Jahr 1990 gab es wie bereits erwähnt ein ähnliches Projekt, die "Hamletmaschine". Die Einstürzenden Neubauten hatten ein Hörspiel nach dem gleichnamigen Theaterstück Müllers gestaltet. Auch hier ist die Verbindung zum bisherigen Schaffen von The Ancient Gallery schnell hergestellt: Wer das musikalische Schaffen der Eppendorfer kennt, weiß, dass sie Verehrer der Berliner Industrial-Legenden sind. Trotzdem hat das Egobar'sche Werk nichts Epigonenhaftes. Die Umsetzung des Müller-Gedichtes ist treffend und unterhaltsam gelungen. Selbstverständlich dominiert das gesprochene Wort das Hörerlebnis, die Musik ist hauuptsächlich Untermalung. Die illustren Gäste - Blixa Bargeld und Joachim Witt, Schriftstellerin Sibylle Berg, Gregor Gysi und die Dresdner Jazzlegende Günther "Baby" Sommer - sorgen nicht nur für die mediale Aufmerksamkeit sondern auch für einen akustischen Aha-Effekt.
Die limitierte Edition mit 40-seitiger Broschur "LENINDADA", verpackt in einer handgefertigten Zigarrenkiste mit Brandprägung ist manch Sammler sicher einen Blindkauf wert. Dass der Text zum Nachlesen abgedruckt ist, hilft kulturellen Analphabeten wie mir, ein wenig etwas für die Bildung zu tun. Sätze wie "Heimat ist, wo die Rechnungen ankommen" regen sicher nicht nur mich zum Denken an. Vielleicht schau mir ja irgendwann einmal ein Stück von Müller an…

 

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