|

Dawn Projekt - Grey
September (CD, L.
White Records)
11. September 2001. Ein Datum
zu dem man nichts sagen muss. "Die Amerikaner, die glaubten, dass sie
von den Abrechnungen der Terroristen nicht betroffen werden, erleben ein
böses Erwachen. Jetzt wird ihnen klar, dass die Vereinigten Staaten das
Zentrum des Terroristenproblems bilden und dass sie es lösen müssen. Man
hat ihnen erzählt, dass eine solche Großmacht vom Terrorismus nichts zu
fürchten hat, aber heute stellen die Amerikaner fest, dass genau das Gegenteil
der Fall ist. Die Amerikaner müssen also ihre Ansichten ändern und auf
der Straße fangen sie schon an, ihr Verhalten zu überdenken, indem sie
in den Himmel schauen und die Daumen drücken, dass ihnen in den nächsten
Stunden nichts Weiteres passiert." Dies ist ein Sample aus dem ersten
Stück der CD "Earth On Fire". Woher es stammt, ist nicht zu ermitteln,
doch es gibt die Richtung für die folgende knappe Stunde akustische Düsternis
vor.
Wahrlich, das Thema ist nicht dazu angetan, allzu viel Freude aufkommen
zu lassen. Abgesehen vom Bürgerkrieg 1861-1865 sind in der Geschichte
der Vereinigten Staaten von Amerika in den letzten zweihundert Jahren
wahrscheinlich nie so viele Zivilisten Opfer einer kriegerischen Handlung
geworden. Lässt man die zahlreichen Interventionen in Kambodcha, Vietnam,
Honduras, Panama, Guatemala, Afghanistan, Jugoslawien, und weiß der Teufel
wo noch außen vor, sind wahrscheinlich auch noch nie so viele Amerikaner,
selbst im Zweiten Weltkrieg nicht, in so kurzer Zeit durch Menschenhand
dahingerafft wurden. Ein wahrhaft einschneidendes Erlebnis für eine stolze
Nation. "Grey September" bringt die Ereignisse dieser die Welt verändernden
Tage als "industrielles Hörspiel" zurück in die Erinnerung. Samples aus
Nachrichtensendungen, Ansprachen und Berichten beleben das Grauen erneut.
Über einem zurückhaltend inszenierten Geräuschteppich treiben schwerelos
die Stimmen der Angst und die große Worte derer, die dem Terrorismus den
Kampf ansagen. Bei "Tragedy" bewegt sich ein Flugzeug quer durch den Kopf
des Hörers. Zwar schlägt es nirgendwo auf, der Effekt ist trotzdem markerschütternd.
Das ist nichts für schwache Nerven. Stimmung, Verzweiflung und das Unverständnis
der einfachen Amerikaner werden fast physisch greifbar. In der Bibel heißt
es: "Wer den Wind sät, der wird den Sturm ernten". Die amerikanische Regierung
hat stets reichlich Wind gesät. Am 11. September 2001 wurde die Ernte
eingefahren. Dawn Projekt vertont das Thema mit einer Intensität, die
erschaudern lässt. Alles ist seltsam langsam, gedehnt, wie die Zeit nach
einem Feuersturm oder Hurrikan, die wenigen Augenblicke, in denen die
Zeit still zu stehen bleibt, in den absolut nichts geschieht. Dazu kommt
eine fast spirituelle Entrücktheit, die durch basslastige, ultraböse Drones
geerdet wird. Teilweise erinnert das Ganze an Werke von Radio Werewolf,
aber die wird wohl niemand mehr kennen…
Wie auch immer. Dawn Projekt ist härtester Psychoindustrial (mancher würde
auch Dark Ambeint sagen), dessen Power ähnlich wie bei First Law nicht
aus Geschwindigkeit sondern aus der Verlangsamung resultiert. Spaß macht
das keinen und bewegen kann man sich dazu auch nicht, aber darum geht
es hier ja auch nicht. Schade eigentlich, dass das schön gestaltete Cover
keine weiteren Infos bietet. Auch wäre eine Multimediasektion auf einer
CD wie dieser mehr als angebracht. "Two Airplanes had crashed in the World
Trade Centre." And the story goes on and on…
Titel:
1. Earth On Fire 2. Tragedy 3. Brightness And Shadows 4. The God Of Emptiness
5. The Forever People 6. Velvet 7. Moment Of Silence 8. Sky On Fire
zurück nach
oben
|
|