Brethren - The Chosen (10'', Freak Animal)

"Allow me to introduce myself, I am a Jew." Nach diesem Intro schreit sich Brethren gut 15 Minute pro Plattenseite durch den anti-jüdischen Artikel "Straight Talk from A Jew" eines J.R. Colson, erschienen im Resistance Magazine. Die "Lyrics" sind selbstverständlich in voller Länge abgedruckt, damit auch der Letzte mitbekommt, was das Anliegen von Mr. Brethren ist. Er und seine Glaubensbrüder wollen dem Hörer mitteilen, dass Juden das Böse schlechthin sind und mit ihren negativen Kräften die Gesellschaft zersetzen. Der Artikel ist in Form einer an einen nicht-jüdischen (gentile) Zuhörer gerichteten Rede gehalten, dem der erfundene Protagonist mitteilt, wie die Juden die Welt beherrschen und das es keinen Sinn hat, sich dagegen aufzulehnen. Das Cover, welches einen den typischen Klischees entsprechenden Juden zeigt, der die Welt in den Händen hält, könnte glatt aus der Zeit des Dritten Reiches stammen. Dass der Herr einen Sticker von "AIPAC" trägt, zeigt jedoch die Aktualität.
AIPAC steht dabei für American Israel Public Affairs Commitee, eine einflussreiche pro-israelische Lobby in den Vereinigten Staaten. Fakt ist, dass diese Organisation die US-Nahostpolitik deutlich beeinflusst und dafür sorgt, das Israel in seinen zionistischen Bemühungen vom großen Bruder unterstützt wird. Dies ist keine Erfindung von Extremisten, sondern wird offen von AIPAC und amerikanischen Politikern zugegeben. Gründe, warum die USA so selbstlos den jüdischen Staat unterstützt, finden sich hier. Es geht um wirtschaftliche und geopolitische Interessen, worum auch sonst? Zudem wird die in den USA starke christliche Rechte genannt, die das "Heilige Land" lieber in den Händen der Juden als der Araber sieht. Eine jüdische Weltverschwörung daraus abzuleiten, zeugt jedoch vor allem von der typischen Paranoia der weißen Hassprediger, die den Juden sowieso Schuld an allem Negativen geben.
In diese Kerbe schlägt auch die beigelegte DVD, die den Titel "Understanding Anti-Semitism" trägt. Nachdem anfangs deutlich betont wird, dass die gemachten Aussagen nicht verallgemeinerbar sind und man keine Stereotype bedienen will, schlägt man mit grober Keule um sich. Alles beginnt recht harmlos mit einem Ausflug in die Geschichte, der zeigt, dass die Juden in vielen Ländern Europas schlecht behandelt und häufig vertrieben wurden. Dann nennt man die typischen Klischees und stellt die Frage - ja, warum gibt es denn eigentlich Antisemitismus? Die Antwort geben die Macher dieser "Dokumentation" nicht direkt, sondern auf Umwegen. Als Erstes zeigen sie, dass jeder Amerikaner beim Kauf von vielen Lebensmitteln eine Art "Kosher-Steuer" zahlt. Die fällt dadurch an, dass jüdische Organisationen die Produkte als "kosher", also für Juden rein und unbedenklich, klassifizieren. Das Ganze funktioniert wie bei uns zum Beispiel der Grüne Punkt, so dass sich durch den Verkauf großer Stückzahlen erkleckliche Summen ansammeln, die in die Taschen der "bösen Juden" fließen. Dass das Ganze mit einer Steuer nichts zu tun hat, sondern vielmehr von Privatfirmen als verkaufsfördernde Maßnahme eingesetzt wird, unterschlägt der Film. Sinnvollerweise hätte man einen Vertreter der Lebensmittelindustrie fragen können, warum er bei gerade einmal zwei Prozent Juden in den USA diese Klassifizierung für sinnvoll hält, ob der zusätzliche ökonomische Aufwand den Nutzen rechtfertigt. Das passiert aber nicht, denn darum geht es überhaupt nicht. Argumente treffen nicht auf Gegenargumente, man versteckt seine einseitige Weltsicht vielmehr hinter Floskeln wie "Some people say", "you may discuss" und "some politicians state".
Nachdem man den (US-)Bürger da gepackt hat, wo es ihm am meisten wehtut, nämlich am Geldbeutel, bombardiert man ihn mit "Fakten" über die jüdische Zersetzung. Los geht es wieder mit AIPAC (s. oben), dann folgen die jüdischen Medienbarone und Hollywood; im weiteren Verlauf werden insbesondere diese Meinungsmacher für Homosexualität, Abtreibung, Pornografie, Satanismus, die Verwahrlosung der Gesellschaft und alle anderen Übel der Welt verantwortlich gemacht. Nicht zu vergessen der Einfluss der Juden auf das Geldsystem. Regelrecht unerträglich ist der Teil, der sich mit dem Holocaust beschäftigt. Hier werden Zahlen hin- und hergerechnet, bis aus den "angeblich" sechs Millionen ermordeten Juden einige wenige Tausend werden, Propaganda-Filme aus dem Dritten Reich zitiert, die zeigen, wie gut es den Juden doch in den "Gefangenenlagern" ging, der Einsatz von Zyklon B und die industrielle Massenvernichtung von Menschen geleugnet…

Belassen wir es dabei und widmen uns kurz noch der Musik auf dieser Platte. Grundsätzlich ist das Ganze als durchschnittlicher PowerNoise zu bezeichnen, nichts Weltbewegendes aber auch nicht schlecht. Unter musikalischen Aspekten wäre es sinnvoller gewesen, Herr Brethren hätte sich auf wenige Kernaussagen beschränkt und diese unters Volk gebracht, statt stupide ellenlange Texte vor sich hinzuschreien. An dieser Stelle sieht man somit sehr schön, worum es ihm wirklich geht: nicht um künstlerischen Ausdruck, sondern schlichtweg um Propaganda. Ziemlich beschissene noch dazu.
Zwar spielen Propaganda und Provokation im Industrial eine wesentliche Rolle, doch ging es den Urvätern der Bewegung nicht darum, abartige politische Ansichten zu verbreiten, sondern Dinge, die häufig nur im stillen Kämmerlein geschehen, zur Diskussion zu stellen, die Menschen mit ihren dunklen Seiten zu konfrontieren. Leider haben mittlerweile auch diejenigen die Kraft dieser Subkultur erkannt, die "endlich mal wieder ihre Meinung sagen" wollen. Dass die extreme Ästhetik nicht zwangsläufig extreme politische Ansichten impliziert, scheint ihnen noch niemand mitgeteilt zu haben.


Die Szene wird solche "Brethrens" aushalten, so wie die demokratische Kultur der USA nicht wegen einiger Hassprediger vor die Hunde geht. Schön ist es nicht, sich so was anschauen zu müssen aber es existiert nun mal. Die Augen davor zu verschließen, ist auch keine Lösung. Deshalb habe ich mich auch entschieden, diese Rezension zu veröffentlichen. Die angebrachten Links helfen vielleicht ein wenig, die Diskussion in eine sinnvolle Richtung zu lenken. Wer will kann sich auch entgegengesetzt konditionieren.

Titten für Thule: Deckblatt eines Resistance-Magazins...

 

Juden in den Vereinigten Staaten (Wikipedia-entrag mit zahlreichen Links)


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