Species +++ Illusionen und Modulationen +++ White Rooms

Atrox - Species (Card-CDR, Labor für akustische Grenzprobleme)

Die klingende Eintrittskarte der zweiten Tonwellen-Konferenz enthält einen etwas untypischen Atrox-Song mit ganz viel Samples. Wie der Name vermuten lässt, geht es dabei um "some other species from outside the universe". Die Musik besteht im Wesentlichen aus einem hintergründigen, tiefen Drone und "Schlaglichtern", in Form von kurzen Noise-Stromstößen, die in sich einen langsamen, eindringlichen Rhythmus bilden. Verstärkt wird die Intensität der Töne durch die übersteuerten, zum Teil von Angst und Hektik geprägten Sprechfunkschnipsel. Ein sehr eindrucksvolles Klangobjekt aus dem Hause Atrox!

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Atrox - Illusionen und Modulationen (2-CDR, Atacama Records)

Das ist schon fast unanständig: Zwei CDs, vollgepackt mit Musik, nur ein Titel unter zehn Minuten. Die neueste Atrox-Veröffentlichung ist ein großer Packen Arbeit für den Rezensenten. Beginnen wir also mit dem Äußeren. Das ist zuallererst mal ein DVD-Hülle auf der einen Seite bedruckt mit einem Escher-Bild und auf der anderen mit einem ähnlich anmutenden, das aber wahrscheinlich aus einer anderen Quelle stammt. Wer die Bilder des Niederländers kennt, weiß, dass dieser sich hervorragend auf Illusionen versteht. Spezialgebiet des Malers sind unmögliche Figuren, die auf den ersten Blick jedoch meist stimmig wirken. Im Inneren der Hülle befindet sich ein Blatt, das weitere optische Täuschungen beschreibt - vermutlich hat Stoefi hierfür ein Buch auseinandergepflückt, denn im Netz war eine andere Beilage abgebildet. Damit hat er gleich zwei wichtige Kriterien für eine Industrial-Veröffentlichung erfüllt: Die Arbeit mit Informationen und Manipulationen sowie eine Einzigartigkeit, denn es steht kaum zu erwarten, dass es so zwei völlig gleiche Exemplare gibt. Die CDs selbst sind mit lustigen Kamelbildchen beziehungsweise einem geometrischen Muster beklebt und fallen somit auch positiv aus der Flut der nicht einmal mehr beschrifteten Werke heraus.
Die Musik hält das, was die Bezeichnung der CDs verspricht: Auf dem einen Tonträger befinden sich ambiente Stücke, auf dem anderen geht Atrox wesentlich krachiger zu Werke. Auf erster gefallen mir "Cydonia" mit seinem mystischen Sample und den entrückten Sounds sowie "Shaolin", bei dem Kehlkopfgesänge zum Einsatz kommen und das aufgrund zahlreicher Geräusche sehr soundtrackmäßig wirkt.
Wer auf CD 2 den Krach-Overkill erwartet, der wird enttäuscht werden. Das Titelstück "Illusionen und Modulationen" kommt als sich langsam veränderndes Noise-Ambient-Stück daher, dass stellenweise sehr nach Windgeräuschen klingt. Eine Einschätzung, die sich ohne Weiteres auch auf den nächsten Titel übertragen lässt, ohne, dass es dort windig um die Ecken faucht. Die drei verbleibenden Stücke brechen dann aus der ruhigen Atmosphäre aus, das allerdings mit zum Teil solch boshaften Sounds, dass es ordentlich im Ohr klingelt. Bei "Pain" sorgen die gegen Ende des Stücks einsetzenden Samples aus dem Schiffsfunkverkehr für einige Erheiterung. Nach anfänglichem Zweifel kann man also auch bei CD 2 von einer äquivalenten Benamsung sprechen.

Fazit: Die Doppel-CD ist nicht schlecht, die euphorische Reaktion mancher Krachcomler erscheint mir jedoch ein wenig überzogen. Weder ist es Atrox gelungen, etwas völlig Neues zu erschaffen, noch strotzt die Produktion von musikalischen Ideen. Nicht, dass mir das Ganze nicht gefällt, zu Freudenausbrüchen animiert mich dieses Werk dann aber doch nicht, auch wenn Atrox immer noch mit recht unverbrauchten Sounds arbeiten. Abschließend lässt sich sagen, dass alle Stücke durchaus auch etwas kürzer hätten ausfallen können. Naja. vielleicht kommt es ja erst durch den in die Länge gezogenen Hörgenuss zu den titelgebenden Illusionen und Modulationen.

Titel CD1 (Ambient-Side):

1. Mask of Noh (18:02)
2. Cydonia (12:16)
3. Requiem der Phantasie (16:13)
4. Anamorphose (14:10)
5. Shaolin (9:27)

Titel CD2 (Noise-Side):

1. Illusionen & Modulationen (12:44)
2. Magicians Birthday (12:57)
3. Spellbound (12:52)
4. Peregrination (17:12)
5. Pain (Live in Tokio/Bonustrack) (11:30)

 

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Atrox - The White Rooms (Atacama)

Ziemlich schwierige Platte. Vielleicht deshalb, weil sie das so häufig benutzte Attribut "Avantgarde" wirklich erfüllt. Vielleicht deshalb, weil es Zeit braucht, in die Welten von ATROX einzudringen. Vielleicht aber auch, weil mensch es nicht mehr gewohnt ist, dass ein und dasselbe Projekt völlig verschieden klingen kann, sozusagen ein "sehr breites Spektrum bedient" (Ganz schön dämliche Formulierung!).
Nähern wir uns ATROX also von der technischen Seite. Zuallererst ist alles rein elektronische Musik. Menschliche Stimmen kommen nur sehr sparsam und verzerrt, sonst aber als Sample zum Einsatz. Das Projekt bestellt ein Feld, das irgendwo zwischen Ambient, Techno und Noise liegt. Böse Zungen könnten auch behaupten, dass sich ATROX zwischen alle Stühle setzen. Technofans werden die dominanten Rhythmen vermissen, Ambientfans soviel Abwechslung nicht vertragen und Noisefans die seltsam klaren Sounds bemängeln. Man kann sich dieser Kritik anschließen, man kann aber auch genau dieses "weder Fisch noch Fleisch" zum Charakteristikum erklären. Zu dieser Sicht der Dinge tendiere ich, denn das ATROX keine Hörgewohnheiten erfüllen, wäre das letzte, aus dem man ihnen einen Vorwurf machen sollte.
Für fast alle Stücke typisch sind die kleinteiligen, niederfrequenten Rhythmen, die normalerweise als Drones bezeichnet werden. Ein sehr schönes Beispiel für die Noise-Variante ist "Sermon Of The Industry", das sicher auch so manchen Steinklang-Sampler gut geschmückt hätte. Das nachfolgende "Coma" geht bei ähnlichem Grundmuster mit seinem reduzierten Aufbau problemlos als Dark Ambient durch. "White Room Attack" ist wesentlich technoider. Während die Eingangs- und End-Tracks alle recht klar und übersichtlich sind, ist "The White Rooms" im zweiten Drittel ziemlich konfus und krank. Eine Ursache könnte darin zu finden sein, dass ATROX-Macher Stöferle den Verlust eines geliebten Menschens verarbeiten musste, wie der Widmung zu entnehmen ist. Ein Teil dieses Schmerzes ist in der Musik zu hören. Das kann dazu führen, dass einige Passagen nerven. Doch wer wollte angesichts von existenziellen Fragen auf seinem Recht zur Unterhaltung bestehen? Keine einfache Platte, wirklich nicht. Aber eine, für die es sich lohnt, ein wenig Zeit zu opfern.

Titel:
1. Störsignal 2. Down 3. Collapse 4. White Rooms Attack 5. Sermon Of The Industry 6. Coma 7. Scared Beginners 8. Zytoplasma 9. TNM 10. Deep Water 11. Sign Of Live


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